Brexit: Frankreichs Konservative verlangen neuen EU-Vertrag

Das Brexit-Lager hat bei dem historischen Referendum gewonnen, Großbritannien verlässt die EU. Premierminister David Cameron hat bereits seinen Rücktritt angekündigt. News, Reaktionen und Stimmen finden Sie hier im AZ-Newsblog.
von  AZ
Anhänger des "Leave"-Lagers jubeln angesichts der neuen Prognosen am Freitagmorgen.
Anhänger des "Leave"-Lagers jubeln angesichts der neuen Prognosen am Freitagmorgen. © dpa
  • Entscheidung über Brexit: Mehr als 46 Millionen Briten waren aufgerufen, über einen EU-Austritt ihres Landes abzustimmen
  • Die Mehrheit der Briten hat sich für den Austritt aus der EU ausgesprochen
  • Britisches Pfund fällt auf tiefsten Stand seit 1985, Dax um zehn Prozent

  • Premieminister David Cameron kündigt Rücktritt an

Referendum der Briten - Ablauf, Folgen: Was man zum Brexit wissen muss

 

++ AKTUALISIEREN ++

 

+++ Frankreichs Konservative fordern neuen EU-Vertrag +++

Frankreichs konservativer Parteichef und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat nach dem Brexit-Votum der Briten einen neuen EU-Vertrag gefordert. Die Frage einer weitreichenden Neugründung der Europäischen Union sei dringend, sagte Sarkozy am Freitag in Paris. Die Entscheidung der Briten gegen die EU-Mitgliedschaft reflektiere eine starke Ablehnung eines Europas, wie es derzeit funktioniert. "Was das britische Volk gesagt hat, hätten auch andere Völker sagen können", sagte der Franzose. Sarkozy ist Parteichef der oppositionellen Republikaner, ihm werden Ambitionen auf eine neue Präsidentschaftskandidatur im kommenden Jahr nachgesagt.

+++ Merkel ruft zur Besonnenheit auf - "Einschnitt für Europa" +++

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach der Brexit-Entscheidung Großbritanniens für einen EU-Austritt zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. "Die Europäische Union ist stark genug, um die richtigen Antworten auf den heutigen Tag zu geben", sagte sie am Freitag nach Beratungen mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsparteien und mehreren Ministern im Kanzleramt in Berlin. Ziel der Verhandlungen mit Großbritannien über den Ausstieg aus der EU solle es sein, die künftigen Beziehungen der EU mit dem Land "eng und partnerschaftlich" zu gestalten.

Es dürfe jetzt keine schnellen und einfachen Schlüsse geben, die Europa nur weiter spalten würden, warnte Merkel. "Der heutige Tag ist ein Einschnitt für Europa, er ist ein Einschnitt für den europäischen Einigungsprozess." Die Lage müsse nun mit Ruhe und Besonnenheit beraten werden. In der Bevölkerung - auch in Deutschland - gebe es ganz unterschiedliche Erwartungen an die EU und "und immer heftigere Zweifel an der Richtung, die der Einigungsprozess eingeschlagen hat". Aus diesem Grund müsse sichergestellt werden, dass die Bürger konkret spüren könnten, wie die EU ihr Leben verbessere.

Merkel will am Montag mit Frankreichs Präsident François Hollande, dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und EU-Gipfelchef Donald Tusk in Berlin über die weiteren Schritte beraten. Am Dienstag wird sie die Bundestagsabgeordneten in einer Regierungserklärung bei einer Sondersitzung des Parlaments ausführlich über ihre Haltung informieren, bevor sie zum EU-Gipfel nach Brüssel fliegt.

+++ David Cameron schmeißt hin +++

Der britische Premierminister David Cameron hat seinen Rücktritt für Oktober angekündigt. Er zog damit am Freitag die Konsequenzen aus seiner Niederlage beim EU-Referendum für einen Brexit.

Lesen Sie hier: "Brexit" ist Realität - die wichtigsten Fragen und Antworten

+++ "Mir ist den ganzen Morgen zum Heulen zumute" +++

Das britische Referendum für einen Ausstieg aus der Europäischen Union ist in Deutschland und anderen Staaten mit Bedauern aufgenommen worden. Vereinzelt gab es aber auch große Freude. Ein Überblick über die wichtigsten Reaktionen:

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD): "Wir respektieren dieses Ergebnis. Aber Großbritannien hat entschieden zu gehen. Man kann nicht ein Volk befragen und anschließend sagen, das Ergebnis interessiert mich nicht."

