Söder-Regierung lehnt Prestige-Projekt in München ab – Grüne und SPD geschockt

Der Freistaat lehnt die Tram durch den Englischen Garten ab. Was heißt das für die Stadt München? Und wie reagiert sie? Schließlich ist das nur ein Teilstück einer 13 Kilometer langen Trasse.
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So hätte die Haltestelle am Chinesischen Turm aussehen sollen, der Freistaat findet aber die Planungen schlecht.
So hätte die Haltestelle am Chinesischen Turm aussehen sollen, der Freistaat findet aber die Planungen schlecht. © MVG

München – Fast sieben Jahre ist es her, dass Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) durch den Englischen Garten spazierten. Durch den Park, in dem die Stadt schon seit 100 Jahren eine Tram-Linie bauen will – was der Freistaat, der Eigentümer, verhinderte. Nach dem Spaziergang machte Seehofer den Weg frei für die Garten-Tram.

Die Stadt hat die Trasse inzwischen fast fertig geplant. Nur heißt der Ministerpräsident nicht mehr Horst Seehofer, sondern Markus Söder. Und der beendete die Tram-Pläne am Dienstagnachmittag abrupt – mit einem Brief, den sein Staatskanzlei-Chef an den OB, und praktisch zeitgleich an den "Münchner Merkur" schicken ließ. Darin heißt es: "Die dem Freistaat Bayern bislang vorgelegten Planungsunterlagen zeigen, dass eine Realisierung der Trambahnstrecke nicht ohne massive, nicht denkmalverträgliche Eingriffe erfolgen kann."

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Eine Tram im Englischen Garten in München? "Denkmalverträglicher Bau ist so nicht realisierbar"

Eigentlich sollten die Planungen nicht über die bestehende Busstraße hinausgehen, heißt es in dem Brief. "Die Tramtrasse soll nach den vorliegenden Planungsunterlagen nun aber durchgängig rund 35 Prozent breiter sein als die bestehende Busstraße, was zu einer Bodenversiegelung von ca. 3500 Quadratmetern führt." Ein denkmalverträglicher Bau sei auf diese Weise nicht realisierbar.

Für Grüne und SPD war diese Nachricht ein Schock. Schließlich folgten auf den Spaziergang mit Seehofer "jahrelange Planungen und Absprachen", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter. Es sei ärgerlich, dass man sich auf Zusagen des Freistaats nicht verlassen könne. "Zumindest hätte der Freistaat schon sehr viel früher Farbe bekennen müssen. Das wäre aufrichtig gewesen und hätte dringend benötigte Personalressourcen für andere Projekte freigegeben und immense Planungskosten gespart", findet der OB.

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Ähnlich klingt Mobilitätsreferent Georg Dunkel (parteilos). Er und auch MVG-Chef Ingo Wortmann schildern, dass sich der Freistaat kaum an den Planungen beteiligt habe. "Dem Freistaat haben wir die Planungsunterlagen bereits im Mai 2023 zur Verfügung gestellt und immer wieder Gesprächsangebote gemacht, die aber abgesagt wurden", sagt MVG-Chef Wortmann.

"Wir stehen für Gespräche mit dem Freistaat Bayern bereit", sagt die MVG

Im Dezember hatte der Stadtrat beschlossen, dass auf der heutigen Busspur Tramgleise verlegt werden sollten. Oberleitungen sollte es keine geben. Auch einen separaten Gleiskörper sollte es nicht geben und die Tram soll ebenerdig fahren. Fußgänger und Radler hätten ebenfalls dort unterwegs sein sollen. Mit dem Bau hätte die MVG gerne 2025 begonnen.

Daraus wird nun nichts. Aber ist es mit der Tram wirklich endgültig vorbei? Ganz hat die Stadt die Hoffnung noch nicht aufgegeben: "Für eine Optimierung der Planungen im Sinne des Freistaats – insbesondere im Hinblick auf die Breite der Trasse – sehen wir Möglichkeiten", sagt MVG-Chef Wortmann. "Wir stehen für Gespräche mit dem Freistaat dazu bereit." Nachfragen – etwa zu den Planungskosten bislang – beantwortete die MVG am Mittwoch keine.

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Auch nicht, was ein Aus für die gesamte Tram-Nordtangente bedeutet. Denn die Trasse durch den Englischen Garten ist nur ein Teilstück, einer 13 Kilometer langen Trasse, die einmal Neuhausen mit Bogenhausen verbinden soll. Doch nicht nur beim Stück durch den Englischen Garten hapert es.

Regierung von Oberbayern stoppte Teilstück zur S-Bahn-Haltestelle Johanneskirchen 

Auch das Stück zum S-Bahnhof Johanneskirchen wird voraussichtlich 14 Monate später fertig. Die MVG ging ursprünglich davon aus, dass sie mit Baumfällungen und dem Verlegen von Leitungen beginnen kann, bevor die Genehmigung der Regierung von Oberbayern da ist. Doch die stoppte den Bau.

Die CSU im Stadtrat beantragte, die gesamten Planungen für die Tram-Nordtangente sofort zu beenden. "Die dilettantische Stückel-Planung der Nordtangente muss ein Ende haben", sagte CSUlerin Veronika Mirlach. Die grün-rote Stadtratsmehrheit lehnte das ab. Der verkehrspolitische Sprecher bei der SPD Nikolaus Gradl geht davon aus, dass sich das Teilstück in Johanniskirchen trotzdem lohnt.

Doch wie viel Sinn macht das Stück vom Elisabethmarkt zum Englischen Garten? "Alle drei Abschnitte muss man jetzt komplett neu bewerten", sagt Grünen-Chefin Mona Fuchs. Auch sie sieht noch Wege, einen Kompromiss mit dem Freistaat zu finden. München, sagt sie, wäre da sehr flexibel und pragmatisch – zum Beispiel, was die Breite des Radwegs betrifft.

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  • Muumi am 18.03.2024 06:56 Uhr / Bewertung:

    Ich finds klasse. Danke Herr Söder! Bitte auch den Abschnitt Johanneskirchen nochmal anschauen. Fehlerhafte Lärmgutachten seitens MVG, 149 zu fällende Bäume, längere Fusswege, weniger Parkplätze um als Park&Ride Kunde von außerhalb die S-Bahn zu nutzen, und das alles für eine Tram-Strecke, die aktuell mit nahezu leeren Bussen schon ausreichend abgedeckt ist. Die Nord-Tram braucht‘s nicht.

  • Lichtzeichenanlage am 18.03.2024 10:43 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Muumi

    Kann man natürlich einfach mal so behaupten, aber der Kosten-Nutzen-Faktor wurde eindeutig als positiv ermittelt, daher lässt sich die These nicht halten.
    Die Staatsregierung hat mit diesem Abschnitt im Übrigen nichts zu tun.

  • Geradeaus-Denker am 16.03.2024 21:19 Uhr / Bewertung:

    Steht auch lesbar dabei, dass das verhandelbar ist.
    Die Strassenbahnen selbst brauchen nicht mehr Breite als ein Bus.

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