Anfänge, Pannen, Zukunftsaussichten: 50 Jahre S-Bahn in München
München - Sechs Jahre lang, seit dem ersten Spatenstich am 15. Juni 1966, war Münchens Geschäftszentrum eine einzige Baustelle. Nicht im unterirdischen "Schildvortrieb", wie für die städtische U-Bahn, wurde die sogenannte Stammstrecke der S-Bahn zwischen Haupt- und Ostbahnhof ausgebuddelt.
Eine Dauerbelastung für Münchner
Die lockeren Gesteinsschichten und die geringe Überdeckung erforderten vielmehr die traditionelle offene Bauweise mit viel Lärm, Staub und Transporten. Es war eine starke Dauerbelästigung für die Bürger – und höchste Eisenbahn für die Planer der Bundesbahn. Die Stadt München drohte nämlich im Verkehrschaos zu ersticken und im August sollten die Olympischen Spiele beginnen.
Licht-Panne bei der Eröffnung
Am 28. April 1972, zwei Jahre früher als geplant, war es geschafft. Nicht ohne Panne. Bei der Einweihung gingen die Lichter aus. 500 Ehrengäste standen 25 Meter unter dem Stachus minutenlang im Dunkel, bis sich eine automatische Notbeleuchtung einschaltete.
Wieder im vollen Licht entschuldigte Bundesbahn-Präsident Heinz Maria Oeftering die Panne und rühmte die zunächst im Probebetrieb eröffnete 4,2 Kilometer lange Tunnelstrecke als ein "Verkehrssystem, von dem völlig neue Strukturimpulse für das Verhältnis zwischen Ballungsraum und Umland ausgehen werden".

Vier Wochen im Vier-Minuten-Takt – anfangs kostenlos
Vier Wochen lang pendelte die S-Bahn im Vier-Minuten-Takt zwischen den beiden Großbahnhöfen, drei Tage kostenlos für die Bevölkerung. Eine Stunde lang gab es sogar Freibier für alle.
Von Bund, Land und Stadt wurden für diese Bahn bisher 1,3 Milliarden Mark investiert, teilte Oeftering bei dieser seiner letzten Amtshandlung mit. Das öffentliche Verkehrssystem Münchens sei nunmehr dem von Berlin, Hamburg, Paris und London mindestens ebenbürtig.
Kritik am mangelnden Komfort
Bei allem Lob konnte aber auch Kritik nicht ausbleiben: Weil die Bundesbahn auf relativ kurzen Streckenabschnitten nicht auf das Zweiklassensystem verzichten wollte, weil die Wagen, die auf den innerstädtischen Bahnhöfen mit Fernsehmonitoren abgefertigt wurden, auch auf relativ langen Strecken (bis zu 60 Kilometer) keine Toiletten hatten und weil die eigens konstruierten "Olympiazüge" auch sonst einigen Komfort vermissen ließen.

Super-City zwischen Karlstor und Rathaus
Jedenfalls wurde gefeiert. Auch in der Fußgängerzone, der größten und attraktivsten Deutschlands, die über dem S-Bahn-Tunnel teilweise entstanden war. Die offizielle Eröffnung war zwar erst für den Juni anberaumt, aber bereits seit dem Weihnachtsgeschäft tummelten sich die Münchner und ihre vorolympischen Gäste, darunter Experten aus aller Welt, in der neuen, systematisch gestalteten Super-City zwischen Karlstor und Rathaus.

Ab 26. Mai 1972 wurde das volle, etwa 400 Kilometer lange Netz in der Region mit ihren bald zwei Millionen Bewohnern bedient. Fortan verkehrte die zunächst allein von der DB betriebene S-Bahn in Abstimmung mit den Städtischen Verkehrsbetrieben, unter deren Regie seit Oktober 1971 die ersten U-Bahn-Etappen auf einer Nord-Süd-Linie befahren wurden.
90 Pfennig für alle Zonen
Ein gemeinsamer Münchner Verkehrsverbund, der MVV, übernahm Ende Mai 1972 das komplette Netz. Dabei wurde auch ein gemeinsamer Tarif entwickelt: ab 90 Pfennig für alle neun Zonen. Am Rand des Olympiageländes baute die DB einen eigenen, provisorischen Bahnhof. Insgesamt beförderte die S-Bahn während der 17 Olympia-Tage über drei Millionen Menschen.
Heute sind es täglich bis zu 840.000 Personen. Rund 20 Millionen Kilometer legen die S-Bahn-Züge jährlich zurück. Mit sieben Stammlinien (plus der S20) bedient sie jetzt 150 Stationen. Nirgendwo in Europa gibt es eine höhere Zugdichte als auf der Münchner Stammstrecke. Komfort, Pünktlichkeit und auch Zugdichte stehen dennoch ständig in der Kritik.
Gesperrter Olympia-Bahnhof
Der Olympia-Bahnhof, der während der Spiele von drei S-Bahn-Linien angefahren wurde, war 1988, nach einem Unfall mit spielenden Kindern, stillgelegt und gesperrt worden. Zwischen Betonteilen und Gleisen haben sich seither seltene Pflanzenarten angesiedelt, die vermutlich von Balkonpflanzungen umliegender Hochhäuser stammen. Eine Arbeitsgruppe für Landschaftsarchitektur der TU München untersucht derzeit, wie das inzwischen von der Stadt erworbene, 6,7 Hektar große Gelände in ein grünes Radwegenetz eingebunden werden könnte.
Am Dienstag lesen Sie: Die bunte Geschichte der S-Bahn München