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): "Europa wird jetzt zusammenstehen. Gemeinsam müssen wir das Beste aus der Entscheidung unserer britischen Freunde machen."

Justizminister Heiko Maas (SPD): "Was jetzt in (der) EU zählt: Mut statt Depression, junge Generation in Großbritannien nicht allein lassen."

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU): "Das ist die größte Katastrophe in der Geschichte der europäischen Integration."

Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger: "Dringender als je zuvor braucht es jetzt eine soziale und demokratische EU."

FDP-Chef Christian Lindner: "Eine bedauerliche Entscheidung der Briten, auf die es keinen Rabatt geben darf."

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms: "Für mich ist das wirklich ein sehr trauriger Tag. Mir ist den ganzen Morgen zum Heulen zumute gewesen."

Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault: "Traurig für das Vereinigte Königreich. Europa geht weiter. Aber es muss reagieren und das Vertrauen seiner Völker wiederfinden. Das ist dringend."

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz: "Kein Stein wird auf dem anderen bleiben."

Der Vorsitzende der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit, Geert Wilders: "Bye bye Brüssel. Und die Niederlande werden die Nächsten sein!"

+++ Dax bricht um zehn Prozent ein ++

Nachdem sich die Briten für den Austritt aus der EU ausgesprochen haben, ist der deutsche Leitindex Dax ist am Freitagmorgen um 9,98 Prozent auf 9233,48 Punkte abgesackt.

+++ Kauder: Bundestags-Sondersitzung nächste Woche +++

Der Bundestag wird nach Angaben von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) kommende Woche in einer Sondersitzung über die Folgen der britischen Entscheidung für einen EU-Austritt beraten. Am heutigen Mittag sind Beratungen der Fraktionen geplant.

Kauder mahnte: "Nun müssen wir ruhig und besonnen nachdenken, wie sich die EU weiterentwickeln soll." Die Entscheidung bedeute einen Rückschlag für das geeinte Europa. Aber gerade jetzt müsse alles daran gesetzt werden, das Vertrauen in die EU zu festigen. "Dieser Tag muss Ansporn sein, Europa zu stärken, auch wenn ein Mitglied die EU verlässt", sagte der Fraktionschef. "Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass durch ein Zurück zu den Nationalstaaten für die Bürger unter dem Strich irgendetwas besser werden würde."

 

+++ Farage: "Die EU stirbt" +++

Der britische Rechtspopulist Nigel Farage hat ein Zerbrechen der Europäischen Union vorausgesagt. "Die EU versagt, die EU stirbt", sagte er am Freitag vor dem Parlamentsgebäude in London. Weitere Austritts-Referenden könnten folgen, möglicherweise in den Niederlanden, in Dänemark, Österreich und Italien. "Wir wollen Freunde und Nachbarn sein", sagte Farage, der für die eurokritische United Kingdom Independent Party (UKIP) im EU-Parlament sitzt. "Aber ohne Hymnen, ohne Flaggen und ohne nutzlose Präsidenten, die nicht gewählt sind", sagte Farage.

+++ BMW: Brexit-Konsequenzen noch nicht absehbar +++

BMW hat betont zurückhaltend auf die Entscheidung der britischen Wähler reagiert, die EU zu verlassen. "Die Konsequenzen dieser Entscheidung sind heute noch nicht absehbar. Klar ist, dass nun eine Phase der Unsicherheit beginnt", teilte der Autokonzern am Freitag in München mit. "Wir erwarten jedoch zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf unsere Aktivitäten in Großbritannien."

Großbritannien ist für BMW nach China und den USA der drittgrößte Auslandsmarkt.

Der Konzern verkauft bislang mehr als zehn Prozent seiner Autos in Großbritannien - im vergangenen Jahr waren das 236 000 Fahrzeuge. Außerdem baut BMW in England jährlich mehr als 200 000 Minis und Rolls-Royce-Limousinen und beschäftigt dort 24 000 Mitarbeiter.

