Interview

CSU-Chef Manuel Pretzl will OB in München werden: "Würde die Verwahrlosung der Stadt stoppen"

Der Chef der CSU im Stadtrat Manuel Pretzl spricht in der AZ über eine mögliche Kandidatur – und darüber, dass er mehr Zuwanderung in München und härter gegen Obdachlose vorgehen will.
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"Natürlich ist es sehr reizvoll, als Oberbürgermeister diese Stadt zu gestalten", findet CSU-Chef Manuel Pretzl.
"Natürlich ist es sehr reizvoll, als Oberbürgermeister diese Stadt zu gestalten", findet CSU-Chef Manuel Pretzl. © Daniel Loeper

München – Manuel Pretzl (48) ist Chef der CSU-Fraktion im Stadtrat. Diese nimmt dort mehr Plätze ein als die SPD, aber anders als in der Legislatur davor darf die CSU nicht mehr mitregieren. Pretzl erklärt, wie sich seine Partei im nächsten Kommunalwahlkampf 2026 aufstellen wird. Immer nur dagegen sein? Gegen Radlwege und "Gender-Gaga" wettern? Was ihn am Münchner Stadtbild stört und warum er mehr Zuwanderung fordert, beantwortet Pretzl außerdem. 

AZ: Herr Pretzl, was wäre Ihre erste Amtshandlung, wenn Sie morgen OB wären?
MANUEL PRETZL: Ich würde als Erstes die zunehmende Verwahrlosung der Stadt stoppen. Uns erreichen täglich Zuschriften von Menschen, die sich darüber beschweren, dass Leute in Hauseingängen wilde Lager aufschlagen. Die Stadt gibt so viel Geld aus, Obdachlose unterzubringen. Es muss keiner auf der Straße campieren.

Was sollte die Stadt tun?
Sie muss das beenden und räumen. Ich kriege außerdem ständig Bilder von überquellenden Mülleimern. Wir haben zig Anträge für eine Verbesserung gestellt, dann heißt es immer: Passt schon alles. Ich mache den Mitarbeitern keinen Vorwurf. Es sind einfach zu wenige und es gibt auch zu wenig Mülleimer. Deshalb liegen Essensreste herum – ein gefundenes Fressen für Ratten und Mäuse.

Manuel Pretzl (CSU): "Natürlich ist es sehr reizvoll, als OB diese Stadt zu gestalten"

Kürzlich hat Ihr Wirtschaftsreferent Baumgärtner im "Merkur" kokettiert, dass er sich eine OB-Kandidatur vorstellen kann. Müssten Sie ihm nicht klar machen, dass Sie als Fraktionschef das Erstzugriffsrecht haben?
Es geht da nicht um persönliche Eitelkeiten oder Befindlichkeiten. Am Schluss wird die Partei entscheiden. Aber natürlich stehe ich als Fraktionsvorsitzender bereit. Und natürlich ist es sehr reizvoll, als Oberbürgermeister diese Stadt zu gestalten.

Das heißt, Sie verkünden hier in der AZ Ihre Kandidatur?
Nein, wir werden das in der Partei in aller Sachlichkeit und Freundschaft besprechen.

Warum zögern Sie mit der Entscheidung? Haben Sie Angst?
Ich habe überhaupt keine Angst. Das ist ein Prozess in der Partei, der sachlich durchgeführt wird. Ich denke, vor der Sommerpause werden wir einen OB-Kandidaten haben.

Manuel Pretzl im Gespräch mit AZ-Redakteurin Christina Hertel.
Manuel Pretzl im Gespräch mit AZ-Redakteurin Christina Hertel. © Daniel Loeper

Wird die CSU den Wahlkampf vor allem nutzen, um gegen Luxusradwege und "Gender-Gaga" zu wettern oder haben Sie dann ein ernsthaftes Thema parat?
Wir haben nur ernsthafte Themen. Das Hauptthema ist doch, dass die Menschen merken, dass es in dieser Stadt nicht mehr funktioniert. München kann es besser, als das, was diese Rathaus-Koalition macht. Ich finde es zum Beispiel ein Unding, dass sich der Oberbürgermeister beim Thema Wohnungsbau nicht der Verantwortung stellt und bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt. Er hat es an seine Stellvertreterin abgegeben. Das hätte es bei seinen Vorgängern niemals gegeben.

Es heißt, SPD und CSU haben, als sie gemeinsam regierten, mehr Radlwege gebaut als Grüne und SPD. Stimmt das?
Das stimmt. Bei uns war Radwegebau kein ideologisches Instrument. Wir haben geschaut, was sinnvoll ist, und das haben wir umgesetzt. Dieses Jahr werden nur 500 Meter Radweg markiert. Da waren wir deutlich besser.

