AZ-Serie "Münchner Gschichten" Teil 16: Gotteslästerung im Herzen von Schwabing?
Die Bemalung eines nackten Mädchens in meinem Poster-Shop am Wedekindplatz durch den Künstler Waki Zöllner lockte massenweise die Zuschauer an, das war ein Novum nicht nur in Schwabing, und diente als erstes Nacktbild in der Zeitschrift "twen".
Aufregung löste ich noch bei der Hausmeisterin im ersten Stock aus, als ich mit dem nackten, aber bemalten Mädchen kam, und bat, dass sie sich im Bad wieder "entkleiden" und abwaschen kann.
Als Bill Ramsey seinen Schlager mit der Zuckerpuppe von der Bauchtanzgruppe im Poster-Shop präsentierte, hätte ich am liebsten eine Bauchtänzerin auftreten lassen.
Dramatisch wurde es, als zwei Polizisten mit einem Pfarrer aus Tirschenreuth den Laden betraten und die Beschlagnahmung des gedruckten Spruchstreifens von 50 Zentimetern Länge vollzogen – mit der Begründung, eine Anzeige des Pfarrers wegen "Gotteslästerung" vorliege. Darauf stand: "Himmihergottscheißglumpvereckts."
Als der Pfarrer weg war, kamen die Sachen zurück
Ich dachte dabei niemals an Gotteslästerung, das sagt man halt in Bayern locker so. Die zirka 100 Streifen bekam ich einige Stunden später wieder zurück, als der Pfarrer wieder – vom Erfolg der Beschlagnahme gekrönt – nach Tirschenreuth zurückgefahren war.
Auch der Busen von "Rosi-Rosi", in Kunststoff nachgegossen, war ein Renner und sorgte umgeschnallt bei vielen Damen für extreme Oberweite.
Als Marianne Sägebrecht sehr freizügig die Travestie-Künstler Folies Bergère fotografierte und eine Ausstellung im Poster-Shop machte, mussten wir die Schaufenster mit Packpapier verkleben, um diese nur der geschlossenen Gesellschaft zeigen zu können.
Noch vor Oswald Kolles Aufklärung sorgten sogenannte Erotik-Poster für das passende Ambiente Zuhause. Das Poster eines Schamdreieckes der Frau wurde als Pornografie eingestuft, ich übersprühte diese Stelle mit schwarzem Rubbellack: Somit konnte ich es bedenkenlos verkaufen – und das Poster lief als Rubbelbild.
Ein weiterer Renner war ein kleines Büchlein, DIN-A-6 groß, mit dem Titel "Was können Sie nach dem 50. Lebensjahr für den Sex tun", von Professor Memmental. Der Inhalt: zirka 20 Seiten leere Blätter. NICHTS! Zumindest als Notizbuch für heiße Nummern und sonstige Notizen des täglichen Lebens war es zu gebrauchen.
Für den Inhalt solcher Bücher hat später Oswald Kolle gesorgt, diese waren auch teurer.
Über viele Jahre habe ich in Zusammenarbeit mit der Abendzeitung den Posterhit der Woche vorgestellt.
In der Jetzt-Zeit drucke ich mit modernsten Digitaldruckern jedes beliebige Motiv, auch vom Handy in gewünschter Größe. Es ist die neue Poster-Ära.
Und die "Institution Roucka", seit über 50 Jahren am Wedekindplatz, bietet eine tolle Plattform für junge Leute. Wer hat die Power für einen Einstieg? Bitte einfach bei mir melden.
Und was haben Sie erlebt? Schreiben Sie an die AZ!
Die AZ wird Sie in diesen Sommertagen unterhalten mit Geschichten aus den Zeiten, in denen München doch noch münchnerischer war als heute. Als Stenze durch die Stadt strawanzten – und Striezis und Schandis aneinandergeraten sind.
Haben Sie selbst auch solche Münchner Gschichten erlebt? Schreiben Sie sie auf – und schicken sie, gern mit Fotos (falls vorhanden) – an leserforum@az-muenchen.de
Oder per Post an:
Abendzeitung
Kennwort: Gschichten
Garmischer Straße 35
81373 München
Die AZ wird ausgewählte Gschichten veröffentlichen.
Lesen Sie hier Teil 4 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "An Zwickl-Fünfer mit de kurzn Kartn"
Lesen Sie hier Teil 6 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Ich war nie ein Striezi oder ein Stenz"
Lesen Sie hier Teil 9 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Rainer Weiss - ein Unikum und Urgestein"
Lesen Sie hier Teil 11 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Münchner Freiheit, die ich meinte"
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