+++ Le Pen fordert EU-Referendum in Frankreich +++

Die Chefin von Frankreichs rechtsextremer Front National, Marine Le Pen, hat nach dem Brexit-Votum in Großbritannien weitere Abstimmungen in den EU-Mitgliedsstaaten gefordert. "Sieg der Freiheit!", schrieb Le Pen am Freitagmorgen auf Twitter. "Wie ich es seit Jahren fordere, brauchen wir jetzt dasselbe Referendum in Frankreich und in den Ländern der EU."

 

Zuvor hatte bereits ihre Nichte Marion Le Pen, Abgeordnete der Nationalversammlung, von einem "Franxit" gesprochen. "Es ist jetzt an der Zeit, die Demokratie in unser Land zu importieren", schrieb sie.

 

+++ Ehemann von Jo Cox: "Sie wäre optimistisch geblieben" +++

Der Ehemann der getöteten Brexit-Gegnerin Jo Cox glaubt, dass sich seine Frau auch nach dem Votum gegen die EU-Mitgliedschaft für den Zusammenhalt in Großbritannien eingesetzt hätte. "Jo wäre heute optimistisch geblieben und fokussiert darauf, was sie tun könnte, um unser Land wieder um unsere besten Werte herum zusammenzubringen", schrieb Brendan Cox am Freitagmorgen auf Twitter.

 

Ein Attentäter hatte die pro-europäische Abgeordnete in der vergangenen Woche im Alter von 41 Jahren auf offener Straße tödlich verletzt.

+++ Finanzmärkten droht ein "Black Friday" +++

Der Austritt der Briten aus der EU, der in letzten Umfragen noch abgewendet schien, dürfte für einen "Black Friday" sorgen. Der Broker IG taxierte den deutschen Leitindex gut zwei Stunden vor Handelsbeginn um 8 Prozent tiefer bei 9435 Punkten.

Die Anleger werden klar auf dem falschen Fuß erwischt: Seit Mitte der Vorwoche war der Dax in zunehmender Hoffnung auf einen Verbleib der Briten noch um fast 9 Prozent nach oben gesprungen. Nun droht ein historischer Einbruch. Der bislang schwärzeste Tag war 1989 mit einem Rutsch um 12,81 Prozent. Um diesen Negativrekord einzustellen, müsste der Dax aber deutlich unter 9000 Punkte abrutschen.

Bei weltweit einbrechenden Aktienmärkten flüchteten die Anleger in sichere Häfen. Vor allem der Yen blieb als Fluchtwährung gesucht. Das Pfund wertete gegenüber der japanischen Währung um bis zu 15 Prozent ab. Auch Gold und Anleihen waren am Morgen gefragt.

+++ Vorläufiges Endergebis: 51,9 Prozent für Brexit +++

51,9 Prozent der Briten haben nach Angaben des Senders BBC für den Austritt aus der EU gestimmt, lediglich 48,1 Prozent für den Verbleib. Insgesamt votierten 17 410 742 Wähler für Rausgehen, 16 141 241 für Drinbleiben, meldete der Sender unter Berufung auf das vorläufige Endergebnis.

+++ Bye, bye Britain: Was wird nun aus Europa? +++

Die Briten haben für den Brexit gestimmt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union verabschiedet sich ein Mitglied aus dem Club - und dann noch ein so wichtiges. Ist das eine neue "Stunde null"? Wie steht Europa künftig da in der Welt?


In Brüssel wird bald kein Union Jack mehr gehisst.

+++ Briten werden Brexit "bitter bereuen" +++

Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann geht davon aus, dass die Briten den Austritt aus der EU bitter bereuen werden. "Europa wird durch den Brexit geschwächt, aber die schwerste Last werden Bürgerinnen und Bürger in Großbritannien zu tragen haben", sagte der Vorsitzende der Europa-SPD der dpa. "Schätzungen gehen davon aus, dass dem britischen Durchschnittshaushalt jährlich Tausende Pfund an Einkommen verloren gehen, wenn Großbritannien den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verliert."

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich enttäuscht über den Ausgang des Brexit-Referendums geäußert. "Die Nachrichten aus Großbritannien sind wahrlich ernüchternd", sagte Steinmeier am Freitag in Berlin. "Es sieht nach einem traurigen Tag für Europa und für Großbritannien aus."

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich seine Meinung zum Brexit via Twitter kundgetan:

 

Die Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling setzt sich für eine Loslösung Schottlands von der Londoner Zentalregierung ein. "Schottland wird die Unabhängigkeit anstreben", twitterte sie. Premierminister David Camerons' Vermächtnis werde es sein, zwei Staaten-Bündnisse zu zerbrechen, sagte sie mit Blick auf die EU und das Vereinigte Königreich. "Beides hätte nicht sein müssen."