Wie kommt es, dass es sich die CSU in ihrer Rolle als Anti-Radl-Partei so bequem gemacht hat?
Das ist ein rein grünes Narrativ, um vom eigenen Versagen abzulenken. Wir haben viele konstruktive Vorschläge gemacht. Zum Beispiel haben wir Radlschnellwege gefordert. Wir haben gefordert, die Blutenburgstraße zur Fahrradstraße zu machen. Aber da kann man halt keinen Autofahrer schikanieren. Deshalb ist die Strecke für Grüne nicht interessant.

Im Landtagswahlkampf hat die CSU sogar plakatiert, dass sie gegen den "ideologischen" Radweg in der Lindwurmstraße ist.
Weil es da tatsächlich schwierig ist. In der Lindwurmstraße stehen schon jetzt viele Lieferfahrzeuge in zweiter Reihe. Was passiert, wenn die Lindwurmstraße einspurig wird? Wir haben zig Planer im Mobilitätsreferat eingestellt und trotzdem kommen keine Lösungen. Auch wir finden: In der Lindwurmstraße muss sich etwas tun. Wir haben zum Beispiel gefordert, dass über einen aufgeständerten Radweg in der Mittelspur nachgedacht wird.

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Einen Radweg auf Stelzen halten Sie ernsthaft für die Lösung?
Man hätte es zumindest prüfen können. 2019 gab es dafür hohe Fördermittel vom Freistaat.

Der CSU-Chef in München macht klar: "Wir stehen hinter den Plänen an der Paketposthalle"

Man nimmt die CSU vor allem als Partei wahr, die Projekte in München blockiert. Die Tram durch den Englischen Garten, die Hochhäuser, die Kita-Förderung.
Da muss ich massiv widersprechen. Die CSU-Stadtratsfraktion steht zum Beispiel hinter den Plänen für die Paketposthalle.

Man nimmt nur wahr, dass der CSU-Abgeordnete Robert Brannekämper dagegen Stimmung macht.
Aber sein Partner ist Herr Czisch von der SPD. Der größte Hochhausverhinderer war Alt-Oberbürgermeister Kronawitter von der SPD, der das Begehren zur Hochhausgrenze damals gestartet hat. Es gibt bei den Grünen mit dem Bund-Naturschutz-Vorsitzenden Christian Hierneis auch einen prominenten Gegner.

Wie groß ist Ihre Sorge, dass das Image der Blockiererin der CSU im Kommunalwahlkampf schadet?
Wer sich seriös mit der Stadtpolitik beschäftigt, weiß, wie viele konstruktive Vorschläge wir machen. Und dass wir Dinge sogar mit wechselnden Mehrheiten beschließen. Wir haben zum Beispiel den BMW-Tunnel mit der SPD durchgesetzt und das Grünflächen-Bürgerbegehren mit den Grünen.

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"Wir brauchen attraktivste Park-and-Ride-Anlagen" 

Was ist Ihre Idee, um die Verkehrsprobleme in den Griff zu kriegen?
Das größte Problem sind die Pendler, nicht der innerstädtische Verkehr. Für sie brauchen wir Angebote an den S-Bahn-Außenästen. Die Menschen überlegen sich schließlich, ob sie im warmen Auto sitzen bleiben. Oder ob sie aussteigen, um am zugigen Bahnhof zu stehen. Wir brauchen neben einem leistungsstarken ÖPNV auch attraktivste Park-and-Ride-Anlagen. Überdacht, vielleicht mit einem kleinen Café.

Aber wenn die S-Bahn nicht kommt, weil die Stammstrecke nicht fertig wird, bleibt man doch im Auto sitzen. Und da liegt die Verantwortung beim Freistaat, nicht bei der Stadt.
Die Verantwortung für die Stammstrecke liegt bei der Bahn. Da bin ich wirklich fassungslos. Eine Fertigstellung 2038 würde ich akzeptieren, wenn man jetzt erst mit den Planungen beginnen würde.

Müssten Sie durch den Draht in die Staatsregierung nicht mehr für München rausholen können?
Der Freistaat unterstützt diese Stadt extrem gut: Die Neubauten der Universitäten, in Großhadern wird weit über eine Milliarde in das Uni-Klinikum investiert, die Sanierung der Staatsoper soll weit über eine Milliarde kosten und jetzt kommt auch der Konzertsaal. Man muss anerkennen, was der Freistaat für München tut.

"Jedes Kind soll einen Bildungsgutschein bekommen"

Bei der Kita-Förderung heißt es, der Freistaat hätte nur ein Gesetz ändern müssen und es hätte alles so bleiben können, wie es war. Da hat Ihre Fraktion auch im Ministerium vorgesprochen – ohne Erfolg.
Noch ist die Messe nicht gelesen. Der Freistaat ist der kleinste Baustein in der Problematik der Kita-Förderung. Die Hausaufgaben lagen bei der Stadt München. Und da muss man die Note 6 geben. Die Stadt hat eine Förderung entwickelt, die für einen Großteil der privaten Träger, übrigens auch für die kirchlichen und freigemeinnützigen, nicht funktioniert.

