"Münchner Gschichten": "Ich war nie ein Striezi oder ein Stenz"
Es war einmal in der "guadn oidn Zeit" in München. Bei mir waren das die 60er und 70er Jahre, als ich im Lehel aufgewachsen bin. Wenn ich heute so zurückdenke, war das schon ein bisserl ein Privileg, da wohnen zu dürfen. So direkt am Englischen Garten – für uns Kinder schon eine feine Sache. Da sind wir nach der Schule und den Hausaufgaben (sofern sie denn gleich gemacht wurden) rüber zum Hirschanger und haben da Völkerball gespielt. Unser absoluter Favorit bei den Ballspielen.
Im Winter waren meine Geschwister und ich als Kinder oft am Monopteros beim Schlittenfahren. Da gab es noch jede Menge Schnee und links und rechts an den Gehwegen türmten sich hohe Schneehaufen. So was hat heute bei uns nur noch Seltenheitswert, wenn überhaupt.

Hier ist sie aufgewachsen: die Lerchenfeldstraße im Lehel in den 50er Jahren. Von Luxus noch keine Spur. Foto: Gisela Welzenbach
Nackerte am Eisbach
Und der Eisbach – entlang des Baches gab und gibt es auch noch heute die angesagte Freikörperkultur. Meine Familie nannte dies immer die "Nackerten-Meile". Meine Mutter war immer sehr empört über die Ungeniertheit, mit der manche Leute ihre Nacktheit präsentierten. Ja, sogar Federball hat die Männerwelt manchmal im Adamskostüm gespielt. Mei o mei, des hat ausgschaut. Aber mein Vater hat meine Mutter ab und zu dorthin zum Spazieren gehen "geschleppt" – und er hat sich amüsiert.
Die Freikörperkultur war auch in den 70er Jahren recht umtriebig. Aus irgendeinem Grund gab es Leute (in der Regel Männer), die unbedingt nackig im Englischen Garten rumlaufen mussten. Manchmal am Chinesischen Turm vorbei und auch schon mal in die Innenstadt. Man nannte diese Nackedeis "Flitzer". Warum, weiß ich nicht, jedenfalls rannten sie immer recht schnell, um nicht von der Polizei erwischt zu werden oder aus was für Gründen auch immer.
Ganzjahres-Spaß im Prinze
Zu unserem Einzugsbereich – in einem etwas größeren Radius – gehörte auch das Prinzregentenstadion. Wir waren dort im Sommer oft beim Baden, vor allem, als meine Freundin und ich noch Teenager waren. Natürlich war es an heißen Tagen immer recht voll, aber das hat unserem Spaß am Baden keinen Abbruch getan.
Man konnte dort auch Tischtennis spielen. Allerdings, wenn es recht heiß war, konnte man sich leicht einen Sonnenstich einhandeln, denn die Tischtennisplatten standen wirklich voll in der Sonne, aber platzmäßig ging es nicht anders.
Im Winter verwandelte sich das "Prinze", wie es liebevoll von uns genannt wurde, dann in eine Eislaufbahn. Da wir junge Mädchen waren, sind wir von den Jungs immer mal angerempelt worden, was ja quasi zum Balzverhalten gehörte und uns sehr viel Spaß machte. Nicht unbedingt das Anrempeln, aber dass man dann miteinander fuhr und flirtete, war doch schön.
Schicht in der Tram
Was ich auch noch zur guten alten Zeit zähle, ist die Zeit, als es in den Straßenbahnen noch Schaffner gab. Meine Mutter war Straßenbahnschaffnerin und ich durfte als Kind in den 60er Jahren, wenn ich Ferien hatte und meiner Mutter nachmittags ihre Schicht, mit ihr mitfahren. Das war für mich echt eine tolle Sache.
Ich lauschte immer interessiert den Ausführungen meiner Mutter, wenn sie den Fahrgästen Auskunft gab. Die übrigens immer sehr froh darüber waren, wenn sie einen kompetenten Ansprechpartner vor Ort hatten. Heut’ ist das leider ein bisserl anders. Da kannst manchmal schaun, wosd bleibst.
In den 60er Jahren wurde meine Mutter sogar mal gefilmt und die Aufnahmen sind eingebettet in eine Dokumentation vom Bayerischen Rundfunk über die Geschichte und Entwicklung der Straßenbahn in München, wo auch der Weiß Ferdl sein berühmtes Lied von der Linie 8 singt.
