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Innenstadt von München ist im krassen Wandel: Bis zu 80 Prozent der Läden sind verschwunden

Innenstadt im Wandel: In welchen Flaniermeilen in München es heute fast nur noch Ladenketten gibt – und wen die Pleite der Signa Holding ebenfalls treffen wird, erklärt Marktforscher Stephan Kippes.
Nina Job
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Weihnachtsbummel in der Fußgängerzone: Die Kaufingerstraße und die Neuhauser Straße sind die Einkaufsmeilen mit den meisten Passanten. Und auch die mit den meisten Ladenketten (Filialisten).
Weihnachtsbummel in der Fußgängerzone: Die Kaufingerstraße und die Neuhauser Straße sind die Einkaufsmeilen mit den meisten Passanten. Und auch die mit den meisten Ladenketten (Filialisten). © Imago/Wolfgang Maria Weber

München - Die guten Nachrichten zuerst: Die Passanten und die Touristen sind zurück in der Innenstadt. Marktforscher und Immobilienexperte Stephan Kippes hat festgestellt: Die Zahlen "befanden sich im bisherigen Jahr 2023 auf einem hohen Niveau, wie man es zuletzt aus der Vor-Corona-Zeit kannte".

Auch die Nachfrage nach Ladenflächen in den Münchner Top-Lagen sei wieder gestiegen. "Trotz eines stark gewachsenen Online-Handels kann der stationäre Handel seine Stärken ausspielen", so der Professor für Immobilienmarketing und Maklerwesen. Viele Kunden würden weiterhin großen Wert auf persönliche Beratung, Produkte zum Anfassen sowie ein breites Angebot an Läden und Gastro legen.

Seit der Corona-Pandemie hat sich das Zentrum von München sehr verändert. Viele Geschäfte mussten schließen, neue Läden haben eröffnet – und manche stehen seit Monaten oder gar Jahren leer. Die AZ zeigt Ihnen in einer neuen Serie den Wandel der Einkaufsmeilen in der Innenstadt und erklärt die Hintergründe.
Seit der Corona-Pandemie hat sich das Zentrum von München sehr verändert. Viele Geschäfte mussten schließen, neue Läden haben eröffnet – und manche stehen seit Monaten oder gar Jahren leer. Die AZ zeigt Ihnen in einer neuen Serie den Wandel der Einkaufsmeilen in der Innenstadt und erklärt die Hintergründe. © imago / AZ

Nachlass von René Benko in München: "Kariöse Stellen", die wohl lange bleiben werden

Doch auch ein Trend, der sich seit Jahren abzeichnet, setzt sich weiter fort: Einzigartige, auch Ur-Münchner Geschäfte verschwinden zunehmend aus den besten Innenstadtlagen. Stattdessen machen sich immer mehr große Filial-Ketten breit. Gerade die kleineren Geschäfte seien "das Salz in der Suppe", sagt Kippes. Fehlen sie, findet man in den Einkaufsmeilen in aller Welt irgendwann überall das gleiche Angebot. 

Stephan Kippes stellte am Montag die jüngste Studie des Marktforschungsinstituts IVD, dessen Chef er ist, über die Mieterwechsel in Münchens Kern-Lagen vor. Ein großes Thema in der Studie ist auch die Insolvenz von René Benkos Signa Holding. Benko hinterlasse "Memorials" (Mahnmale) in "zig Städten in aller-allerbesten Lagen". Da könne man nicht mehr von "Zahnlücken" sprechen, sondern von "gut sichtbaren kariösen Stellen".

Am Erbe von René Benko wird die Münchner Innenstadt noch lange zu knabbern haben.
Am Erbe von René Benko wird die Münchner Innenstadt noch lange zu knabbern haben. © Marcel Kusch/dpa

Marktforscher Stephan Kippes: "Es wird die Attraktivität der Lagen spürbar dämpfen"

"Es drohen längerfristig stillstehende Baustellen bzw. leerstehende Immobilien, die die Attraktivität der jeweiligen Lagen spürbar dämpfen und somit auch die umliegenden Mieter treffen" könnten, so Kippes. Allein bis Eigentumsverhältnisse neu geordnet seien, könne dies Monate, wenn nicht Jahre dauern.

