Verwaiste Läden im Shopping-Zentrum von München: Wieso bekannte Geschäfte aufgeben
München - Es ist kein schöner Anblick, der sich den Passanten seit ein paar Wochen am zentralsten Platz der Stadt bietet. Schaufenster, in denen nur unbekleidete Puppen stehen und solche, in denen sich Müll, Kartons und Regalbretter zu einem Berg aus Gerümpel stapeln: Wo vor Kurzem noch das Münchner Modeunternehmen Hallhuber und das Kosmetikunternehmen Yves Rocher ihre Ware verkauft haben, sieht es nun aus wie in einer verlassenen Stadt – und das mitten am Marienplatz.

Hallhuber und Yves Rocher verschwinden aus der Münchner Innenstadt
Hallhuber ist insolvent und hat sämtliche Mietverträge und Beschäftigungsverhältnisse gekündigt. Yves Rocher schließt alle Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, der Online-Shop soll weitergeführt werden. Zurück bleiben die ehemaligen Geschäftsräume im verwaisten Zustand, mit dem Hinweis "Ladenfläche zu vermieten" an den Schaufensterscheiben – das hat man in München bei Geschäften in "1a-Lage im Kernbereich" bisher eher selten gesehen.

Prof. Stephan Kippes vom Immobilienverband IVD Süd erzählt, dass frei gewordene Gewerbeflächen vor fünf Jahren tendenziell ein bisschen schneller vermietet worden seien. "Es gab lange Wartelisten, man war froh, wenn man sich eine sichern konnte", sagt er gegenüber der AZ. Teilweise habe man auch das nutzlose Mobiliar vom Vormieter übernommen.

"Früher war ein Laden eine Woche auf dem Markt und dann quasi vermietet"
Marion Gödel von Store Scouts kümmert sich um die Vermietung der ehemaligen Ladenfläche von Yves Rocher. "Früher war ein Laden eine Woche auf dem Markt und dann quasi vermietet", schildert sie der AZ. Jetzt seien so viele Flächen auf dem Markt und die Vermietung kein Selbstläufer mehr.
Eine Rolle spielt hierbei auch die massive Konkurrenz durch den Online-Handel. Wer seine Ware im Internet verkauft, muss keine Ladenmiete zahlen. "Geschäfte müssen sich das Mietniveau erwirtschaften", erklärt Kippes. Unternehmen wie Yves Rocher verzichten inzwischen offenbar darauf, auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Pandemie. "Zahlreiche große Handelsketten dünnten ihre Filialnetze im Zuge einer wachsenden Fokussierung auf den E-Commerce erheblich aus", heißt es im Marktbericht des IVD.
Viele Traditionsunternehmen aus München gaben wegen der Pandemie auf
Das führte auch zu einem beachtlichen Wandel in der Münchner Innenstadt: "Die Corona-Pandemie brachte einige Veränderungen im Ladenbesatz am zuvor so stabilen Top-Einzelhandelsstandort München mit sich." Weniger Leute seien durch die Straßen gegangen und es habe weniger Umsatz gegeben, erklärt Kippes.

"Einige traditionsbehaftete Einzelhändler wie beispielsweise das Sportkaufhaus Münzinger sowie das Büro-Fachgeschäft Kaut-Bullinger gaben ihr Geschäft komplett auf", steht im Marktbericht des IVD. Selbst in den Top-Lagen sei es vorübergehend zu Leerständen gekommen. Eine Folge: Sinkende Mieten. Nach Corona gab es zwar wieder einen leichten Anstieg, das Mietniveau liegt jedoch immer noch weit unter dem vor der Pandemie.
"Die Größe der Schaufensterfront und der Schnitt des Ladens wirken sich auf den Mietpreis aus"
Marion Gödel schätzt allerdings, dass es bei dem Aufwärts-Trend bleibt. Im Moment ist sie im Gespräch mit Interessenten für die Yves Rocher-Ladenfläche und spricht gegenüber der AZ von rund 400 Euro Kaltmiete für den Quadratmeter – das ist höher als der Durchschnittsmietpreis von 285 Euro im Herbst 2023 für die Geschäfte in 1a-Lage in München.
Grundsätzlich sei jeder Laden bezüglich seines Mietpreises ein Unikat, erklärt Stephan Kippes. Faktoren, die sich auf den Mietpreis auswirken, seien etwa die Größe der Schaufensterfront, die Passanten-Laufströme, der Schnitt des Ladens und ob es eine Rolltreppe gibt oder nicht. Geschlossene Ladenflächen in Münchner 1a-Lage, sprich in der Kaufingerstraße und am Marienplatz, führt Kippes eher auf Umbau-Arbeiten der neuen Mieter zurück, nicht auf einen Mangel an Interessenten.
Wer jetzt in die Hallhuber- und Yves Rocher-Filialen einzieht
Umgebaut wird voraussichtlich auch bald in den verwaisten Hallhuber-Filialen. Wie es mit den leerstehenden Geschäftsräumen nun weitergeht, steht teilweise schon fest – etwa am Standort in der Kaufingerstraße. Hier rührt die Sonnenbrillen-Marke Ray-Ban schon fleißig die Werbetrommel, auf dem plakatierten Schaufenster steht in großen Buchstaben "opening soon" (deutsch: öffnet bald).

Auch am Marienplatz geht was voran. Das Gerümpel in der Yves-Rocher-Filiale ist am Dienstagmorgen in zwei große Container verladen und abtransportiert worden. "Wir sind in finalen Endverhandlungen mit einem Interessenten", sagt Gödel der AZ. Wer wahrscheinlich einziehen wird, möchte sie aber noch nicht verraten – nur so viel: Keine Gastronomie.

Nebenan bei Hallhuber steht auch noch kein endgültiger Nachmieter fest, teilt Röhm Immobilien auf AZ-Anfrage mit: "Der Mietvertrag ist noch nicht unterschrieben." Auch in der Filiale in der Theatinerstraße sind aktuell wie am Marienplatz nur unbekleidete Schaufensterpuppen zu sehen – allerdings keine Plakate, auf denen "zu vermieten" steht.

Womöglich ein Hinweis darauf, dass sich hier schon ein Nachmieter gefunden hat? Ob dem so ist, wird sich in den nächsten Wochen sicher zeigen.
AZ-Serie: Münchens Innenstadt im Wandel
Seit der Corona-Pandemie hat sich das Zentrum von München sehr verändert. Viele Geschäfte mussten schließen, neue Läden haben eröffnet – und manche stehen seit Monaten oder gar Jahren leer. Die AZ zeigt Ihnen in einer neuen Serie den Wandel der Einkaufsmeilen in der Innenstadt und erklärt die Hintergründe.