Bei bestimmten Strecken war es oft sehr voll, und ich machte mich ganz klein. An der Endhaltestelle war immer etwas länger Pause, und dann durfte ich mich in Mutters Schaffnersitz setzen und über das Mikrofon Haltestellen ausrufen (wenn niemand mehr im Zug war) und mit dem Fahrer sprechen. Ich kam mir ganz toll vor. Die Haltestange benutzte ich als Kletterstange und turnte da wie ein Affe rum – nur an der Endhaltestelle und ohne Fahrgäste, eh klar.

Stolze Tram-Schaffnerin: Mama Josefine Ende der 50er Jahre. Foto: Gisela Welzenbach
In den 60er Jahren gab es noch ein paar alte Straßenbahnen aus der Vorkriegszeit. Holzbänke waren so angeordnet, dass man sich gegenüber saß, und der Mittelgang war frei. Da es für die Schaffner in diesen alten Wagen keine Sitzgelegenheit gab, musste meine Mutter während einer ganzen Schicht über – ausgenommen an den Endhaltestellen – stehen. Das war schon ganz schön anstrengend.
Die Türen gingen nicht automatisch auf, sondern mussten per Hand aufgeschoben werden. Ich bin da auch mal mitgefahren – aber die "neueren" Straßenbahnen haben mir besser gefallen.
Später war ich recht traurig, als man die Schaffner nicht mehr brauchte. Am 30. Mai 1975 wurde der letzte Schaffner verabschiedet. Meine Mutter hörte eher auf, da mein Bruder als der Dritte im Bunde der Geschwister im Februar 1968 auf die Welt kam. Sie arbeitete dann später bis zur Rente bei der Post. Eine Ära ging vorbei, und – wie ich meine – ein Stückchen Leben vom alten München war auf immer dahin.
Schade, dass meine Mutter niemals Zeit hatte und vermutlich auch nie daran gedacht hat, ihre Erlebnisse, die sie hatte, aufzuschreiben. Ein Stück Zeitgeschichte Münchens unter diesem Aspekt wäre lebendig geworden.
Schulzeit im Lehel
An meine Schulzeit habe ich, bis auf ein paar Kleinigkeiten, gute Erinnerungen. Ich besuchte die St.-Anna-Schule, die damals noch Volksschule genannt wurde. Mein Schulweg führte von der Lerchenfeldstraße am Englischen Garten entlang über die schon damals belebte Prinzregentenstraße und Richtung St.-Anna-Straße. Die Schule befand sich neben der Pfarrkirche. Ich blieb bis zur achten Klasse, dann wurde die Schule in eine Grundschule umgewandelt und wir Schüler in alle Winde verstreut.
An meinen ersten Schultag im September 1963 kann ich mich nur noch etwas dunkel erinnern. Natürlich hielten wir alle unsere Schultüten in Händen und waren gespannt, was da wohl drin war.
Schulspeisung mit Brezn
Worauf wir uns immer besonders Freude, waren natürlich die Pausen. Die große Pause dauerte 20 Minuten, und wenn das Wetter schön war, durften wir auf den Schulhof. Da gab es noch die Schulspeisung, die aus Milch und Semmeln oder Kakao und Brezn bestand. Ich bestellte mir immer Kakao und Brezn, weil mir das am besten schmeckte. Es kostete ganz wenig – und für die bedürftigen Schüler war es sogar umsonst.
Gummi-Twist im Hof
Die Pause wurde von uns Mädchen auch dazu genutzt, "Gummi-Twist" zu spielen. Beim "Twist" gab es sogenannte Stockwerke: Man fing bei den Knöcheln an und arbeitete sich durch bis zum Hals. Zwei Mädchen hatten den Gummi im Nacken und das dritte Mädchen, das gerade an der Reihe war, stieg mit dem Gummi die Figuren. Das war fast schon etwas grotesk anzuschauen, aber es hat großen Spaß gemacht.
Der fesche Pater
Meine beste Freundin und ich sowie ein paar andere Mädchen und Buben mussten zum Religionsunterricht in eine andere Klasse gehen. Das war eine reine Bubenklasse und wir paar Mädchen kamen uns da schon ein wenig komisch vor. Dafür wurden wir, weil wir im Vergleich zu den Jungs doch braver waren, öfter von unseren Religionslehrern gelobt. Damals wurden wir noch von Gemeindepfarrern unterrichtet.