Zurück lässt die Signa die halbfertige Großbaustelle Alte Akademie und das halb sanierte ehemalige Hertie-Kaufhof (Hermann-Tietz-Haus) am Hauptbahnhof. Außerdem das leerstehende riesige Kaufhaus an der Schützenstraße und in der Rosenstraße das ehemalige Kaut-Bullinger-Haus, beide sollten abgerissen werden.

Immobilienexperte Stephan Kippes schätzt die Lage für die Münchner Innenstadt nach der Signa-Pleite ein. (Archivbild)
Immobilienexperte Stephan Kippes schätzt die Lage für die Münchner Innenstadt nach der Signa-Pleite ein. (Archivbild) © Foto: imago/Astrid Schmidhuber

Zieht eines Tages Ikea in die Münchner Fußgängerzone? 

Wie die ehemaligen Kaufhäuser künftig genutzt werden können, werde nicht einfach. Große Bekleidungsunternehmen, die Häuser komplett übernehmen, seien nicht mehr viele in Sicht, so Kippes. Vielleicht wäre Ikea eine Option. Der Möbelgigant aus Schweden hat schon in London in der Oxford Street ein ganzes Haus in der City bezogen. In München gibt es neuerdings bereits zwei Planungsstudios - in Riem und Pasing.
Eine andere Möglichkeit sieht Kippes in sogenannten Pick & Go-Shops, in denen kontaktloses Einkaufen möglich wird. Oder Mischnutzungen, wie sie im ehemaligen Karstadt Sports in der Fußgängerzone – heute Herzog Max – geschaffen werden: Im Erdgeschoss sollen Ladengeschäfte und Gastro einziehen, darüber sind Büros.

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Wenn das Herzog Max fertig ist, wird das Max-Planck-Institut einziehen. An dem denkmalgeschützten Bau war die Signa übrigens auch mal Teilhaber, verkaufte ihre Anteile aber schon vor längerem.

Bis es für die Signa-Immobilien neue Konzepte gibt, wird also wohl noch einige Zeit vergehen. Umso bedauerlicher, dass in München gerade eine "sinnvolle Zwischennutzung" scheitere, sagt Kippes. In der Sonnenstraße am Stachus, wo Galeria Karstadt Kaufhof Mieter war und 2020 auszog, sollte das Projekt "Lovecraft" dem ehemaligen Warenhaus mit Kunst, Kultur, Sport- und Gastro-Angeboten neues Leben einhauchen.

In der Kaufingerstraße sind 96 Prozent Filialisten

Die Innenstadt wird sich stark verändern – und sie hat sich in den vergangenen Jahren bereits sehr verändert. Die neueste Studie des Marktforschungsinstituts IVD zeigt, in welchen Einkaufsmeilen die Geschäfte am häufigsten wechseln: Die Neuhauser Straße und die Kaufingerstraße sind nach wie vor die beliebtesten Einkaufstraßen in München. In der Kaufingerstraße sind auch die Ladenmieten am höchsten.

Derzeit, so Kippes, liegt die Miete für 80 Quadratmeter mit Schaufenster bei 285 Euro pro Quadratmeter. Vor der Pandemie waren es sogar 405 Euro. In der Kaufingerstraße sind besonders viele Filialisten, also große Ketten: Der Anteil liegt derzeit bei 96 Prozent. Vor 18 Jahren waren es in der Straße noch 77 Prozent Filialisten. Der Wechsel ist deshalb hoch, weil Geschäfte schnell wieder verschwinden, wenn die hohen Mieten nicht wieder reingewirtschaftet werden können, so Kippes.