 

+++ Großbritannien entscheidet sich für Brexit +++

Großbritannien kehrt Europa den Rücken: Eine knappe Mehrheit der Briten stimmte bei dem historischen Brexit-Referendum für einen Ausstieg aus der Europäischen Union. Der Vorsprung des Brexit-Lagers mit 16,8 Millionen Stimmen war am Ende uneinholbar. Das prozentuale Verhältnis war 52 zu 48 zugunsten der EU-Gegner.

Das Ergebnis ist eine schwere Schlappe für den konservativen Premierminister David Cameron, der vehement für einen Verbleib in der bei vielen Briten verhassten EU geworben hatte. Seine politische Zukunft ist offen.

+++ Brexit-Lager in Großbritannien eine Million Stimmen vorn +++

Der Vorsprung der Brexit-Befürworter auf mehr als eine Million Stimmen angewachsen. Weniger als 40 der 382 Wahlbezirke sind noch auszuzählen.

+++ TV-Sender sehen Brexit-Befürworter als Sieger +++

Der britische Fernsehsender BBC sieht die Austritts-Befürworter als Sieger des EU-Referendums. Auch der Sender Sky News hält das Brexit-Lager für den Sieger. Nach Auszählung von 310 der 382 Stimmbezirke führte die "Leave"-Kampagne am Freitagmorgen mit fast einer Million Stimmen.

 
 

+++ Wahrscheinlicher Brexit drückt Euro, Goldpreis auf Mehrmonatshoch +++

Der absehbare Sieg der Brexit-Befürworter hat den Euro am Freitagmorgen abstürzen lassen. Die europäische Gemeinschaftswährung notierte gegenüber dem Dollar bei 1,0947. Während das britische Pfund auf den tiefsten Stand seit 1985 fiel und die Börsen in Asien unter Druck standen, legte der Preis für Gold deutlich zu. Anleger flüchteten in sichere Häfen. Zuletzt notierte der Goldpreis mit fast fünf Prozent Plus auf dem höchsten Stand seit August 2014.

+++ Erste Befragung deutet auf Mehrheit gegen Brexit +++

Die Wahllokale sind geschlossen. Beim Brexit-Referendum in Großbritannien zeichnet sich nach einer ersten Befragung des Institutes YouGov eine Mehrheit für einen Verbleib in der Europäischen Union ab. Demnach sprach sich 52 Prozent der britischen Wähler dafür aus, in der EU zu bleiben, und 48 Prozent dagegen. Die YouGov-Befragung, die unmittelbar nach Schließung der Wahllokale am Donnerstag vom Sender Sky News veröffentlicht wurde, entspricht jedoch nicht den Kriterien einer klassischen Wahlprognose und hat auch keine entsprechend hohe Verlässlichkeit.

+++ Das Brexit-Referendum - wann wissen wir mehr? +++

Die Wahllokale sind am Donnerstag bis 22 Uhr Ortszeit geöffnet. Unmittelbar danach beginnt die Auszählung der Stimmen in den 382 Wahlbezirken.

Prognosen und Hochrechnungen? Nicht bei dieser Wahl.  Experten begründen dies mit dem Fehlen entsprechender Vergleichsdaten. Allerdings kündigte das Meinungsforschungsinstitut Yougov eine Nachwahlbefragung an, die um 23 Uhr unserer Zeit  veröffentlicht werden sollte. Sie sollte sich jedoch nur auf eine vergleichsweise kleine Stichprobe stützen - qualitativ also nicht mit einer echten Prognose vergleichbar sein.

Erste Auszählungsergebnisse wurden in den frühen Morgenstunden des Freitags erwartet. 

+++ Wehe, wenn sie losgelassen +++

Der Abneigung gegenüber einem Volksentschied zur EU-Mitgliedschaft liegt ein elitäres Politikverständnis zugrunde, kritisiert AZ-Vize Timo Lokoschat in seinem AZ-Kommentar.

+++ Sieben Dinge, die der EU ohne Großbritannien fehlen +++

Ein möglicher Ausstieg von Großbritannien würde auch innerhalb der EU einiges verändern. Hier sind sieben Dinge, die sich auf jeden Fall ändern würden. Mehr dazu hier.

 

 

+++ Dax steigt - Anleger wetten auf Sieg der Brexit-Gegner +++

Die Anleger am deutschen Aktienmarkt scheinen zunehmend überzeugt vom Verbleib der Briten in der EU und haben den Dax am Donnerstag zeitweise über 10 300 Punkte getrieben. Am Tag der Volksabstimmung in Großbritannien stieg der deutsche Leitindex bis zum Nachmittag um 1,68 Prozent auf 10 240,36 Punkte und verzeichnete damit seinen fünften Gewinntag in Folge.

"Der Markt nimmt den Sieg der Brexit-Gegner vorweg", sagte Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets. "Die Kurse steigen wieder, weil weitere Umfragen Entwarnung gaben. Das alles zeigt, wie stark die Aktienkurse derzeit auf das Referendum fixiert sind." Dies bewies auch die kräftige Aufwertung des Pfund zum US-Dollar, das auf den höchsten Stand seit Dezember 2015 stieg.

+++ Nach Brexit-Abstimmung: YouGov legt Wählernachbefragung vor +++

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov wird nach Schließung der Wahllokale beim Brexit-Referendum in Großbritannien eine Wählernachbefragung vorlegen. Das kündigte YouGov am Wahltag überraschend an. Die demoskopische Qualität des Zahlenmaterials entspricht nicht ganz einer echten Prognose. Die Wählernachbefragung soll kurz nach Schließung der Wahllokale um 23.00 Uhr (MESZ) vorgelegt werden.

YouGov hatte eine ähnliche Befragung nach dem Schottland-Referendum 2014 vorgelegt und das Endergebnis damit relativ genau vorhergesagt. Klassische Prognosen soll es für die Öffentlichkeit nicht geben, das demoskopische Material dafür wird aber von Umfrageinstituten für Finanzinstitute erhoben. Ob diese Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden, war am Donnerstagnachmittag noch unklar.

Mit einem klaren Bild der tatsächlichen Auszählung wird erst am frühen Morgen gerechnet. Bis gegen 06.00 Uhr MESZ soll ein Großteil der wichtigen Stimmbezirke ausgezählt sein, berichtet die BBC. Dann könnte sich ein nicht mehr umkehrbares Ergebnis herauskristallisieren.

Brexit - welche Promis dafür, welche dagegen sind

+++ Absatzmarkt für "made in Germany" +++

Zuchtpferde, Bekleidung, Autos, Maschinen und vieles mehr exportierte Deutschland im vergangenen Jahr nach Großbritannien. Das Vereinigte Königreich ist der fünftgrößte Handelspartner der Bundesrepublik. 2015 belief sich der Außenhandelsumsatz auf 127,6 Milliarden Euro.

Waren "made in Germany" im Wert von 89,3 Milliarden Euro wurden nach Großbritannien geliefert - Rang drei der wichtigsten Absatzmärkte. Weniger als halb so groß war das Volumen der britischen Einfuhren (38,3 Milliarden Euro). Ein Überblick über die Export- und Importschlager des vergangenen Jahres:

Die wichtigsten Exportgüter

- Kraftwagen und -teile: 29,1 Mrd Euro

- Maschinen: 8,8 Mrd Euro

- Pharmazeutische Erzeugnisse: 7,2 Mrd Euro

- Datenverarbeitungsgeräte, optische und elektrische Erzeugnisse: 6,2 Mrd Euro

- Chemische Erzeugnisse: 6,0 Mrd Euro

Die wichtigsten Importgüter

- Kraftwagen und -teile: 5,9 Mrd Euro

- Sonstige Fahrzeuge, zum Beispiel aus der Luftfahrt: 4,4 Mrd Euro

- Chemische Erzeugnisse: 4,2 Mrd Euro

- Erdöl und Erdgas: 3,7 Mrd Euro

- Datenverarbeitungsgeräte, optische und elektrische Erzeugnisse: 2,8 Mrd Euro

 

 

+++ Fahrplan nach dem Referendum +++

Fahrplan nach dem EU-Referendum: Wie geht es weiter? Für viele EU-Politiker ist klar: Wie auch immer das britische EU-Referendum ausgehen wird - ein "Weiter so" dürfe es nicht geben. Gelegenheiten zum Nachdenken darüber, wie es zur aktuellen Krise kommen konnte und was schief läuft in der Union gibt es in den kommenden Tage einige. Wie geht es weiter nach dem Referendum?

