"Sie legten uns Achter an, dann ging's in die Löwengrube"
Mit 16 entdeckte ich das Willi-Wien-Stüberl, wo ich nach und nach außer meinen Allacher Schulspezln auch die Obermenzing und Pasinger Szene kennenlernte, denn meine ehemaligen Allacher Schulspezln waren teilweise nicht ganz salonfähig, gelinde gesagt.
Da war zum Beispiel der Meisinger Sepp, der im Willi- Wien-Stüberl gerne mal beim Laterndl- und Goaßnmaß-Saufen – bei dem die jeweilige Maß reihum geht, jeder darf so viel trinken wie er will, aber der Vorletzte zahlt – mit seinem Gasrevolver herumfuchtelte, wenn ihm was nicht passte, um sich wichtig zu machen.
Gottseidank ging der niemals los.
Bei Sepps Vater am Stadtrand von Allach reparierten wir immer unsere alten Motorräder, denn als ich noch nicht mal 16 war, hatte ich schon eine 250er DKW, Baujahr '52, und fuhr damit auf die Kiesberge, einem riesigen Wall aus Kies, bewachsen mit Bäumen und Wegen dazwischen zum Rauf- und Runterheizen.
Nazie-Kies, die Autobahn und die Bullen
Die Nazis hatten vor dem Zweiten Weltkrieg einen Autobahnring um München geplant und hatten diesen Wall aus Kies aufgeschüttet, um darauf eine Autobahn zu bauen, die München umrunden und die Stuttgarter Autobahn überqueren sollte.
Etwa 100 Meter daneben befindet sich heute tatsächlich der 2006 fertiggestellte Autobahnring um fast ganz München, A99, die Eschenrieder Spange.
Wir fuhren von Sepps Vaters Grundstück aus über die Felder zu den Kiesbergen, bretterten auf der alten Betonbrücke über die Stuttgarter Autobahn, bohrten den Kieswall auf und ab und hatten Spaß.
Wenn wir unten waren, konnten wir neben der Autobahn auf einer Kopfsteinpflasterstrecke unter der alten Betonbrücke durchbrettern und drüben wieder hinauf. Wir hätten auch direkt auf die Autobahn fahren können, es gab eine Einfahrt.
Bei diesen Aktionen muss jede Menge Kies auf die A8 geflogen sein, was aber niemand bemängelt hat. Ab und zu kamen die Bullen vorbei, schauten zu und ermahnten uns, nicht auf die Autobahn zu fahren, gell.
Ansonsten ließen die uns in Ruhe.
Mit der Kippe im Mundwinkel Benzin aus fremden Autos abzapfen

Manchmal ist einem Spezl auch schlecht geworden. Foto: Bernhard Linck
Die drei Zapf-Brüder waren auch Allacher Schulspezln, die ich noch mit 15 nach der Schule im Allacher Garten und in der Dampfsäge beim Flippern kennenlernen durfte.
Sie hausten zusammen mit ihrem Vater auf einem völlig verwilderten Waldgrundstück in einem kleinem Kabuff direkt am Allacher Bahnhof.
Manfred, Matthias und Michi.
Ihr Vater war ein kleiner feister, rothaariger Dicker, und Manfred, der Älteste, sah ihm am ähnlichsten.
Manfred nahm mich mit zum Benzinstehlen, das er aus geparkten Autos abzapfte, während wir in seinem Auto daneben saßen und rauchten, natürlich Marlboro.
Nachdem ich meinem streng religiösen Vater zuerst die Religion und dann die Freundschaft gekündigt hatte, waren mir ein paar halbwüchsige, halbseidene Gangster gerade gut genug – und wir klauten alles.
Ich war ja noch viel zu blöd dazu, stand aber Schmiere und fand das alles ganz schön aufregend.
Abenteuerurlaub auf dem Polizeipräsidium
Beim Benzinklauen erwischten sie uns dann schließlich, weil Manfred so obercool (und leider auch so unfassbar dämlich) war und seinen Kanister noch holen wollte, als der Autobesitzer bereits längst entdeckt hatte, dass sein Tank angezapft wurde – und dann die Polizei rief.
Wir wurden von den Bullen auf frischer Tat ertappt, sie legten uns Achter an, das sind Handschellen ohne Kette, und ich kleiner Dummski mit meinen zarten fünfzehneinhalb Jahren landete zum ersten Mal in der Löwengrube, dem Polizeirevier 1 in der Ettstraße.
Mann, war das aufregend: Die nahmen doch tatsächlich meine Fingerabdrücke. Wirklich!
Wir durften am nächsten Tag wieder gehen, ich hatte blaue Finger, meine Eltern bekamen einen blauen Brief, und ich kam mit einem blauen Auge davon: Bei der Verhandlung wurde ich letztendlich zu zwei Wochenenden in Neudeck verurteilt, dem Jugendknast am Mariahilfplatz.
Das war dann schon nicht mehr so aufregend, aber offenbar hatte ich noch nicht genug.
Mit dem Moped ins Münchner Outback
Im zarten Alter von 16 Jahren, 1973, ich hatte gerade den Mopedführerschein gemacht (den man damals noch bei einer ausschließlich schriftlichen Prüfung bekam), mir 1.000 Mark zusammengespart und eine Kreidler Florett mit fünfkommaacht PS gekauft.
So bohrten wir dann, the young good for nothings, liegend im Vollgas auf unseren Kleinkrafträdern durch das damals sehr ländliche Münchner West-Outback mit seinen großen und kleinen Seen.
Gottseidank lernte ich im Willi-Wien-Stüberl dann irgendwann ein paar Obermenzing kennen, die so erfrischend anders waren als meine düsteren Allacher Zeitgenossen. Einer davon war der Becker Schorschi, Sohn eines Bauunternehmens, der auch irgendwann mit der Meier Uschi ging und sie später geheiratet hat.
Der Autor

Auf dem linken Bild ist er 18: Ein kleines bisserl hat sich der Münchner Bernhard Linck, Jahrgang 1957, schon verändert, oder?
Am Mittwoch lesen Sie dann in der AZ: Café Steeger – und erste Bandenkämpfe
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