Meilenstein der Architektur: Wie Olympia '72 das Münchner Stadtbild veränderte
München - Die Olympischen Sommerspiele haben die Entwicklung der bayerischen Landeshauptstadt vor einem halben Jahrhundert massiv vorangebracht. Die großstädtische Infrastruktur, die längst selbstverständlich erscheint, wurde damals zu wesentlichen Teilen vor den Spielen von 1972 gebaut.
Olympia sorgte für beispiellosen Bauboom in München
Der Zuschlag zu den Olympischen Spielen sorgte Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in ganz München – und weit darüber hinaus – für einen beispiellosen Bauboom. Schließlich mussten Bauwerke wie Sportstätten, Wohnungen und Verkehrseinrichtungen aus dem Boden gestampft werden.
"Das größte Fest der Welt bestrahlte schon eine Weile zuvor alles Leben der Stadt", berichtet der Münchner Reporter Karl Stankiewitz, der auch für die AZ schreibt, über die damalige Zeit. Der 93-Jährige schreibt seit Jahrzehnten über die Landeshauptstadt und hat die Entwicklung vor und nach den Spielen nun in dem Buch "München 1972 – Wie Olympia eine Stadt veränderte" zusammengefasst.
Olympia '72: Der Start für U- und S-Bahn in München
Ein großes Projekt war damals die neue U-Bahn. Die erste Strecke, im Oktober 1971 eröffnet, war allerdings nicht die U1 – sondern die U6. So sei die Ur-Untergrundbahn genannt worden, "weil sie die Tramlinie 6 in der Leopoldstraße ersetzte", erläutert die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Ein Teil der U6 ist sogar noch wesentlich älter. Denn der Lindwurmtunnel zwischen Sendlinger Tor und Goetheplatz wurde bereits 1938 bis 1941 als Teil einer in der Nazizeit geplanten Bahnstrecke gebaut und dann während des Krieges als Luftschutzbunker genutzt. Noch vor den Olympischen Spielen wurde 1972 dann auch noch die "Olympialinie" U3 in Betrieb genommen.
Der Bau der Münchner S-Bahn in die Vororte und das oberbayerische Umland war zwar bereits vor Olympia beschlossene Sache. Aber durch die kommenden Spiele sei damals "ordentlich Tempo in die Entwicklung" gekommen, heißt es von der Deutschen Bahn (DB). "In nur sechs Jahren sollte das modernste Nahverkehrssystem Deutschlands errichtet werden." Vor den Spielen wurde das Netz fertig und elementar für das Sportevent: "In den 17 Tagen während der Olympischen Spiele wurden über drei Millionen Menschen transportiert", betont der S-Bahn-Betreiber.
Wohnen in München: Olympisches Dorf und "Pressestadt"
Enorme Bedeutung erlangten die Spiele auch für den Bau von Wohnungen und Appartements für Studierende. So bietet das Olympische Dorf bis heute begehrten Wohnraum für Tausende Münchner, doch auch an anderen Stellen entstanden etliche neue Wohnhäuser.
Unmittelbar an den Olympiapark angrenzend wurde zudem die "Pressestadt" aus dem Boden gestampft. Hier berichteten erst 4.000 Journalisten von dem Weltereignis, dann zogen Münchner in die 28 Blocks ein. Daneben wiederum lockt der ebenfalls 1972 eröffnete Konsumtempel Olympia Einkaufszentrum täglich zahlreiche Kunden an, auch wenn das OEZ 2016 durch einen rassistischen Anschlag mit neun Todesopfern in der Nähe zu trauriger Berühmtheit kam.
Zeltdach wurde schnell zum Münchner Wahrzeichen
Letztlich sind fast alle Olympiabauten nach 50 Jahren noch rege frequentiert, nicht nur weil die Olympiahalle nach wie vor zu den wichtigsten Veranstaltungsorten Süddeutschlands gehört und der Münchner Olympiapark generell ein beliebter Naherholungsort ist. Längst nicht alle Gastgeberstädte in der olympischen Geschichte haben es geschafft, ihre Olympiaarchitektur ähnlich nachhaltig zu nutzen.
Das weltberühmte Zeltdach ist inzwischen neben Frauenkirche, Rathaus und Stachus ein Wahrzeichen Münchens. Am Stachus beginnt auch eine weitere Errungenschaft, die wenige Wochen vor den Olympischen Spielen Realität wurde – die Fußgängerzone im Münchner Zentrum.
Die Bedeutung der Spiele betonte auch Hans-Jochen Vogel, Münchner Oberbürgermeister während der Bauphase. Nach den Spielen sprach der SPD-Politiker von einem "großen Zwiespalt", schließlich überschattete der Terroranschlag auf das israelische Team mit zwölf Todesopfern das Sportfest. "München wird mit diesem Zwiespalt leben müssen", schrieb Vogel in einer Bilanz in dem Buch "Olympia 1972", herausgegeben von ZDF-Sportjournalist Harry Valérien. "Eines allerdings wird bleiben: der Nutzen, den München aus den Spielen als Folge seiner Anstrengungen gezogen hat."

Die U- und S-Bahn, die Fußgängerzone sowie der Olympiapark seien "Einrichtungen, um die uns viele andere Städte in und außerhalb der Bundesrepublik beneiden", sagte damals der vor zwei Jahren gestorbene Vogel.
Olympia-Bauboom nicht nur in München bemerkbar
Doch der Olympia-Bauboom erfasste damals auch noch andere Regionen. So wurde in Augsburg, mehr als 60 Kilometer vom Münchner Olympiapark entfernt, in einer rekordverdächtigen Bauzeit von nur etwas mehr als einem Jahr eines der höchsten Gebäude Bayerns errichtet.
Der mehr als 115 Meter hohe Hotelturm sollte 1972 unbedingt bezugsfertig sein und zu Olympia Gäste empfangen. Das Gebäude wurde nach dem Vorbild der beiden "Marina City Towers" in Chicago entworfen – und wird wie das US-Original wegen des markanten Wabendesigns im Volksmund auch "Maiskolben" genannt.

Wie das Olympiazelt in München ist auch der Augsburger Turm längst zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden.