Das Ende der Gartentram hat weitreichende Folgen: "Ein Rückschlag für den ÖPNV in München"

Der Freistaat erlaubt keine Tram im Englischen Garten in München. Doch jetzt kann die Stadt weitere Linien nicht bauen – etwa ins Neubaugebiet Neufreimann.
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Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) ist sauer. Denn das Ende der Garten-Tram bedeutet das Aus für drei neue Linien in München.
Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) ist sauer. Denn das Ende der Garten-Tram bedeutet das Aus für drei neue Linien in München. © Bernd Wackerbauer

München - Das Aus für die Tram durch den Englischen Garten war für die grün-rote Rathaus-Regierung ein Schock. Sie hatte sich auf eine Zusage vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) verlassen. Doch jetzt stehen gleich drei Tram-Linien auf der Kippe. Denn durch den Englischen Garten sollte nicht nur die Tram Nordtangente verlaufen, die Neuhausen mit Bogenhausen verbunden hätte (grüne Linie). Auch zwei weitere Linien plant die Stadt dort.

"Der von der Staatsregierung verursachte Schaden geht weit über die Tram Nordtangente hinaus", sagt der Zweite Bürgermeister Dominik Krause (Grüne). Auch die geplante Trambahn 13 (lila Linie) sei nun nicht mehr möglich. Sie verbindet das Maxmonument mit Schwabing Nord.

Von dort aus hätte sie noch weiter bis ins Neubaugebiet auf der ehemaligen Bayernkaserne weitergebaut werden sollen. 15.000 Menschen sollen hier einmal wohnen. Zwei große Schulen, Kindertagesstätten und Geschäfte sind in Planung und teilweise schon im Bau. Der Stadtteil, der inzwischen den Namen "Neufreimann" trägt, soll möglichst urban und dicht bebaut sein. Das betont die Stadt gerne. Doch wie es jetzt aussieht, werden sich die Bewohner, was die Verkehrsanbindung betrifft, eher wie auf dem Land fühlen.

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Denn auch die Tram 23 in den Münchner Norden (in der Grafik ist das die blaue Linie) kann ohne Querung durch den Englischen Garten nicht gebaut werden, fürchtet der Verkehrsexperte der SPD-Stadtratsfraktion Nikolaus Gradl. Diese Linie hätte das Sendlinger Tor mit dem U-Bahnhof Am Hart verbunden. Sie hätte auf dem Weg Neufreimann passiert und die Bewohner zur U2 gebracht. Hier in Milbertshofen erweitert BMW außerdem das Forschungs- und Innovationszentrum. Es heißt, dass dort um die 15.000 Menschen arbeiten sollen. Darauf, dass sie mit der Tram zur Arbeit kommen, können sie kaum hoffen.

Tram durch den Englischen Garten wird nicht gebaut: "Ein Rückschlag für den ÖPNV in München"

"Alle drei Linien (die blaue, die grüne und die lilafarbene) können nicht mehr realisiert werden, wenn die Tram durch den Englischen Garten nicht gebaut wird", sagt Gradl. "Insgesamt bedeutet die gebrochene Zusage einen Rückschlag für einen attraktiveren ÖPNV in München", fasst Bürgermeister Krause das Debakel zusammen. Mit dieser relativ kurzen Neubau-Trasse hätte die Stadt aus seiner Sicht die bestehende Straßenbahn-Infrastruktur im Westen, Norden und Osten effizient miteinander verknüpfen können. Auch der SPDler Gradl spricht von einem "perfekten Betriebskonzept". Das nun wohl erst einmal gescheitert ist.

Durch den Englischen Garten hätten drei Linien fahren sollen: Die grüne ist die Tram Nordtangente, sie verbindet Neuhausen mit dem S-Bahnhof in Johanneskirchen. Die lilafarbene Tram 13 fährt vom Maxmonument nach Schwabing Nord. Und die blaue Tram 23 hätte das Neubaugebiet in der ehemaligen Bayernkaserne erschlossen. Alle stehen jetzt vor dem Aus
Durch den Englischen Garten hätten drei Linien fahren sollen: Die grüne ist die Tram Nordtangente, sie verbindet Neuhausen mit dem S-Bahnhof in Johanneskirchen. Die lilafarbene Tram 13 fährt vom Maxmonument nach Schwabing Nord. Und die blaue Tram 23 hätte das Neubaugebiet in der ehemaligen Bayernkaserne erschlossen. Alle stehen jetzt vor dem Aus © MVG

Nachfragen, inwieweit die Tram-Verbindungen ins Neubaugebiet Neufreimann auch ohne den Abschnitt durch den Englischen Garten gebaut werden könnten, beantwortet die Münchner Verkehrsgesellschaft nicht. Sie müsse das Schreiben der Regierung erst prüfen.

Bekommen die Linien noch Zuschüsse vom Bund?

