Schwabinger Gisela: Warum ist die Laterne krumm?

Die Schwabinger Gisela ist legendär. Hier erklärt ihr langjähriger Freund Wolfgang Roucka, wieso ihr Markenzeichen eine so eigenwillige Form hat.
von  Von AZ-Leser Wolfgang Roucka
Nicht ohne Laterne: Der Schwabinger Wolfgang Roucka hat das Leben der singenden Wirtin Gisela vielfach im Bild festgehalten.
Nicht ohne Laterne: Der Schwabinger Wolfgang Roucka hat das Leben der singenden Wirtin Gisela vielfach im Bild festgehalten. © privat

Schwabinger Laterne – Großstadtillusion Jeder hat dich gerne – Herz von Schwabylon

So besang die "Schwabinger Gisela" allabendlich in Ihrem legendären Lokal bei "Gisela" in der Occamstraße 8 das illustre Publikum in den 50er bis in die 70er Jahre. Zuerst war der Laternenmast kerzengerade, bis im Jahre 1960 eine neue Lautsprecheranlage fällig war.

Warum wurde die Schwabinger Laterne dann krumm?

Das Geheimnis, warum die Laterne seit 1960 krumm ist, erfuhr ich am 1. April 2016 anlässlich meines 50-jährigen Jubiläums in Schwabing durch den Besuch von Yvonne Heckl, Organisatorin des Frühlingsfestes, deren Vater dereinst Inhaber eines Ingenieurbüros für Apparate- und Lautsprecheranlagenbau war.

Schon der Anblick genügte, um sich beschwipst zu fühlen

Frau Heckl war in Begleitung von Herrn Gauß, dem ehemaligen Lehrling der Firma, der folgende wahre Geschichte zum besten gab. Und das war trotz dem 1. April kein Aprilscherz. 1960 brauchte die Schwabinger Gisela eine neue Lautsprechenanlage für ihr Lokal. Sie hatte aber eine Laterne mit geradem Mast mitten im Lokal, die massiv im Weg stand. Da Gisela sich auf gar keinen Fall von ihrer Laterne trennen wollte, kam Herr Gauß auf die Idee, die Laterne so hinzubiegen, dass auch der neue Lautsprecher Platz hatte.

Er lieh sich also bei der benachbarten Spenglerei Ernst Reger am Goetheplatz ein Schweißgerät und gab dem Laternenmast den nötigen Drall, bis dieser nicht mehr störte. Von da an sang Gisela ihre frivolen Lieder an einer elegisch gekrümmten Laterne, die zu ihrem Markenzeichen wurde.

Meister Heckl und sein Lehrling Gauß hatten einen Heidenspaß an ihrem genialen Werk: Alleine der Anblick dieser krummen Laterne genüge ja schon, um sich beschwipst zu fühlen, meinten sie. Auch der Kosmonaut Juri Gagarin überzeugte sich zu Giselas Zehnjährigem am 1. Dezember 1962 davon. Ihm war eine eigene "Reserviert"-Karte gezeichnet worden, die er signierte.

Jetzt steht "Giselas Schwabinger Laterne" auf dem Wedekindplatz und stimmt die Vorübergehenden fröhlich, auch ohne Schwips. Und wenn es mal nicht funktioniert: Das Angebot von Hochprozentigem rund um den Wedekindplatz lässt nichts zu wünschen übrig.

Aber die Schwabinger Laterne hatte nach Schließung ihres Lokales "Bei Gisela" in der Occamstraße eine beachtlich lange und urkomische Reise hinter sich. Als Konstantin Wecker mit Gisela das Café Giesing in den darauffolgenden Jahren betrieb, war natürlich die krumme Laterne wieder Mittelpunkt des Lokales – bis eines Tages im Exzess des Übermuts die Laterne in weitem Bogen aus dem Lokal über die Hochuferböschung das Weite suchte.

