Hostessen für Olympia '72: "Die Farben eines Frühlingstages in Icking"
Sie werden drei Monate lang geschult, kommen aus 17 Ländern und sprechen 18 Sprachen. "Als liebenswürdige Botschafterinnen unserer Stadt" werden sie im Rathaus vom damaligen Oberbürgermeister Georg Kronawitter vorgestellt.
Königin Silvia von Schweden: Als Hostess lernte sie ihren Mann kennen
Eine dieser Hostessen für Sonderdienste ist die 28-jährige Heidelbergerin Silvia Renate Sommerlath, die in München das Sprachen- und Dolmetscherinstitut besucht hat. Sie soll dem schwedischen Kronprinzen und späteren König Carl XVI. Gustaf zugeordnet werden. Vier Jahre später wird sie ihn heiraten. Heute hat sie drei Kinder, drei Enkeltöchter und fünf Enkelsöhne.
Die 42 Münchner Stadthostessen sind nach alten Barockmotiven eingekleidet. Während der Spiele und darüber hinaus sollen sie prominente Gäste Münchens sowie auswärtige Journalisten, Kamerateams und Reisebürofachleute betreuen.
Bis 1972 waren die Münchner Stadthostessen praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit tätig. Sie trugen schwarz-gelbe Hosenanzüge und Pelerinen, eine Anlehnung an die Münchner-Kindl-Kutte. Trist und muffig wirkte diese Tracht im Vergleich zu den weiß-blauen Dirndlkleidern der 1650 Olympia-Hostessen - die aber auch nicht jedem gefielen.
Über 40 Modelle für alle Mitarbeitergruppen
Die wichtigste Modefarbe des olympischen Erscheinungsbildes ist ein helles Blau, das der Chefgestalter Otl Aicher am Maibaum des Viktualienmarktes entdeckt haben will. Kombiniert mit verschiedenen Schnitten, Hemden, Röcken und Hosen ergeben sich insgesamt 47 Modelle für die einzelnen Mitarbeitergruppen. Sie sollen nicht nur das "jugendliche und heitere" Bild der Spiele widerspiegeln, sondern auch für Besucher, Sportler und Journalisten eine Orientierungshilfe sein.
Die Boten für den Ergebnisdienst erkennt man zum Beispiel an gelben Hemden und weißen Hosen. Noch nie zuvor war eine Armee von Olympia-Helfern so farbenfroh und so systematisch gekleidet und mit deutscher Gründlichkeit monatelang beraten.
"Sportlich, zeitgemäß und funktionell" sollten die Uniformen sein
In diesem "bayerischen Urblau" sollen nun also die verschiedenen Hostessen auftreten und das Motto der heiteren Spiele aller Welt zur Schau tragen. Sie zeigen Herz. Dass dafür Dirndlkleider nach Münchner Tradition geschneidert wurden, passt allerdings dem futuristischen französischen Modekönig André Courrèges (1923-2016) gar nicht; der oberste Bekleidungsgutachter findet das Dirndl in Verbindung mit Sport zunächst "etwas operettenhaft".
Als am 10. März 1972 die Prototypen der 240.000 Uniformen für das gesamte olympische Personal vorgestellt werden, nennt sie Courrèges "sportlich, zeitgemäß und funktionell". Angeglichen wird nur die Form der Taschen, Patten, Knöpfe und Nähte.
Auch Chefdesigner Otl Aicher, der wegen ästhetischer Differenzen beinahe seinen Posten an den Nagel gehängt hätte, äußert sich jetzt über die Ergebnisse der modischen Wettkämpfe "zu 80 Prozent zufrieden".
Farben eines Ickinger Frühlingstages
In einem silbergrauen Stratosphärenanzug von Courrèges, kommt Aicher auf einem Motorrad in die Halle gebraust und verkündet seine Farbkonzeption, an die sich sämtliche "visuellen Gestalter" von den lizenzierten Souvenir-Herstellern bis zu den Couturiers halten mussten: "Es sind die Farben eines Frühlingstages in Icking mit Blick auf die Berge." Die Produktion läuft bei 19 deutschen Vertragsfirmen auf Hochtouren.
Der Beitrag stammt in Auszügen aus dem Buch "München 1972"