Bayerischer Landtag: Geht es ohne Frauenquote?

Etwa die Hälfte der Bayerinnen ist nicht im Landtag repräsentiert. Die Gründe und was dagegen getan werden könnte.
Maximilian Neumair |
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Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spricht zum Beginn der Parlamentssitzung zur Vereidigung seiner neuen Kabinettsmitglieder 2018 auf seinem Platz. Frauen sind im bayerischen Parlament und in Söders Kabinett jedoch eine Seltenheit.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spricht zum Beginn der Parlamentssitzung zur Vereidigung seiner neuen Kabinettsmitglieder 2018 auf seinem Platz. Frauen sind im bayerischen Parlament und in Söders Kabinett jedoch eine Seltenheit. © picture alliance/dpa

München - Noch 2022 hat Ministerpräsident und CSU-Parteichef Markus Söder großen Applaus bei einem Auftritt bei der Jungen Union geerntet, als er feierlich verkündete: "Wir brauchen – da sind wir geläutert – auch keine weiteren Quoten in der Partei."

Dabei steht's um den Frauenanteil in der CSU nicht gut: 37 Prozent des Vorstands sind Frauen, auf Parteiebene gibt es gerade einmal 22 Prozent. Typisch CSU halt? Nein, denn Frauen sind in der gesamten politischen Landschaft Bayerns unterrepräsentiert: Im Landtag liegt der Frauenanteil insgesamt bei nur 27 Prozent. Bayern ist somit derzeit das Schlusslicht aller deutschen Landesparlamente.

Warum die Parität im Parlament wichtig sein könnte

Aber warum sollte eine gleiche Verteilung von Männern und Frauen, sogenannte Parität, überhaupt wichtig sein? Jasmin Siri, Parteiensoziologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, stellt im Gespräch mit der AZ zunächst klar: "Frauen können Politik gegen Frauen machen und Männer können Politik für Frauen machen."

Aber: "Hinter Parität steht die Vermutung, dass Leute Dinge, die sie selbst erleben, anders bewerten als jemand, der das nicht erlebt. Beispielsweise Frauen, die Kinder erziehen und gleichzeitig versuchen, Karriere zu machen, haben auf Themen wie Gleichstellung und Familie einen anderen Blick als andere Menschen." Das heißt: Die Interessen und Lebenserfahrungen von 50 Prozent der Bevölkerung laufen bei fehlender Repräsentation Gefahr, vernachlässigt zu werden.

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Darum sind Frauen in der Politik seltener vertreten

Die Gründe, warum Frauen so selten in der Politik vertreten sind, sind der Forschung zufolge vielfältig: Zunächst wäre da der Umstand, dass die Politik eine Männerdomäne ist. "Es ist wahrscheinlicher, wenn in einer Partei sehr viel mehr Männer sind, dass sich Frauen weniger wohlfühlen – auch wenn die Männer gar nicht die Frauen ausschließen wollen", erklärt die Parteienexpertin.

Denn unter vielen Männern hätten Frauen eine hohe Sichtbarkeit. Sie stechen immer heraus. "Das muss man erstmal aushalten können und wollen." Umgekehrt steigt laut Forschung das Interesse von Frauen an Politik durch weibliche Repräsentation. Dann wären da noch die durchschnittlich schlechteren beruflichen Positionen und damit verbundenen Kontakte. Diskriminierung, wenn es zur innerparteilichen Auswahl von politischen Ämtern kommt, spielt auch eine Rolle.

Die Grünen setzen sich für mehr Frauen im bayerischen Landtag ein

Und auch weniger Zeit wegen der Doppelbelastung aus Arbeit und Haushalt ist laut Forschung ein Faktor, weshalb Frauen seltener in die Politik gehen. Ergänzend dazu sagt die Parteiexpertin: "Politik war immer ein Geschäft, das hochgradig familienfeindlich war. Das ist es zum Teil immer noch, weil man immer diese 'Allerreichbarkeit' und 'Allzuständigkeit' hat."

Einen konkreten Vorstoß, um den Anteil der Frauen im bayerischen Landtag zu erhöhen, hatten die Grünen im Sommer gemacht. Die Idee hinter dem sogenannten "Hälfte-der Macht-Gesetz": die Zahl der Stimmkreise von 91 auf 44 reduzieren, dafür aber jeweils zwei Abgeordnete entsenden – einen Mann und eine Frau. Denn von 55 Frauen im Landtag sind gerade einmal fünf über ein Direktmandat ins Parlament gewählt worden. Der Vorschlag wurde im Landtag abgelehnt.

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Unterstützung für die Frauenquote als "übergangsweises Hilfsmittel"

Ute Eiling-Hütig, frauenpolitische Sprecherin der CSU, steht der Zusammenlegung von Stimmkreisen kritisch gegenüber, sagt sie der AZ: "Der persönliche Kontakt mit den Menschen würde so verloren gehen." Sie und ihre Partei setzen stattdessen auf ein Mentoring-Programm - zur Stärkung des Selbstbewusstseins von Frauen und zur Schulung von Netzwerkbildung - als eine "starke Waffe", um mehr Politikerinnen in der CSU hervorzubringen.