Stammgast Heinz Dieckhaus, schon in den 60er Jahren bei Gisela, der dem Treiben im Café Giesing beiwohnte, beherzte sich der lädierten Laterne und nahm die Teile mit nach Hause. Nach Hannover. Gisela hatte Heinz Dieckhaus die Überreste geschenkt, der sie notdürftig restaurierte, und in seinem Garten in Hannover aufstellte.

Als bei einem München-Aufenthalt von Heinz Dieckhaus in Anwesenheit von Gisela und mir der Vorschlag kam, er würde mir die Laterne weiterschenken, damit sie wieder in München ist, nahm ich das Angebot sofort an und bestellte gleich am nächsten Tag eine Spedition.

Seit dieser Zeit fand die Laterne einen denkwürdigen Platz wieder in Schwabing, direkt am Eingang meiner Galerie am Wedekindplatz.

Ob für Veranstaltungen in der Traumstadt-Wohnung von Oswald Malura in der Kaulbachstraße, Vereinsheim, Seidlvilla und dem Corso Leopold – überall stellte ich die Laterne auf. Einen besonderen Höhepunkt fand die Laterne bei der Schwabinger Kunstpreis-Verleihung 2006 in der Sparkassenzentrale in der Ungererstrasse, wo ich neben dem Altschwabing-Bild von Hermann Geiseler als Kulisse die Schwabinger Laterne zum Leuchten brachte – und mit Gisela unter den Klängen der Hetty-Schneider-Band (ehemaliger Wirt vom Käuzchen, Ecke Feilitzsch-/Ursulastraße) auch meinen Schwabinger Kunst-Ehrenpreis feierte.

Bei Giselas 85. Geburtstag, am 24. Januar 2014, den wir mit 200 Gästen ausgiebig in meiner Galerie feierten, eröffnete ich Gisela meinen Plan: Wenn der Platz 2016 saniert ist, dann schalten wir die Laterne auf dem Wedekindplatz gemeinsam ein, ich werde es schaffen, die Laterne als Symbol für Schwabing und in Erinnerung an unsere Gisela auf den Platz zu bringen: "Schwabing leuchtet!"

Schwabing leuchtet (wieder) – die Mühe hat sich gelohnt

Die erste Hürde, der Bezirksausschuss, war – trotz einiger Gegenstimmen – schnell genommen, und schon konnte die Planung für eine Aufstellung auf dem Platz beginnen. Ich konnte die Stadt München, Abteilung Tiefbau, sehr schnell für das Vorhaben gewinnen. Der Leiter der Abteilung Straßenbeleuchtung nahm die Laterne in Augenschein, es mussten ja einige Renovierungen vorgenommen werden, um als offizielle Straßenlaterne aufgestellt werden zu können. Herr Brummer kam mit einem Formular, das auszufüllen war. Ich sagte, es dürfe mit der Laterne alles gemacht werden, nur nicht gerade klopfen und weiß streichen.

Die Laterne wurde sehr liebevoll restauriert, sandgestrahlt, neu elektrifiziert und mit Sparlampen versehen, damit keine hohen Stromkosten anfallen, mit neuem schönen gelben Sicherheitsglas ausgestattet – und dann genau auf meinem Wunschstandort installiert, mit Blickkontakt zum ehemaligen Lokal "Bei Gisela" Occamstraße 8, jetziges Vereinsheim. Und dann war es genau an meinem 75. Geburtstag am 17. November 2015 so weit: Die Laterne leuchtete probeweise das erste Mal auf dem Platz.

Aber ich ließ sie gleich von da an weiter leuchten, bis zur offiziellen Wedekindplatz- Einweihung am 7. Mai 2016 mit einem Schwabinger Bürgerfest und einem grünen Lampionumzug in der Dämmerung zum Platz.

Über 100 Lampionträger versammelten sich um die Laterne, die dann auf Kommando endgültig erleuchtete.

