Bau-Krise in München verschärft sich: Ist die Stadt selbst schuld?

Das Rathaus wollte durch die Sobon-Richtlinie mehr günstige Wohnungen in München. Doch jetzt wird kaum mehr gebaut. Was die Immobilienbranche jetzt fordert.
Autorenprofilbild Christina Hertel
Christina Hertel
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
32  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Hier in Neuperlach sollen Eigentumswohnungen entstehen. Aber viel wird derzeit nicht mehr gebaut in München.
Hier in Neuperlach sollen Eigentumswohnungen entstehen. Aber viel wird derzeit nicht mehr gebaut in München. © imago

München - Die Baubranche steckt in einer Krise. Das zeigt sich nicht nur an den Benko-Ruinen. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat vor Kurzem beklagt, dass in München praktisch gar nicht mehr gebaut wird. Weder Luxus- noch Sozialwohnungen. "Es ist ein Problem, wenn in dieser Stadt nichts mehr entsteht", sagte er.

Weil Zinsen und Baukosten gestiegen sind, wird gerade in ganz Deutschland weniger gebaut. Doch in München gibt es eine Besonderheit: die Sobon. Das steht für sozialgerechte Bodennutzung. Sie legt fest, dass Bauherren einen Anteil Sozialwohnungen bauen und sich an den Kosten für die Infrastruktur beteiligen müssen.

Die Stadt München verschärfte die Auflagen fürs Bauen – ging sie zu weit?

Bis Sommer 2021 galt, dass Bauherren auf ihren Flächen 40 Prozent geförderten und preisgedämpften Wohnungsbau errichten mussten. Dann beschlossen Grüne und SPD ein recht komplexes Modell, das Bauträgern Wahlmöglichkeiten gibt. Im sogenannten Grundmodell müssen sie 60 Prozent Sozialwohnungen und preisgedämpfte Wohnungen bauen. Die CSU warnte schon damals, dass Grün-Rot damit zu weit geht und letztlich gar kein Wohnungsbau mehr entsteht. Ist jetzt genau das eingetreten?

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Fakt ist: Der OB denkt bereits darüber nach, wie die Sobon angepasst werden kann. Auch das Planungsreferat bestätigt, dass gerade Gespräche zwischen Baubranche, Verwaltung und Politik laufen, um herauszufinden, wie man den Wohnungsbau in München wieder ankurbeln kann. Auch um eine Anpassung der Sobon geht es da. Doch welchen Anteil an der Baukrise tragen die Richtlinien wirklich?

Münchner Immobilien-Chef: "Fast jeder hat sein Projekt gestoppt"

Ein Anruf bei Andreas Eisele. Er ist Chef eines Münchner Immobilien-Unternehmens. Und vor allem hat er als bayerischer Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) einen Überblick über die Branche. "Fast jeder, der sein Projekt noch irgendwie stoppen konnte, hat es getan", sagt er. Neues entstehe in München gerade nichts mehr. Nur das, was im Bau sei, werde noch irgendwie fertiggestellt.

Die Stadt muss jetzt etwas tun und die Sobon reformieren, findet Andreas Eisele. Sein Verband vertritt die private Immobilienwirtschaft.
Die Stadt muss jetzt etwas tun und die Sobon reformieren, findet Andreas Eisele. Sein Verband vertritt die private Immobilienwirtschaft. © privat

Der Sobon alleine will Eisele dafür nicht die Schuld geben. Zinsen, Baukosten, Grundstückspreise und vor allem die vielen Jahre Planung nennt er auch. Aber: Eben weil die Rahmenbedingungen sich so verändert haben, müsse die Stadt jetzt nachjustieren. "Auch ohne Krise wäre es mit der neuen Sobon sehr schwierig geworden. Aber jetzt funktioniert es gar nicht mehr", sagt er.

Eine genaue Kalkulation kann er nicht nennen, erklärt: Wenn 60 Prozent geförderte und Sozialwohnungen entstehen sollen, muss der Rest dementsprechend mehr Gewinn erwirtschaften. Diese Wohnungen werden also teurer. "Das Problem ist: Die meisten Menschen sind weder reich, noch erfüllen sie die Kriterien für eine geförderte Wohnung", sagt er.

