Angebandelt auf der Wiesn – und immer noch ein Paar

Am ersten Wiesn-Samstag 1957 habe ich meine jetzige Frau kennengelernt. Ich bin jetzt 79 Jahre, und meine Frau ist 77 Jahre jung. Heuer sind es genau 60 Jahre, dass wir uns kennen. 1961 haben wir geheiratet. 2011 feierten wir die Goldene Hochzeit. Ich habe 1957 unser Kennenlernen auf der Wiesn schriftlich niedergelegt und das Original bis heute aufgehoben. Hier ein Auszug unserer Geschichte:
Am ersten Wiesn-Samstag hatte ich gerade mit einem Spezi ein Bierzelt verlassen, da sah ich sie, Hannelore mit ihrer Freundin Regina. Zu meinem Freund sagte ich: "Du musst mir helfen, übernimm die Freundin!" – ein eiligst herausgesprudelter Satz.
Beide Freundinnen waren überrascht. Hannelore und ich nahmen uns gegenseitig bei den Händen und auf ging’s ins Vergnügen. In die schwellende Orgelmusik der Karusselle, Schreie der Jahrmarktbuden, vorbei an Achterbahnen und dem Gebrüll der Motoren von den Steilwandfahrern. Alles erschien uns wie Musik, und als ich ihr in die Augen sah, da wusste ich, es ist Liebe auf den ersten Blick. Auf einem Karussell mit Holzpferden haben wir uns das erste Mal geküsst.
Um halb 10 musste sie nach Hause. Aber wir machten einen Treffpunkt für den nächsten Tag aus. Ich war genauso verliebt wie am Tag zuvor. Wir schauten uns im Luitpold-Kino den Film "Monpti" mit Horst Buchholz und Romy Schneider an. Beide hatten wir am Ende des Films Tränen in den Augen.
Zwei Stunden lang durchstreiften wir nachher die Stadt und erlebten gemeinsam die Dämmerung, das Aufleuchten der Lichtreklamen und den ruhelosen, nie aufhörenden Strom, der sich Verkehr nennt. Hand in Hand betrachteten wir die Auslagen der Geschäfte. Am meisten interessierten Hannelore die Schuhgeschäfte. Am Abend trafen wir ihre Mama am Stachus vor den Trambahngleisen. Sie wollte mich begutachten. Ich hatte einen Pepita-Anzug an mit roter Krawatte. (Später verriet mir meine Schwiegermutter, als sie mich das erste Mal sah, habe sie sofort gewusst: "Den werden wir nie mehr los.")
Als beide in die Trambahn stiegen, erschien mir der Tag wie ein Traum, der mir unvergesslich geblieben ist. Und so begann unser gemeinsames Leben mit allen Höhen und Tiefen, die ein Menschenalter beinhaltet. Unsere Liebe besteht auch heute noch.
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Die AZ wird Sie in diesen Sommertagen unterhalten mit Geschichten aus den Zeiten, in denen München doch noch münchnerischer war als heute. Als Stenze durch die Stadt strawanzten – und Striezis und Schandis aneinandergeraten sind.
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Lesen Sie hier Teil 4 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "An Zwickl-Fünfer mit de kurzn Kartn"
Lesen Sie hier Teil 6 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Ich war nie ein Striezi oder ein Stenz"
Lesen Sie hier Teil 9 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Rainer Weiss - ein Unikum und Urgestein"
Lesen Sie hier Teil 11 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Münchner Freiheit, die ich meinte"
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