Doch es könnte schwer werden, dass alle drei Linien noch Fördergelder vom Bund bekommen. Ob Verkehrsprojekte zuschussfähig sind, wird nach einem standardisierten Verfahren berechnet. Liegt der sogenannte Kosten-Nutzen-Faktor über einem Wert von 1, fließt Geld. Bei der Tram Nordtangente nach Johanneskirchen liegt der Faktor deutlich darüber bei 1,48. Trotzdem hat die Regierung von Oberbayern auch den Abschnitt auf der Johanneskirchener Straße bis zum S-Bahnhof gestoppt, weil die MVG die Fällung von Bäumen und das Verlegen von Leitungen nicht ordnungsgemäß beantragt hatte.

Dadurch ergibt sich eine Verzögerung von einem Jahr und zwei Monaten. Auf Baustellen kostet Zeit bekanntlich Geld. Und je teurer die Strecke wird, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie den Förderkriterien noch Stand hält. Das gilt im Prinzip für alle drei Strecken, die durch den Englischen Garten hätten verlaufen sollen.

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Die Tram war für Grün-Rot war das Lieblings-ÖPNV-Projekt

Als Grüne und SPD vor fast vier Jahren begannen, München gemeinsam zu regieren, galt vor allem die Tram als Antwort auf die Verkehrsprobleme dieser Stadt. Schneller sollte der Bau gehen als der von U-Bahnen. Bequemer sollten es die Fahrgäste haben als im Bus. Doch jetzt hat das Lieblings-ÖPNV-Projekt von Grün-Rot einen gehörigen Dämpfer abbekommen. Fünf neue Tram-Linien wollten sie in dieser Legislatur bauen, so versprachen es Grüne und SPD im Koalitionsvertrag. Aber nur, wenn jetzt alles gut geht, schaffen sie es, ein Teilstück der Tram Westtangente einzuweihen.

Wenn wir eine Autobahn planen würden, gäbe es keine Einwände der CSU

Bürgermeister Dominik Krause glaubt, hinter der Absage an die Garten-Tram durch die bayerische Staatsregierung steckt etwas Grundsätzlicheres: "Wenn es der Staatsregierung wirklich um Details der Trassenführung gehen würde, dann hätte sie eines der vielen Gesprächsangebote der Stadt angenommen und ihre Vorstellungen dargelegt", sagt Krause. "So bleibt der Eindruck, dass Herr Söder das Wort seines Vorgängers nur deshalb gebrochen hat, um die Verkehrspolitik der Stadt zu sabotieren." Und Krause sagt auch: "Wenn wir eine Autobahn durch den Englischen Garten planen würden, gäbe es vermutlich keine Einwände von der CSU."

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56 Kommentare
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  • Grafiker am 21.03.2024 06:33 Uhr / Bewertung:

    Bevor die MVG denkt, ihr System zu erweitern, soll sie ihr bestehendes System mal in den Griff bekommen. Ausfall von Zügen, Verspätungen, Personalmangel etc. Weiterhin sind diese neuen Strecken fast nur Verstärker, wenn ich das richtig erkenne aber wirklich keine echten neuen Linien. Schöne wäre es wenn der Westen von München mal gescheit angeschlossen wird. Zum Beispiel Obermenzing, Untermenzing. Da fehlt es meiner Meinung völlig an sinnvollen Anschlüssen. Man schafft es ja nicht mal von der Amalienburgstraße über die Pippingerstraße bis Pasing eine Tram zu bauen. Das wäre meiner Meinung nach sinnvoll!

  • FredC2 am 20.03.2024 20:58 Uhr / Bewertung:

    Ich schlage vor, dass jeder, der bislang ein MVV- oder Deutschland-Abo hast, sich ein Auto kauft oder least (von mir auch aus ein E-Mobil) und dann wie allen anderen Pendler über den mittleren Ring fährt.
    Dann brauchen wir kein gut ausgebautes und durchgängiges Netz des öffentlichen Nahverkehrs, und können insbesondere das Tram-Netz nach und nach zurückbauen.

  • muc_original_nicht_Plagiat! am 19.03.2024 16:42 Uhr / Bewertung:

    Das Aus für die Tram durch den Englischen Garten war für die grün-rote Rathaus-Regierung ein Schock. Sie hatte sich auf eine Zusage vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) verlassen."

    Wieso? Wo ist das Problem, wenn es eine Bundesregierung aus diesen Parteien bestehend hinbekommt, unzähligen Menschen bei der "Über-Nacht" Streichung von E-Auto-Prämien vor den Kopf zu stoßen, und Zusagen nicht einzuhalten.
    Da ist es also okay? Aber in diesem Fall wird Zeter und Modio von den Politikern und Politikerinnen im Stadtrat geschrien? Da sieht man wieder, wie abgehoben und von den normalen Menschen entschwebt die genannten Parteien vorgehen. Das eine, nämlich die E-Auto-Prämienstreichung stürzt viele einfachen Menschen in finanzielle Probleme, weil deren Finanzierungsplanung natürlich auf diesen zugesagten, versprochenen, garantierten Prämien basierte, und jetzt Löcher entstehen, oder gar der Erwerb unmöglich wird. Egal, oder? Aber wenn es um Politiker selbst geht, wird geheult

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