Markus Söder legt sich bei Anne Will mit allen an - besonders mit Innenministerin Nancy Faeser: "Sie reden sich ein..."
Zum Thema "An der 'Belastungsgrenze' — schafft Deutschland eine bessere Flüchtlingspolitik?" lädt Anne Will den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und die Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Hessen-Wahl Nancy Faeser ein. Beide befinden sich aktuell in der heißen Phase ihres jeweiligen Landtagswahlkampfs. Ergänzt wird die Runde um Moderatorin Anne Will von Frank Rombey (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Niederzier (NRW), Victoria Rietig, Leiterin des Migrationsprogramms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik Berlin (DGAP) und der Journalistin Isabel Schayan, die die ARD-Sendung "Weltspiegel" moderiert.
Studiogäste von Anne Will üben Kritik an Markus Söder
Eines vorneweg: Leider kommen weder Markus Söder (CSU) noch Nancy Faeser (SPD) häufig zu Wort. Was genau zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen ein inoffizielles Wahlkampfduell hatte werden können, geht eher im Klein Klein zwischen drei weiteren Gästen, die ebenfalls wenig sagen dürfen, unter.

Anne Will beginnt mit Frank Rombey, dem Bürgermeister der 14.600 Einwohnerstadt Niederzeier. Dort leben 843 Flüchtlinge. 82 Nationen. Niederzier hat noch genau Platz für fünf Flüchtlinge und bekommt nur einen vierwöchigen Aufnahmestopp, beklagt dieser.
"Die Leute werden müde. Das ist das Problem," sagt der parteilose Kommunalpolitiker. Bis zum Ausbruch des Krieges sei alles gut gewesen. Aktuell könne man nur die Obdachlosigkeit der Ankömmlinge vermeiden. "Wir würden gerne helfen," schließt er. Söders Integrationsgrenze findet er trotzdem schwierig. Auch Isabel Schayan reagiert kritisch auf Söder Idee. "Was passiert mit 200.001 Mensch an der EU-Außengrnze," fragt sie und fordert eine vernünftige Diskussion statt Wahlkampfgepolter. Nancy Faeser nickt stumm auf der anderen Seite der Runde. Markus Söder ist über einen Bildschirm am Studioboden zugeschaltet.
Markus Söder stichelt: "Wahrscheinlich sind's die Grünen
Der bayerische Ministerpräsident will eine Kehrtwende nach bayerischem Vorbild. Stichwort: Integrationsgrenze. Innenministerin Nancy Faeser steht für offene Einwanderungspolitik. Erst letzte Woche sorgte die SPD-Politikerin mit dem Vorstoß, Flüchtlinge sollten nach sechs Monaten Aufenthalt bei Kommunalwahlen wählen können, für einen Aufschrei. Auch in der eigenen Partei.

"Seit einem Jahr fordern wir Ministerpräsidenten den Bund auf zu handeln," erklärt Söder ruhig, als Anne Will ihn fragt, warum er Seehofers Idee von Obergrenze wieder aufleben lässt. Die Gesellschaft käme sowohl materiell als auch demokratisch an ihre Grenzen: "Ich weiß nicht, wer blockiert in der Regierung. Wahrscheinlich sind’s die Grünen," stichelt er.
Söder fühlt sich stark. Das "Rekordergebnis" von 96,6 Prozent auf dem CSU-Parteitag ist noch ganz frisch. Dazu noch reichlich Unterstützung von Friedrich Merz (CDU), der der Regierung eine Lösung der Flüchtlingskrise zu den Bedingungen der Konservativen anbietet. Wenn nötig, ohne die Grünen.
Nancy Faeser lehnt Obergrenze in der Flüchtlingspolitik ab
Letzteres greift Söder auch gleich auf: Die Union stünde für einen Deutschlandpakt bereit, versichert er. Anne Will hackt nach. Wiederholt Schayans Argument von der 200.001 Person an der Grenze. Söder kontert mit einem bekannten Zitat von Altbundespräsident Joachim Gauck (CDU): "Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt." Es gäbe schon zu viele Aufnahmeprogramme.
Will wendet sich an Nancy Faeser. Fragt, ob die Zahl eher ein Richtwert wäre. "Obergrenzen sind insofern nicht einzuhalten, weil wir an die Genfer Flüchtlingskonvention und die UN-Menschenrechtskonvention gebunden sind", antwortet sie. Was ist denn mit der Million ukrainischen Flüchtlinge. Krieg würde die Obergrenze unmöglich machen, erklärt sie und erwähnt, dass es bereits Abschiebungen und Grenzkontrollen gäbe.