Eiling-Hütig unterstützt aber die Idee einer Quote: "Als übergangsweises Hilfsmittel, bis eine kritische Masse erreicht ist." Auch Horst Seehofer setzte sich für eine Quote ein. Doch nicht alle in der Partei sehen das so, etwa Parteichef Markus Söder, der 2022 bei seinem Auftritt bei der Jungen Union weitere Quoten vehement ablehnte. Dabei gehört gerade die CSU zu den Parteien, die mit ihrem geringen Frauenanteil zu kämpfen haben: Auf 100 Frauen kommen 455 Männer.

In der bayerischen FDP ist der Frauenanteil besonders niedrig

Bei der FDP sind nur 18 Prozent der bayerischen Mitglieder weiblich. Lediglich eine Frau sitzt auf einem der zwölf Abgeordnetenplätze. Laut FDP-Pressesprecher Fabio Gruber lehnt seine Partei eine Quote ab. Was sie stattdessen wollen: "Wir treten zur bayerischen Landtagswahl in allen sieben Bezirken mit paritätisch besetzten Spitzen-Duos an und auf unseren Listen kandidieren mehr Frauen, als es ihrem prozentualen Anteil in der Mitgliederschaft entspricht."

Auch die Freien Wähler sind gegen eine gesetzliche Frauenquote. Andere Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils verfolgen sie nicht. Dieser liegt in der Partei bei 25 Prozent, ähnlich hoch wie die Anzahl der weiblichen Abgeordneten (22 Prozent). Bei der AfD Bayern sind zwölf Prozent der Abgeordneten weiblich. Nur jedes fünfte Parteimitglied ist eine Frau. Ob und was die AfD an ihrem Frauenanteil ändern möchte, hat sie auf Nachfrage der AZ nicht beantwortet.

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Einzig bei den Grünen und in der SPD herrscht annähernd Parität

Lediglich die Grünen und die SPD nähern sich mit 45 Prozent bzw. 52 Prozent Frauen unter den Abgeordneten Parität an. Die Parteien selbst haben einen Anteil von 43 Prozent (Grüne) und 34 Prozent (SPD). Beide wollen Parität im Wahlrecht verankern.

Wie wichtig eine Quote wäre, betont Parteienforscherin Siri: "Die Studienlage spricht dagegen, dass ein Wandel einfach so von selber kommt." Auf das Argument, dass Quoten gegen das Leistungsprinzip gehen, erwidert sie: "Wenn ein Raum so gestaltet ist, dass die einen die Macht haben und die anderen nicht, dann wird die Leistung derjenigen, die zu den Mächtigen gehören, immer höher bewertet werden als von denjenigen, die nicht dazu gehören."

Klar ist auch: Die Frauenquote ist kein Allheilmittel

Zugleich weist sie aber auch darauf hin, dass die Quote kein Allheilmittel ist: "Es ist ja nicht so, dass Sexismus einfach verschwindet, weil man eine Quote einführt." Bei der Planung und Organisation von Partei-Veranstaltungen mehr das Familienleben miteinzubeziehen, etwa durch Kinderbetreuung oder andere Uhrzeiten, könnte laut der Expertin auch dazu beitragen, Politik für Frauen zugänglicher zu machen.

Wäre eine gesetzliche Quote aber rechtlich überhaupt zulässig? In Brandenburg und Thüringen wurden Paritätsgesetze von den Landesverfassungsgerichten gekippt. Dabei handelte es sich allerdings um Einzelfallentscheidungen zu konkreten Gesetzen. Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt nämlich, dass in der Rechtswissenschaft Uneinigkeit besteht, ob eine Quote auf Landes- und Bundesebene verfassungskonform wäre.

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Der europäische Vergleich: Wie machen es die Nachbarn?

Ohne Frauenquote: Finnland und Dänemark haben paritätisch besetzte Parlamente. Dort können wie in Bayern gesetzte Listen verändert werden: Jeder Kandidat oder Kandidatin kann gewählt werden, egal welche Rangfolge sie auf dem Stimmzettel haben. Außerdem haben die Länder Stimmkreise, in denen jeweils zwei Abgeordnete antreten: ein Mann und eine Frau.

Mit Frauenquote: Von 2000 bis 2017 ist Frankreichs Frauenanteil im Unterhaus des französischen Parlaments von 10,9 auf fast 40 Prozent angestiegen – trotz Mehrheitswahlprinzip, wie es auch bei den Direktkandidaten Anwendung findet. Der Grund: ein Paritätsgesetz, das die Parteien dazu verpflichtet, mindestens 49 Prozent Frauen zur Wahl zu stellen. Bei Verstößen hagelt es hohe Geldstrafen.

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6 Kommentare
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  • Bongo am 30.09.2023 14:12 Uhr / Bewertung:

    Bis zu den Landtagswahlen 2021 war BaWü, was Frauen im Parlament anbelangt, unter den Bundesländern an letzter Stelle. Jetzt sind sie geringfügig vor Bayern. Also, warten wir den 8. Oktober ab, vielleicht haben wir dann die rote Laterne wieder los.

  • Dimpfe am 30.09.2023 07:18 Uhr / Bewertung:

    Quoten sind Unsinn. Sie sorgen dafür, dass nicht nur die qualifiziertesten Personen einen Posten erhalten, sondern auch Die, die einer "Quote" entsprechen.

  • Der Münchner am 29.09.2023 23:46 Uhr / Bewertung:

    Wir sollten den Besten nehmen, egal ob Frau oder Mann!

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