Wie sieht eine bessere Förderung aus?
Jedes Kind bekommt einen Bildungsgutschein in der Höhe, in der der Zuschuss war.

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Dann bezuschusst die Stadt auch Luxus-Kitas.
Privat ist nicht gleich Luxus. Die Privaten bieten 30 Prozent der Kita-Plätze an. Das wäre eigentlich Aufgabe der Stadt. Man sollte versuchen, mit den privaten Trägern zusammenzuarbeiten und sie nicht als Buh-Männer der Nation hinstellen, wie es der OB zuletzt getan hat. Das finde ich unanständig.

"Die Stadtregierung macht keine seriöse Politik"

Was verstehen Sie unter konservativ? Einerseits hat die CSU die Grünen als Hauptgegner erkannt. Andererseits ist sie beleidigt, wenn sie auf dem CSD nicht eingeladen ist.
Beim CSD finde ich es einfach unfair, weil wir queerfreundliche Politik im Stadtrat immer unterstützt haben. Ich definiere als konservativ: an der Spitze des Fortschritts zu stehen und dabei eine seriöse Politik zu betreiben. Das ist mein Hauptvorwurf an diese Stadtregierung, dass sie keine seriöse Politik macht. Sie hat zum Beispiel acht Tram-Linien prüfen lassen. Das bindet unendlich Kapazitäten, aber am Ende kommt nichts raus.

Gerade kommen viele Geflüchtete nach München. Wie wird sich die CSU da positionieren, auch in Abgrenzung zur AfD?
Wir haben mit der AfD nichts gemeinsam und werden es auch in Zukunft nicht haben. Wir schauen uns die Probleme im Einzelfall an und stimmen den allermeisten Unterkünften zu. Aber im Grundsatz glaube ich, dass wir in Deutschland eine vollkommen andere Einwanderungspolitik brauchen.

Was meinen Sie damit?
Im Moment machen wir Einwanderungspolitik über das Asylgesetz. 85 Prozent der Leute kommen hier her, weil sie arbeiten wollen oder die Sozialleistungen attraktiv finden. Fest steht, dass wir Arbeitskräfte brauchen. Aber das können wir doch nicht über das Asylgesetz steuern. Wir brauchen ein wirkliches Einwanderungsgesetz, das festlegt, dass die Menschen herkommen dürfen, aber auch arbeiten, Deutsch lernen und sich integrieren müssen.

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Gerade kommen die meisten Asylbewerber aus der Ukraine und fliehen vor dem Krieg.
Die Ukraine ist ein Sonderfaktor. Wir haben wahnsinnig viele Anträge aus anderen osteuropäischen Ländern. Da kann mir keiner erzählen, dass diese Menschen alle verfolgt sind. Auch Zuwanderer aus afrikanischen Ländern werden reihenweise abgelehnt. Die sind hier, weil sie hoffen, sich hier eine bessere Zukunft aufzubauen.

Das heißt, Sie als CSUler wollen mehr Zuwanderung?
Ich will gezielte Zuwanderung in Beschäftigung und nicht diese Zufalls-Zuwanderung über das Asylgesetz. Da standen wir als CSU – das muss ich auch selbstkritisch sagen – viel zu lange auf der Bremse. Wirtschaftsvertreter sagen mir: Sprechen Sie bitte nicht mehr von Fachkräftemangel, wir haben einen Arbeitskräftemangel auf allen Ebenen.

KVR-Chefin Sammüller-Gradl hat bei uns im AZ-Interview gesagt, ihre Behörde sei der Wirtschaftsmotor dieser Stadt. Stimmen Sie zu?
Sie könnte es sein. Aber zu uns kommen Beschwerden, dass hochqualifizierte Fachkräfte monatelang auf Antworten warten. Auch Firmen beschweren sich. Da muss ich sagen: Dieser Motor ist am Stottern.

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64 Kommentare
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  • Geradeaus-Denker am 22.03.2024 16:34 Uhr / Bewertung:

    Stimmt. Wahrscheinlicher ist aber, dass er als Radfahrer oder Fußgänger auf die Straße fährt oder geht, weil dort Autos stehen. Und ihm dann auf der Straße -wo er nie hin wollte - ein Unfall passiert.

  • sircharles am 21.03.2024 09:41 Uhr / Bewertung:

    Wieso müssen Radfahrer nebeneinander fahren? Um zu zeigen, wie ohnmächtig der Autofahrer ihnen gegenüber ist? Wer beschließt so einen Unsinn? Ach ja, die grüne Stadtverwaltung. Man sollte mal in der StvO nachschlagen!

  • tutwaszursache am 21.03.2024 11:53 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von sircharles

    Radfahrer müssen gar nicht nebeneinander fahren, sie dürfen es aber oftmals.

    Wenn Ihre Frage eigentlich lauten sollte, "wieso möchten Radfahrer nebeneinander fahren", dann lautet die Antwort: weil es so wesentlich einfacher ist, miteinander zu reden. Bitte sehr, gern geschehen.

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