FREITAG, 24. JUNI:

+ Die britische Wahlkommission veröffentlicht das vorläufige Endergebnis (genaue Uhrzeit unklar).

+ 08.00 Uhr Brüssel: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz trifft die Fraktionschefs im Europaparlament (10.00 Uhr Pressestatement Schulz)

+ 10.30 Uhr Brüssel: EU-Ratschef Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, EU-Parlamentschef Martin Schulz und der amtierende Ratsvorsitzende Mark Rutte aus den Niederlanden treffen sich in der EU-Kommission. Ob es danach eine Pk gibt, ist noch offen.

+ 14.30 Uhr Luxemburg: EU-Ministertreffen zur Vorbereitung des EU-Gipfeltreffens am 28./29. Juni in Brüssel

+ Potsdam: Der Ausgang des EU-Referendums dürfte auch bei der Klausurtagung der Spitzen von CDU und CSU eine wichtige Rolle spielen

Geht wählen!: So kreativ rufen die Stars zum Brexit-Voting auf

SAMSTAG, 25. JUNI/SONNTAG 26. JUNI:

+ Für den Fall eines Brexits wird erwartet, dass sich die Außenminister der sechs Gründungsstaaten der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft (EWG) noch am Wochenende in Berlin treffen. Gründungsmitglieder waren am 25. März 1957 - damals wurden die Römischen Verträge unterzeichnet - Deutschland, Frankreich, Italien sowie die Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg.

MONTAG, 27. JUNI:

+ Brüssel: Die EU-Kommission berät über Konsequenzen aus dem Referendum und bereitet den EU-Gipfel am 28./29. Juni vor

DIENSTAG, 28. JUNI/MITTWOCH 29. JUNI:

+ Brüssel: Beim zweitägigen EU-Gipfel wird der Ausgang des EU-Referendums eine zentrale Rolle spielen. Nach einem Vortreffen der europäischer Parteienfamilien (ca. 13.00 Uhr) beginnen um 16.00 Uhr die Gipfelberatungen, an denen auch EU-Parlamentschef Martin Schulz teilnimmt. Nach dem Abschluss (Uhrzeit offen) ist eine Pk von EU-Ratschef Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker geplant. Auch Kanzlerin Angela Merkel will sich in einer PK äußern.


Autos und Autoteile sind in beide Richtungen die wichtigsten Handelsgüter.

+++ Handel, Finanzen, Konjunktur - Folgen eines Brexits +++

Kommt es zu einem Austritt Großbritanniens aus der EU, wären die wirtschaftlichen Folgen nach Einschätzung vieler Experten für alle Beteiligten beträchtlich. Mögliche Konsequenzen:

HANDEL: Die übrigen EU-Staaten haben für den Außenhandel des Vereinigten Königreichs eine große Bedeutung. Das trifft auch auf Deutschland zu, für die Bundesrepublik ist die Insel gemessen am gesamten Außenhandelsumsatz der fünftgrößte Handelspartner. Autos und Autoteile sind in beide Richtungen die wichtigsten Handelsgüter.

INVESTITIONEN: Viele Unternehmen vom "Kontinent" unterhalten eigene Produktionsstätten in Großbritannien und schaffen damit zahlreiche Arbeitsplätze - etwa Autobauer wie die BMW-Tochter Mini oder die VW-Tochter Bentley. Auch die Metallindustrie ist dort aktiv, ebenso Dienstleister aus Touristik, Verkehr und vielen anderen Branchen.

WÄHRUNG UND FINANZEN: Die Briten sind nicht Mitglied der Eurozone, aber der Kapitalverkehr und die Verflechtung der Banken mit anderen EU-Ländern sind eng. Ein Austritt aus der Union könnte - so die Befürchtung - daher zu einem Einbruch des Pfunds führen. Auch der Euro könnte an Außenwert verlieren, wenn der Brexit als Schwächung ganz Europas wahrgenommen wird und der Dollar im Gegenzug zulegt. Auf den weltweiten Finanzmärkten werden Turbulenzen nicht ausgeschlossen.