An den Pater, den wir in der vierten Klasse hatten, erinnern meine Freundin und ich uns heute noch recht gut, weil er uns so gut gefallen hat. Ihm zuliebe sind wir auch jeden Sonntag in die Kirche gegangen und haben uns möglichst weit vorne hingesetzt, damit er uns auch ja gesehen hat. Im Religionsunterricht wurden wir dann wieder besonders gelobt, weil wir so eifrige Kirchgänger waren – nun ja...

Das Schwabylon: 1979 war es bereits wieder Geschichte. Foto: Ulrich Handl
Die 70er Jahre waren schon ein Jahrzehnt der Superlative und Änderungen. Zu der Zeit gab es ja noch die Anrede "Fräulein", und man wurde erst als Frau angeredet, wenn man verheiratet war. Was für ein Schmarrn! Die Herren wurden ja schließlich auch mit "Herr" angeredet, egal, wie jung die "Herren" noch waren. Vor allem bei den gestandenen, älteren, unverheirateten Frauen klang das einfach lächerlich.
Endlich Farbe im TV
1971 hatten wir den ersten Farbfernseher, und es gab damals noch gar nicht so arg viele Fernsehsendungen, die dann auch tatsächlich in Farbe liefen. Das wurde immer angekündigt mit einer schönen bunten Rosette, hauptsächlich, wenn Shows liefen.
1971 lief im Fernsehen dann die Serie "Enterprise". Jede Folge habe ich mir damals angesehen, so wie es mir möglich war. Und bin seit dieser Zeit ein ausgemachter Fan sowohl der Serie samt ihrer Ableger als auch der Filme. Wer hätte damals gedacht, dass die Geschichte der "Enterprise" bzw. dann Star Trek ganze Generationen begeistern würde.
Münchner Gschichtn
Nicht zu vergessen die "Münchner Gschichten" von Helmut Dietl mit Günther Maria Halmer, Therese Giese, Michaela May und anderen unvergessenen bayerischen Schauspielern. Diese Serie spielte im Jahr 1974 und spiegelt die 70er Jahre wunderbar wider.
Jede Folge schaute ich mir an. Zu der Zeit war ich 17 Jahre alt und fühlte damals mit Michaela May, die ja die Freundin von Tscharlie gespielt hat, weil sie es mit ihm wahrlich nicht leicht hatte. Es hat mir damals trotzdem sehr leid getan, dass sie am Schluss nicht mehr zusammen kamen. Trotz allem war er ja so charmant!

Gisela als 17-Jährige 1974 vorm Chinesischen Turm im Englischen Garten. Foto: Gisela Welzenbach
Spekulanten – auch damals schon
Und worauf ich damals als Teenager noch nicht so geachtet habe – obwohl mir die Oma (Therese Giese) leid getan hat und auch Tscharlie, der ja bei seiner Oma wohnte – dass damals schon die Spekulanten in München "zugeschlagen" haben, wunderbar gespielt von Gustl Bayrhammer.
Die Mieter wurden aus ihrer Wohnung rausgeekelt, um dann das Haus irgendwann abzureißen oder luxuszusanieren. Dann wird teuer neu vermietet – so der Plan! Tja, es hat sich dahingehend bis heute nicht viel geändert und es wurde – und wird wohl – leider nicht besser.
Es freut mich, dass die 70er Jahre hauptsächlich in meine Teenagerzeit fielen, ich habe daran wirklich schöne Erinnerungen. Meines Wissens war ich kein aufrührerischer Teenager, sondern eher relativ vernünftig und ja, man kann durchaus sagen, auch brav. Das rührt vielleicht auch daher, dass mein Vater Polizist war.
Ich kam von Partys immer pünktlich nach Hause. Meine Eltern wussten immer, wo und mit wem ich aus war. Ich musste ja ohnehin bis spätestens 22 Uhr zu Hause sein, solange ich noch minderjährig war. Im April 1975 wurde ich dann mit 18 Jahren volljährig.
Und die Mode erst
Als Teenie Anfang der 70er Jahre ging ich natürlich auch mit der Mode und trug Minikleider- und Röcke – und als ich 14 Jahre alt war, bekam ich die ersten Hot-Pants. Die Jungs im Freizeitheim haben – in dem Alter war das halt noch so – mich geärgert und nannten meine Hot-Pants, auf die ich so stolz war, "Cold-Pants". Natürlich war ich da stocksauer, aber es hat nur ein kleines Jährchen gedauert, dann hat sich das geändert. Dann hat es auch den Jungs gefallen.