"Schwabing leuchtet" stieß gerade so aus mir raus, als dann Silvano, ehemals Gitarrist und Sänger in Giselas Lokal das Lied der Schwabinger Laterne erklang. Als Zugabe sang Silvano Giselas Lieblingslied "Wir sind alle kleine Sünderlein", das allen unter die Haut ging.

Seitdem ist die Schwabinger Laterne und ihr strahlendes Lächeln jeden Abend zum Symbol für Schwabing und den Wedekindplatz geworden.


Giselas Geburtstag

Schamlos besuchte gestern Abend eine Dame,
Gisela Jonas war früher mal ihr berühmter Name.

Sie ist ein Weib und auch ein toller Charakter
ob angezogen oder als a Nackter

nun hat sie 80 Jahre auf der Brust,
mit ihr zu feiern war schon immer eine Lust

wer zählt die Menschen und kennt die Namen,
die zu ihrer Geburtstagsfeier kamen

da waren Künstler, Maler und Poeten
feine Damen, Herren und Proleten

wie ehedem bei der Schwabinger Laterne
das waren nicht nur Weltstars und viel Möchtegerne

Heut gab es für sie Kabarett, und sie wurde oft besungen
man kann sagen, die Fete die war sehr gut gelungen.

Schamlos wünscht der Gisela noch viele Jahre
In Gesundheit, Glück und weiße Haare

Ihr Lachen, Singen hat uns immer eingenommen
Ja, so ein Novak ließ sie halt nie verkommen.

Von AZ-Leser Ludwig Stemmer, der Gisela Jonas († 25. Juli 2014) 60 Jahre lang gekannt hat. (Zuerst veröffentlicht am 26.1.2009)


Und was haben Sie erlebt? Schreiben Sie an die AZ!

Die AZ wird Sie in diesen Sommertagen unterhalten mit Geschichten aus den Zeiten, in denen München doch noch münchnerischer war als heute. Als Stenze durch die Stadt strawanzten – und Striezis und Schandis aneinandergeraten sind.
Haben Sie selbst auch solche Münchner Gschichten erlebt? Schreiben Sie sie auf – und schicken sie, gern mit Fotos (falls vorhanden) – an leserforum@az-muenchen.de

Oder per Post an:
Abendzeitung
Kennwort: Gschichten
Garmischer Straße 35
81373 München

Die AZ wird ausgewählte Gschichten veröffentlichen.

Lesen Sie hier Teil 1 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Erst ein Ohnmachts-, dann ein Tobsuchtsanfall"

Lesen Sie hier Teil 2 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Sie legten uns Achter an, dann ging's in die Löwengrube"

Lesen Sie hier Teil 3 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Straßenschlägereien, Einzelhaft und ein Wahnsinnsgeschoss"

Lesen Sie hier Teil 4 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "An Zwickl-Fünfer mit de kurzn Kartn"

Lesen Sie hier Teil 5 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": Wie Fierek zum Film kam: Mit der Dogge im Commodore

Lesen Sie hier Teil 6 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Ich war nie ein Striezi oder ein Stenz"

Lesen Sie hier Teil 7 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Einsatz am Max-II-Denkmal" und "Schlaraffenland im Keller"

Lesen Sie hier Teil 8 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Küsse hinter der Dult, Tauchkurs im Nordbad"

Lesen Sie hier Teil 9 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Rainer Weiss - ein Unikum und Urgestein"

Lesen Sie hier Teil 10 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Wilde Nächte in den 70ern: ’s Nannerl vom Land"

Lesen Sie hier Teil 11 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Münchner Freiheit, die ich meinte"

Lesen Sie hier Teil 12 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Schwabinger Krawalle - Und plötzlich eine Heidenangst"

Lesen Sie hier Teil 13 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Lebhafte Jahre in München - Als die letzten Hüllen fielen"

Lesen Sie hier Teil 14 der AZ-Serie "Münchner Gschichten": "Die 60er und 70er - Alles, was verboten war"

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.