ALLGEMEINE KONJUNKTUR: All diese Effekte könnten die Investitions- und Konsumbereitschaft schmälern, so dass Großbritannien in einen gesamtwirtschaftlichen Abschwung gerät. Die genauen Folgen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind aber kaum abschätzbar.

STAATSFINANZEN: Tritt Großbritannien aus der EU aus, müsste das Land im eigenen Haushalt wohl viele Bereiche umschichten und die staatliche Finanzierung zum Beispiel im Verkehrssektor oder bei Geldern für Hochschulen und Forschung ausbauen.

Briten vor historischem EU-Votum - Keiner weiß, wohin es geht

+++ Das Brexit-Referendum - wie läuft die Abstimmung ab? +++

An diesem Donnerstag stimmen die Briten darüber ab, ob ihr Land die EU verlassen oder in der Gemeinschaft bleiben soll. Wichtige Fakten zum Wahltag - und der Nacht danach:

Die Wahllokale sind am Donnerstag von 07.00 Uhr morgens bis 22.00 Uhr britischer Zeit geöffnet - also von 08.00 bis 23.00 Uhr MESZ. In Gibraltar schließen die Wahllokale wegen der Zeitverschiebung eine Stunde früher. Danach beginnt die Auszählung.

Nach bisherigem Stand wird es unmittelbar nach Schließung der Wahllokale weder Prognosen noch Hochrechnungen geben. Experten begründen dies mit dem Fehlen entsprechender Vergleichsdaten.

Im Laufe der Nacht werden aber die Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken nach und nach bekannt gegeben. Die meisten Resultate dürften zwischen 03.00 und 05.00 Uhr MESZ vorliegen. Sie werden von der Wahlkommission an ausgewählte Medien weitergegeben und von diesen veröffentlicht. Dabei handelt es sich um die britischen Sender BBC, Sky News, ITV und die britische Nachrichtenagentur Press Association (PA). Ein Endergebnis wird am Freitag um die Frühstückszeit erwartet - wenn es nicht wegen Pannen zu Verzögerungen kommt.

Abgestimmt wird in 382 Wahlbezirken. Rund 45 Millionen registrierte Wähler sind aufgefordert, ihre Stimme abzugeben.

Die Frage auf dem Stimmzettel lautet: "Soll das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleiben oder die Europäische Union verlassen?" Angekreuzt werden kann eine der beiden folgenden Antworten: "Ein Mitglied der EU bleiben" oder "Die Europäische Union verlassen".

 

 


Trübe Aussichten auf der Insel.

+++ Rooney: Keine Aussage zu möglichem Brexit-Votum +++

Wayne Rooney will seine Wahlentscheidung beim Referendum über einen möglichen EU-Austritt Großbritanniens nicht öffentlich machen. "Ich möchte nicht darüber sprechen und halte es geheim", sagte der Kapitän der englischen Fußball-Nationalmannschaft am Donnerstag im EM-Quartier von Chantilly. Rooney ließ auch offen, ob er überhaupt abgestimmt hatte.

Der Verband hatte den Spielern eine mögliche Briefwahl vom Turnier aus Frankreich organisiert. "Ich weiß nicht, wie viele die Option wahrgenommen haben", sagte Rooney. Keiner seiner Teammitglieder sprach sich bis zum Beginn des Votums am Donnerstag öffentlich für oder gegen einen Verbleib in der Europäischen Union aus.

+++ Vorbild Brexit: Wo könnte ein Briten-Austritt Schule machen? +++

Ein Nein der Briten zur EU könnte Bestrebungen in anderen Mitgliedstaaten stärken, denselben Weg einzuschlagen. Diese Befürchtung wird in Brüssel offen ausgeprochen: So warnte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker unlängst, ein Briten-Austritt könnte woanders "Lust auf mehr" machen. Ein Überblick über mögliche Volksabstimmungen in den Mitgliedsländern, auch zu anderen EU-Themen.

UNGARN: Weit fortgeschritten sind die Pläne der rechts-konservativen Regierung von Premier Viktor Orban für ein Referendum zu den EU-Flüchtlingsquoten. Dabei geht es um künftige, nicht um die schon beschlossenen Quoten. Gegen letztere klagt Budapest vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Abstimmung ist im Herbst geplant, der Termin noch offen. Das Verfassungsgericht wird noch prüfen, ob es verfassungskonform ist und nicht etwa gegen internationale Verträge verstößt. Die demokratische Opposition kündigte bereits einen Boykott des Referendums an. Damit es gültig ist, müssen daran mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen.