Es gab Stiefel, die bis über das Knie reichten. Ich hatte welche in Schlangenlederoptik, die ich aber nur im Fasching tragen durfte. Sonst wurde mir das verboten. Leider.
Die Hemden und Blusen oder auch Shirts hatten trompetenartige Ärmel oder sie waren ganz pluderig. Manche Hemden für die Männer waren so ausgeschnitten, dass man – sofern vorhanden – die Brusthaare sehen konnte. Und wenn dann da noch eine goldene Kette baumelte...

Irgendwie passend zur Tapete: Gisela mit dem neuesten Schrei. Foto: Gisela Welzenbach
Die Hosen, egal ob Jeans oder andere Stoffart, waren oben so eng, dass man sich manchmal auf den Boden legen musste, um überhaupt den Reißverschluss zumachen zu können; dafür war der Hosenschlag umso weiter. Ich weiß jedenfalls, dass ich das getan habe, um die verflixte Hose zuzukriegen!
Um noch bei der Mode zu bleiben: Eine damalige Bekannte meiner Mutter besaß in der Oettingenstraße in den 70er und 80er Jahren eine Boutique mit wirklich schöner Mode und Accessoires. Die Bekannte hat ab und zu Modeschauen im Lehel abgehalten – für ausgesuchte Gäste. Ihre Tochter und ich waren fast im gleichen Alter, damals Anfang 20, und wir haben zusammen mit zwei anderen Models (damals sagte man noch Mannequins), die älter als wir waren, die Mode vorgeführt. Einmal auch im Hilton Hotel am Englischen Garten. Es waren sogar Modelle von dem einen oder anderen Modeschöpfer dabei, z.B. von Valentino. Das war natürlich toll für uns Mädchen!
Citta 2000
In Schwabing gab es das "Schwabylon" und auch das "Citta 2000", wo man Platten kaufen und hören konnte und auch Kaffee oder Sonstiges trinken konnte. Das war damals auch immer mal ein beliebter Treffpunkt für die Jugend. Übrigens suchte die Abendzeitung damals statt nach der "Schönen Münchnerin" nach dem Münchner "Schwabinchen".
Wenn ich zurückdenke, waren Diskotheken, obwohl es in München jede Menge davon gab, gerade in den 70er Jahren für uns kaum ein Thema. Mein Vater, der bei der Polizei war, hätte dies auch gar nicht gerne gesehen, wenn sich seine Tochter in Discos "rumtrieb". So drückte er sich aus. Erinnern kann ich mich trotzdem noch an das "Big Apple" in Schwabing (gibt es schon lange nicht mehr), wo wir ein paar Mal getanzt haben.

70er Jahre pur an der Leopoldstraße: das Citta 2000. Foto: imago
Anbandeln in der Tanzschule
Unsere "Passion" war ohnehin die Tanzschule – und zwar die Tanzschule Richter, die älteste Tanzschule in München. Letztendlich war ich zwei Jahre in der Tanzschule, habe die Kurse bis zum Goldkurs besucht und war praktisch jeden Samstag und Sonntag dort, wenn es irgendwie möglich war. Dort habe ich meinen Mann kennengelernt. Die Tanzschule war eben auch so ein bisschen ein Eheinstitut. Nicht wenige lernten da ihren Partner fürs Leben kennen. Leider wurde auch viel gestritten.
Griabige Wiesn
Als Kind Freude ich mich immer auf das Oktoberfest, und in unserer Jugendzeit gingen wir mit unserer Clique natürlich auch gerne auf die Wiesn. Wenn in den 70er Jahren auf dem Oktoberfest auch eine Menge los war, so scheint es mir, als wäre es noch gemütlicher und griabiger gewesen. Da brauchte es keine "Oide Wiesn", damit die Münchner Bürger und die ausländischen Gäste in den Genuss des besonderen Flairs und der berühmten bayerischen Gemütlichkeit kamen, was für die Wiesn ja eigentlich typisch war und auch sein sollte.
Man stand in den Bierzelten, auch wenn es ausgelassen zuging, noch nicht auf den Bänken, sondern fest auf dem Boden und hat mitgeklatscht, geschunkelt und gesungen. Oder man blieb auf seinem Hosenboden sitzen. Je nach Zustand und wie viel Maß der Einzelne schon intus hatte. In den Zelten spielte Blasmusik, weniger Rock und Pop.
Allerdings wurde auch damals sauber gerauft. Aber mei, des gehört halt wohl dazu.