Anne Will konfrontiert Faeser mit Rombeys "Wir können nicht mehr". Die Zahl 200.000 sei schon am Jahresanfang erreicht worden. Faeser redet über ihr Migrationsabkommen an den Außengrenzen. Anne Will kontert, dass das Abkommen noch nicht durch ist und bezieht Victoria Rietig mit ein. "Der praktische Effekt einer Obergrenze geht gegen null," erklärt Rietig.
Markus Söder und Nancy Faeser werfen sich gegenseitig Wahlkampf vor
Söder beißt auf seine Unterlippe, als die Leiterin des Migrationsprogrammes der DGAP ankommende Flüchtlinge mit Briefen vergleicht. "Das ist wie, wenn ich sage, ich will pro Jahr nur 100 Briefe bekommen. Mir wollen aber 200 schreiben." Rietig monologisiert im Eiltempo weiter. Söder schweigt bis Will ihn nach den Maghreb-Staaten fragt: "Wir reden hier über alles, aber nicht über den Kern," antwortet er. Es brauche nun mal einen Richtwert. "Ich bin jahrelang für die bayerischen Grenzkontrollen gescholten worden." Jetzt gäbe es bald eine bundesweite Grenzpolizei, ruft Söder: "Wir müssen auch mal über Anreizsituationen reden," fügt er hinzu und redet über Bürgergeld, dass in Deutschland vorhanden ist. In anderen Ländern nicht.
Nancy Faeser lacht, als Söder ihr Wahlkampf vorwirft. Faeser kontert: "Also Sie sind es, der hier Wahlkampf macht," und fügt trotzdem hinzu: "Ich muss mich aber bei ihrer Polizei bedanken. Wir arbeiten gerne mit den Kollegen aus Bayern." Dann erwähnt sie ihre Idee der Schleierfahndung und ihr Abkommen mit der Schweiz und weitere Maßnahmen: "Wir brauchen eine Europäsche Lösung." Das lässt Söder nicht auf sich sitzen und kritisiert das Migrationsabkommen mit Afghanistan. "Sie wollen hier gegen die Absprachen mit anderen Ländern den Migrationsdruck erhöhen." "Nein, das stimmt nicht," erwidert Faeser mit leicht säuerlichem Gesichtsausdruck in Richtung Bildschirm. Anne Will lässt den nächsten Einspieler laufen.
Es geht um die Migrationswende in Dänemark und Schweden. Muss sich Deutschland auch für Migranten unattraktiv machen? Als Erstes darf Schayan reden. Sie erwähnt Flüchtlinge in Notsituationen im Iran. Man müsse zwar Signale setzen, aber trotzdem humanitäre Wege für alle bieten, schließt sie.
Dann Bürgermeister Romney. Der beklagt, dass Rückführungen nicht funktionieren. Er wünscht sich Sachleistungen. Söder bringt sich zurück ins Spiel: "Wir planen eine Chipkarte," ruft er dazwischen: "Übrigens Frau Faeser, es würde helfen, wenn das BAMF mehr Stellen bekommt, um das zu tun, was Österreich schon macht," stichelt er wieder. Gemeint sind effektive Rückführungen von Menschen ohne Bleibeperspektive und von Kriminellen.
Markus Söder fordert große Rückführungszentren
Anne Will teilt der Innenministerin das Wort zu. Es sei furchtbar, wie Dänemark mit Flüchtlingen umginge, kritisiert Faeser und erwähnt, dass Abschiebung Ländersachen ist. Söder schüttelt leicht den Kopf, während Faeser weiter redet. "Also Frau Faeser, das überzeugt wirklich nicht. Sie reden sich ein, dass sie alles gut gemacht hätten, aber so ist es nicht," beginnt er. "Es reicht nicht, als Ausrede zu sagen, das ist die Ukraine oder es ist seit sechzehn Jahren nichts passiert," sagt er. Die SPD habe schließlich zwölf Jahre in der GroKo mitregiert. Statt Tippelschritten bräuchte man große Rückführungszentren und müsse über den Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft bei schweren Verbrechen wie Mord nachdenken.
Die Gruppe im Studio räuspert sich und hustet empört. Söder redet über Schleuser, die die Menschen auf dem Gewissen hätten. Das müsse endlich verhindert werden. Faeser erwähnt erneut ihren Rückführungsdeal mit Tunesien: "Tun Sie nicht so als wenn wir Tippelschrittchen machen würden, Herr Söder," gibt sie zurück, um bei Nachfrage von Will zuzugeben, dass ihre Absprachen keine bindenden Verträge sind. Söder schaut unbeeindruckt. Denn Schlusspunkt setzt Bürgermeister Frank Rombey. Er ist enttäuscht, weil er keine Lösungen gehört hat.