TSCHECHIEN: Das Brexit-Referendum hat die Debatte über einen möglichen "Czexit" entfacht. Ein Ja der Briten zum Austritt würde eine "Welle des Nationalismus und Separatismus" in ganz Europa auslösen, warnt der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka. Beobachter befürchten, dass das Thema dann den tschechischen Parlamentswahlkampf 2017 dominieren könnte. Als schärfster EU-Kritiker gilt Ex-Präsident Vaclav Klaus, der zuletzt beim AfD-Parteitag in Stuttgart auftrat. Anfang Mai scheiterte indes ein Antrag der rechtspopulistischen Morgenröte (Usvit), über ein Austrittsreferendum im Abgeordnetenhaus in Prag zu beraten.

POLEN: Von Regierungsseite sind derzeit keine Referendums-Initiativen geplant. Die nationalistische Bewegung, als Teil der Partei Kukiz15 auch im Parlament vertreten, sammelt allerdings Unterschriften für eine Volksabstimmung, bei der die Bürger über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden sollen. Ob das Referendum durchgeführt wird, ist offen. Sollten die Wähler in der Flüchtlingsfrage das letzte Wort haben, dürfte Polen als Zufluchtsland wegfallen - in Umfragen waren zuletzt mehr als 70 Prozent gegen die Ansiedlung von Flüchtlingen.

NIEDERLANDE: Eine Mehrheit der Niederländer wäre nach Umfragen für eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft. Doch das ist nach heutiger Gesetzeslage unmöglich. Es gibt nur das Instrument eines "ratgebenden" Referendums. Das gab es erst im April: Auf Initiative europakritischer Bürgerinitiativen wurde das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abgelehnt. Dieselben Initiativen kündigten eine Volksabstimmung über den Austritt aus der EU, einen "Nexit", an. Das jedoch schließt das Referendum-Gesetz aus. Volksabstimmungen dürfen nur über noch nicht-ratifizierte Verträge gehalten werden.

FRANKREICH: Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, erneuert regelmäßig ihre Forderung nach einem Referendum über einen Austritt Frankreichs aus der EU. Eine Volksabstimmung ist allerdings nur mit Zustimmung des Staatspräsidenten möglich. Die EU-Abgeordnete und erbitterte Europa-Gegnerin Le Pen machte ihre Partei bei der Europawahl zur stärksten Kraft in Frankreich. Bruno Le Maire, ein potenzieller Kandidat der bürgerlichen Rechten für die Präsidentschaftswahl 2017, fordert auch ein Referendum - allerdings um die EU-Verträge zu ändern und die Union damit zu stärken.

BALTIKUM: In Estland, Lettland und Litauen findet sich mehr Begeisterung für die EU als in vielen älteren westlichen Mitgliedstaaten. Verschiedene Krisen geben EU-Skeptikern und Rechtspopulisten aber Auftrieb. Einzelne Oppositionsparteien und Einwanderungsgegner fordern etwa Referenden über die Flüchtlingspolitik und die Aufnahme von Migranten. Die Regierungen in Tallinn, Riga und Vilnius beugen sich dem aber bislang nicht.

AZ-Kommentar zur Brexit-Abstimmung: Für alle bitter

+++ In or out? Drinbleiben oder Rausgehen? Das ist die Frage +++

Der Tag, an dem über die Zukunft Großbritanniens in der EU entschieden werden soll, beginnt ziemlich regnerisch. Als am Donnerstag in London die Wahllokale öffnen, gießt es in Strömen. Eigentlich ein schlechtes Zeichen für die EU-Befürworter - ihre Anhänger sind nach Einschätzung von Experten schwerer zu mobilisieren als die Brexit-Befürworter. Doch es gibt auch Hoffnung, die Märkte zumindest scheinen an einen Verbleib des Landes in der EU zu glauben. Das britische Pfund startet mit einem Plus in den Tag.

Insgesamt sind mehr als 46 Millionen registrierte Wähler zu den Urnen gerufen. Sie sollen eine historische Entscheidung treffen, die das Land und die ganze Europäische Union in eine tiefe Krise stürzen könnte. In or out? Drinbleiben oder Rausgehen? Das ist die Frage.

Umfragen zufolge könnte es ein denkbar knappes Ergebnis werden.

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