Die Fahrgeschäfte waren noch etwas gemäßigter – aber auch das hat schon gelangt, dass einem manchmal speiübel wurde. Ich erinnere mich, dass wir gerne mit dem Calypso gefahren sind und eines unserer Lieblingsfahrgeschäfte war der Autoscooter. Hauptsächlich auch deswegen, weil man da so leicht anbandeln konnte bzw. wir Mädchen im "Scooter" angerempelt und halt auch angesprochen wurden. Bei den heutigen Fahrgeschäften kann man ja direkt Angst kriegen, so halsbrecherisch sieht es oft aus. Aber man braucht ja den "Kick", oder?
Ja, es war schon eine besondere Zeit. Die 60er und 70er Jahre haben für mich, weil ich diese Zeit als Heranwachsende erlebte, ein besonderes Flair.
Riem und Daglfing
Die Pferderennbahn in Daglfing und die Galopper in Riem waren und sind auch ein Teil von München. Wie es bei den Trabern in Daglfing ausschaut, tja, diese Ära geht wohl zu Ende (oder ist es gar schon?). Wieder geht da eine Tradition den Bach runter. Die Trabrennbahn war jedenfalls ein Hobby meiner Eltern. Das Wettglück hielt sich zwar in Grenzen, aber es ging ja hauptsächlich um das Vergnügen.
Auch ich war als Kind immer zu meinem Leidwesen mit dabei und wurde jedes Mal auf den Spielplatz verfrachtet, wo ich mich eher langweilte. Viel lieber wollte ich den Pferden zusehen. Zumindest in der Rennpause durfte ich dann Ponyreiten. Recht getröstet hat mich das nicht.

Kindheitserinnerungen: Bei den Galoppern in Riem in den 60er Jahren. Foto: Gisela Welzenbach
Als ich zu groß für den Spielplatz war und nur so zum Zuschauen keine Lust hatte, habe ich gestreikt mitzugehen. Da ich dann ja schon 12 oder 13 Jahre alt war, durfte ich daheim bleiben und ich genoss es, das Wohnzimmer für mich allein zu haben. Dafür waren dann meine kleinen Geschwister mit dabei. Und ab und zu fuhr ich auch noch mit. Als mein Bruder so zweieinhalb Jahre alt war, lief er mit kurzen schnellen Schritten – so schnell konnte gar keiner schauen oder reagieren – durch die Gitterstäbe quer über die Rennbahn. Auf der anderen Seite sammelten sich schon die Traber und bereiteten sich auf den Start vor. Das Rennen musste jeden Moment anfangen. Ein entsetzter Schrei ging durch die Zuschauer – meine Mutter war ganz starr vor Schreck.
Mein Vater setzte dann mit einem Satz über den Zaun und rannte meinem Bruder nach. Rechtzeitig – die Pferde preschten bereits los – erwischte er meinen Bruder und raste mit ihm auf den Arm in Rekordgeschwindigkeit zum Zaun und in die Sicherheit zurück. Alle atmeten erleichtert auf, am meisten natürlich wir. Ich werde das nie vergessen. Meine Familie natürlich auch nicht.
Tanzen im Olympiastadion
Freilich gäb es noch viel zu berichten über die Zeit der 60er und 70er Jahre (meine Kinder- und Jugendzeit) in München. Das Highlight für mich waren die Olympischen Sommerspiele 1972. Bei der Eröffnungsfeier durfte ich als eine der damaligen Münchner Schülerinnen und Schüler, die ausgewählt waren, mit dabei sein und tanzen. Ein wahrhaft nie vergessenes und tolles Erlebnis.
Sicher, ich war nie ein Striezi oder ein Stenz, konnte ich ja nicht sein – höchstens dass ich mal auf einen reinfiel. Aber es waren einfach schöne Erinnerungen, an die ich immer wieder gerne zurück denke.
Und was haben Sie erlebt? Schreiben Sie an die AZ!
Die AZ wird Sie in diesen Sommertagen unterhalten mit Geschichten aus den Zeiten, in denen München doch noch münchnerischer war als heute. Als Stenze durch die Stadt strawanzten – und Striezis und Schandis aneinandergeraten sind.
Haben Sie selbst auch solche Münchner Gschichten erlebt? Schreiben Sie sie auf – und schicken sie, gern mit Fotos (falls vorhanden) – an leserforum@az-muenchen.de.
Oder per Post an:
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Kennwort: Gschichten
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Lesen Sie hier Teil 4 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "An Zwickl-Fünfer mit de kurzn Kartn"