Welchen Anteil hat die Sobon-Richtlinie an der Krise in München?

Genau zu beziffern, wie viele Wohnungen wegen der Sobon weniger gebaut werden, ist allerdings nicht so einfach. Schließlich ist sie erst seit Sommer 2021 in Kraft. Bis ein neuer Bebauungsplan fertig ist, vergehen oft fünf bis zehn Jahre. Allerdings werden momentan auch weniger Bebauungsplanverfahren gestartet. Die beginnen mit dem Aufstellungsbeschluss durch den Stadtrat.

Laut Planungsreferat hat der Stadtrat zwischen 2019 und 2023 30 Aufstellungsbeschlüsse mit über 20.000 Wohnungen gefasst. Darunter waren aber bloß acht Aufstellungsbeschlüsse nach neuen Sobon-Regeln – mit rund 5500 Wohnungen. Zwei Projekte davon sind keine privaten: An der Neuherbergstraße baut der Bund 1250 Wohnungen. An der Hans-Preißinger-Straße bauen die Stadtwerke zirka 450 Wohnungen. "Alles ist genau so gekommen, wie wir gesagt haben", lautet das Fazit von CSU-Chef Manuel Pretzl. Er fordert eine Rückkehr zur alten Sobon.

CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl ist überzeugt: Mit der Sobon-Verschärfung hat die Stadt einen großen Fehler gemacht.
CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl ist überzeugt: Mit der Sobon-Verschärfung hat die Stadt einen großen Fehler gemacht. © Daniel Loeper

Denkbar ist für die CSU sogar, die Quote für günstige Wohnungen auf 50 Prozent zu erhöhen. Das hatte sie im Sommer 2021 gefordert. Dass der OB jetzt einlenkt und über eine Reform der Reform nachdenkt, hält Pretzl zwar für richtig, aber er ätzt auch: "Der OB ist wie ein Fähnchen im Wind."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

München-SPD rechtfertigt sich: "Die Sobon ist nicht Schuld"

Und was sagen Grüne und SPD zu der Debatte? Schließlich feierten sie im Sommer 2021 die Sobon als Erfolg. SPDlerin Simone Burger und Grünen-Fraktionschef Sebastian Weisenburger betonen, dass die Baukrise andere Auslöser habe. "Die Sobon ist nicht Schuld", sagt Burger.

Und Weisenburger beschwichtigt: "Die Baupreise normalisieren sich gerade wieder. Ich wäre vorsichtig aufgrund einer kurzen Irrationalität der Märkte etwas zu verändern, wovon wir doch politisch überzeugt sind." Die Sobon wieder komplett zurückzudrehen, komme für sie nicht in Frage, sagt Burger. Anpassungen wollen aber beide nicht ausschließen.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
32 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Plato's Retreat am 07.04.2024 09:09 Uhr / Bewertung:

    Die Attraktivität Münchens sinkt seit Jahren. Nachdem es hier inzwischen so ausschaut wie in Essen oder Krefeld, werden auch die Immobilienpreise bald so sein, wie sie in Essen oder Krefeld nun mal sind. Die Stadt sonnt sich heute noch im Glanze von Microsoft und Apple, die angeblich Kaufkraft bringen (Gewerbesteuern zahlen sie ja keine, ein herzliches Dankeschön nach Brüssel und an die EU-Kommission). Aber auch das kann schnell ganz anders ausschauen - wenn die Fachleute aus Budapest oder Warschau kommen, werden die Firmen mittelfristig dorthingehen.

    Und dann kann endlich die Stadtentwicklung neu gedacht werden. Reiter und das Rathaus hätten schon längst den Resetknopf drücken müssen. Aber damit sind Berufspolitiker natürlich überfordert.

  • Mobilist am 07.04.2024 13:54 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Plato's Retreat

    Die Attraktivität Münchens sinkt seit Jahren und deshalb kommen Apple und Microsoft. Finde den Fehler.

  • eule75 am 07.04.2024 18:06 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Mobilist

    Kein Fehler. München wird für die Touristen uninteressant, verkommt zu einer Stadt ohne eigenen Charakter, das Bayerische kann man suchen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.