Bau-Krise in München verschärft sich: Ist die Stadt selbst schuld?
München - Die Baubranche steckt in einer Krise. Das zeigt sich nicht nur an den Benko-Ruinen. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat vor Kurzem beklagt, dass in München praktisch gar nicht mehr gebaut wird. Weder Luxus- noch Sozialwohnungen. "Es ist ein Problem, wenn in dieser Stadt nichts mehr entsteht", sagte er.
Weil Zinsen und Baukosten gestiegen sind, wird gerade in ganz Deutschland weniger gebaut. Doch in München gibt es eine Besonderheit: die Sobon. Das steht für sozialgerechte Bodennutzung. Sie legt fest, dass Bauherren einen Anteil Sozialwohnungen bauen und sich an den Kosten für die Infrastruktur beteiligen müssen.
Die Stadt München verschärfte die Auflagen fürs Bauen – ging sie zu weit?
Bis Sommer 2021 galt, dass Bauherren auf ihren Flächen 40 Prozent geförderten und preisgedämpften Wohnungsbau errichten mussten. Dann beschlossen Grüne und SPD ein recht komplexes Modell, das Bauträgern Wahlmöglichkeiten gibt. Im sogenannten Grundmodell müssen sie 60 Prozent Sozialwohnungen und preisgedämpfte Wohnungen bauen. Die CSU warnte schon damals, dass Grün-Rot damit zu weit geht und letztlich gar kein Wohnungsbau mehr entsteht. Ist jetzt genau das eingetreten?
Fakt ist: Der OB denkt bereits darüber nach, wie die Sobon angepasst werden kann. Auch das Planungsreferat bestätigt, dass gerade Gespräche zwischen Baubranche, Verwaltung und Politik laufen, um herauszufinden, wie man den Wohnungsbau in München wieder ankurbeln kann. Auch um eine Anpassung der Sobon geht es da. Doch welchen Anteil an der Baukrise tragen die Richtlinien wirklich?
Münchner Immobilien-Chef: "Fast jeder hat sein Projekt gestoppt"
Ein Anruf bei Andreas Eisele. Er ist Chef eines Münchner Immobilien-Unternehmens. Und vor allem hat er als bayerischer Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) einen Überblick über die Branche. "Fast jeder, der sein Projekt noch irgendwie stoppen konnte, hat es getan", sagt er. Neues entstehe in München gerade nichts mehr. Nur das, was im Bau sei, werde noch irgendwie fertiggestellt.

Der Sobon alleine will Eisele dafür nicht die Schuld geben. Zinsen, Baukosten, Grundstückspreise und vor allem die vielen Jahre Planung nennt er auch. Aber: Eben weil die Rahmenbedingungen sich so verändert haben, müsse die Stadt jetzt nachjustieren. "Auch ohne Krise wäre es mit der neuen Sobon sehr schwierig geworden. Aber jetzt funktioniert es gar nicht mehr", sagt er.
Eine genaue Kalkulation kann er nicht nennen, erklärt: Wenn 60 Prozent geförderte und Sozialwohnungen entstehen sollen, muss der Rest dementsprechend mehr Gewinn erwirtschaften. Diese Wohnungen werden also teurer. "Das Problem ist: Die meisten Menschen sind weder reich, noch erfüllen sie die Kriterien für eine geförderte Wohnung", sagt er.
Welchen Anteil hat die Sobon-Richtlinie an der Krise in München?
Genau zu beziffern, wie viele Wohnungen wegen der Sobon weniger gebaut werden, ist allerdings nicht so einfach. Schließlich ist sie erst seit Sommer 2021 in Kraft. Bis ein neuer Bebauungsplan fertig ist, vergehen oft fünf bis zehn Jahre. Allerdings werden momentan auch weniger Bebauungsplanverfahren gestartet. Die beginnen mit dem Aufstellungsbeschluss durch den Stadtrat.
Laut Planungsreferat hat der Stadtrat zwischen 2019 und 2023 30 Aufstellungsbeschlüsse mit über 20.000 Wohnungen gefasst. Darunter waren aber bloß acht Aufstellungsbeschlüsse nach neuen Sobon-Regeln – mit rund 5500 Wohnungen. Zwei Projekte davon sind keine privaten: An der Neuherbergstraße baut der Bund 1250 Wohnungen. An der Hans-Preißinger-Straße bauen die Stadtwerke zirka 450 Wohnungen. "Alles ist genau so gekommen, wie wir gesagt haben", lautet das Fazit von CSU-Chef Manuel Pretzl. Er fordert eine Rückkehr zur alten Sobon.

Denkbar ist für die CSU sogar, die Quote für günstige Wohnungen auf 50 Prozent zu erhöhen. Das hatte sie im Sommer 2021 gefordert. Dass der OB jetzt einlenkt und über eine Reform der Reform nachdenkt, hält Pretzl zwar für richtig, aber er ätzt auch: "Der OB ist wie ein Fähnchen im Wind."
München-SPD rechtfertigt sich: "Die Sobon ist nicht Schuld"
Und was sagen Grüne und SPD zu der Debatte? Schließlich feierten sie im Sommer 2021 die Sobon als Erfolg. SPDlerin Simone Burger und Grünen-Fraktionschef Sebastian Weisenburger betonen, dass die Baukrise andere Auslöser habe. "Die Sobon ist nicht Schuld", sagt Burger.
Und Weisenburger beschwichtigt: "Die Baupreise normalisieren sich gerade wieder. Ich wäre vorsichtig aufgrund einer kurzen Irrationalität der Märkte etwas zu verändern, wovon wir doch politisch überzeugt sind." Die Sobon wieder komplett zurückzudrehen, komme für sie nicht in Frage, sagt Burger. Anpassungen wollen aber beide nicht ausschließen.
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