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Von 27 Geschäftseinheiten ist im Vergleich zu 2022 fast jeder Fünfte schon wieder weg. Neu ist seit Kurzem H&M mit einem neuen Flagship-Store. Ende November 2023eröffnete der Konzern aber in der Kaufingerstraße einen seiner größten deutschen Stores. Zuvor hatten sich die Mode-Firmen Esprit und New Yorker die Flächen geteilt. Neu ist auch das dänische Schmuck-Label Pandora mit einem seiner größten Läden überhaupt - sowie das US-amerikanische Start-up Fisker (E-Autos).

So haben sich Neuhauser Straße, Maximilianstraße und Dienerstraße bereits verändert

In der Neuhauser Straße stecken hinter 81 Prozent aller Ladenmieter große Filialisten (2005 waren es noch 77 Prozent). Auch in exklusiven Lagen wie der Maximilianstraße (59 Ladengeschäfte) sind mit Abstand die meisten Mieter Filialisten: nämlich 89 Prozent. Viele dieser Ketten haben früher mehrere kleine Läden in München betrieben, heute setzen sie eher auf einen großen, repräsentativen Flagship-Store in Top-Lage, so Kippes. Wesentlich vergrößert hat sich zum Beispiel Gucci, der von der Maximilianstraße in neue Räume im Maximilianhof umgezogen ist und nun auf zwei Etagen teure Kleidung, Handtaschen, Schuhe und Accessoires verkauft.

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Prozentual am meisten verändert hat sich die Dienerstraße, 19 Ladengeschäfte gibt es hier. 84 Prozent der Läden, die es 2005 gab, sind heute nicht mehr da. Ebenfalls ein völlig anderes Gesicht hat die Sendlinger Straße. 80 Prozent von 86 Geschäften, die es hier 2005 noch gab, findet man hier heute nicht mehr. Ende August hat hier das dänische Modelabel Samsøe & Samsøe einen Flagship-Store eröffnet. Außerdem kamen als neue Mieter das Kölner Start-up cinnamood (Zimtschnecken) und der Süßwaren-Konzern Haribo dazu. Ende November zog das US-amerikanische Einrichtungshaus RH (Restoration Hardware) in die Räumlichkeiten, vor denen vor paar Jahren noch junge Leute in langen Schlangen auf Einlass bei Abercrombie & Fitch warteten.

Mit dem Passantenaufkommen wie in der Kaufingerstraße oder Neuhauser Straße kann die Sendlinger Straße allerdings lange nicht mithalten, deshalb sei sie keine 1a-Lage, so Stephan Kippes.


Münchens Innenstadt im Wandel

Seit der Corona-Pandemie hat sich das Zentrum von München sehr verändert. Viele Geschäfte mussten schließen, neue Läden haben eröffnet – und manche stehen seit Monaten oder gar Jahren leer. Die AZ zeigt Ihnen in einer neuen Serie den Wandel der Einkaufsmeilen in der Innenstadt und erklärt die Hintergründe.

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  • HanneloreH. am 07.12.2023 17:35 Uhr / Bewertung:

    Noch schnell ein Nachtrag, war vorhin beim Saturn für ein Routerkabel mit 2 verschiedenen Endstücken. Saturn, Beratung sehr gewöhnungsbedürftig hat mit 2 Kabel und einen Adapter dazwischen für über 55€ vorgeschlagen. Beim Sauter , zwar schnelle und zuvorkommende Beratung, haben aber keine Lösung. Jetzt grad auf Amazon geschaut, gefunden, gekauft für 13,99€ Noch Fragen?

  • HanneloreH. am 07.12.2023 12:21 Uhr / Bewertung:

    Wundert uns das ? Mit dem Auto Dank einer katastrophalen Verkehrspolitik der Linken im Rathaus, kein Spaß mehr. Mit dem ÖV ist es halt unangenehm mit vielen Taschen, Bettler und Gschwerl an jeder Ecke . Die Lastenfahrradfahrer sollen s halt richten!

  • UlrichStein am 07.12.2023 18:45 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von HanneloreH.

    Lastenradfahrer treiben die Mieten hoch? Das wäre mir neu.

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