"Fehler könnten passiert sein": Andrea Tandler in München wegen Steuerhinterziehung vor Gericht

Demütig gibt sich Andrea Tandler vor dem Landgericht München. Dabei geht es gar nicht um die üppige Provision, sondern um Steuern.
Natalie Kettinger
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Andrea Tandler betritt zu Prozessbeginn den Gerichtssaal.
Andrea Tandler betritt zu Prozessbeginn den Gerichtssaal. © Peter Kneffel / dpa

München – Andrea Tandler (41) tat alles, um bei der Strafkammer am Landgericht München I einen guten Eindruck zu machen. Zweieinhalb Stunden lang berichtete die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und Ministers Gerold Tandler vornehmlich über die großen Mühen, die es sie und ihren mitangeklagten Geschäftspartner Darius N. gekostet habe, in der Anfangsphase der Corona-Pandemie insgesamt 48,4 Millionen Euro an Provisionen für Masken und andere medizinische Schutzausrüstung abzugreifen.

Dabei sei ihr illustrer Name mehr Fluch als Segen gewesen. Man habe sich auf sie verlassen, "weil ich den Namen meines Vaters trug", deutete die in ein blaues Kleid gehüllte Angeklagte die Vorstellung vom lukrativen CSU-Netzwerk um.

Andrea Tandler soll 15,2 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben

Darum geht es in dem Prozess aber eigentlich nicht. Tandler und ihrem Mitangeklagten Darius N. wird vorgeworfen, durch Tricks bei der Einkommen-, Schenkung- und Gewerbesteuer insgesamt 15,2 Millionen Euro am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Das freilich räumte Tandler nicht ein.

In dieser "extrem belastenden Zeit" könnten allenfalls "Fehler passiert sein", sagte die 41-Jährige, die seit Januar dieses Jahres ebenso wie N. in Untersuchungshaft sitzt. Sie gilt mit Abstand als die Bestverdienerin in der Pandemiegewinnerriege. Vor dem Masken-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags hatte sie eisern geschwiegen.

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In ihrer Vorrede bedauerte Tandler das von ihr in der Öffentlichkeit entstandene Bild der Tochter eines CSU-Granden, die ohne eigene Arbeit durch ein paar Anrufe Millionen Euro verdiene und ihre Wochenenden in Davos verbringe.

Sie sei weder CSU-Mitglied noch politisch aktiv und könne nichts dafür, in die Familie eines ehemaligen CSU-Generalsekretärs hineingeboren worden zu sein, beteuerte Tandler: "Ich habe nichts zu verbergen." Sie habe auch die Möglichkeit gehabt, die Geschäftstätigkeit in die Schweiz zu verlagern, sich aber "bewusst für die Besteuerung in Deutschland entschieden".

Vermittlung medizinischer Schutzausrüstung: Wer noch involviert war

Indirekt bestätigte die Angeklagte freilich, dass ihr Name als Türöffner schon nützlich gewesen sei. Wegen ihres Namens hätten die Gesundheitsministerien Bayerns und Nordrhein-Westfalens sowie das Bundesgesundheitsministerium große Erwartungen in sie gesetzt, schilderte die Angeklagte ihren Gemütszustand zu Beginn der schwunghaften Vermittlungstätigkeit im Februar 2020. Der "mentale Druck" habe sie mehrfach darüber nachdenken lassen, das Projekt wieder abzublasen.

Das "Projekt" war die Vermittlung von medizinischer Schutzausrüstung, die wiederum die in Zürich ansässige Firma "Emix Trading GmbH" weltweit in großem Stil einkaufte. So habe insbesondere das bayerische Gesundheitsministerium immensen Druck auf sie ausgeübt. "Ministerpräsident Söder macht Druck", habe es in einer SMS geheißen.

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So ganz ohne jeden Bezug zur CSU lief es wohl nicht ab. Im Anklagesatz wird bereits auf die Vermittlung durch die CSU-Europaabgeordnete und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier verwiesen. In ihren Einlassungen erwähnte Tandler auch Kontakte über die Schwester des CSU-Bundestagsabgeordneten und Kurzzeit-Generalsekretärs Stephan Mayer und zum jetzigen Generalsekretär Martin Huber. Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe höchstpersönlich mit ihr über Lieferungen an die Bundesregierung kommuniziert.

So argumentiert die Staatsanwaltschaft München

So richtig ins Rollen kam das Millionen-Geschäft mit Masken, Handschuhen und Schutzanzügen aber erst, nachdem "Emix" tatsächlich geliefert und Tandler und N. ihre Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt hatten. Allein zwischen dem 3. März und dem 31. März 2020 rechneten sie Lieferungen zum Nettopreis von 442 Millionen Euro ab. Die beiden Geschäftsleute arbeiteten angeblich rund um die Uhr, um die Bestellungen abzuarbeiten, aber auch, um neue Kunden zu gewinnen. "Mit ein paar Anrufen war es nicht getan", so die Angeklagte.

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Andrea Tandler schilderte das Engagement ihres Geschäftspartners und Gastronomen N. vermutlich so ausführlich, um einen der Hauptvorwürfe der Staatsanwaltschaft zu entkräften.

Durch die Übertragung der hälftigen Geschäftsanteile an der plötzlich so vermögenden Tandler-Firma "Little Penguin GmbH" habe die Angeklagte ihrem Partner ein Geschenk im Wert von 13,3 Millionen Euro gemacht, für das aber keine Schenkungsteuer abgeführt wurde, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Verlust für den Fiskus: 6,62 Millionen Euro.

Deshalb haben sich die Angeklagten in Grünwald niedergelassen

Und auch mit dem Gewerbesteuergesetz sollen die Angeklagten ins Gehege gekommen sein. Sie mieteten im Münchner Nobelvorort Grünwald höchst bescheidene Geschäftsräume an, um dort den Firmensitz zu begründen.

Hintergrund: Grünwald erhebt nur halb so viel an Gewerbesteuer wie die benachbarte Landeshauptstadt. Ein Geschäftsbetrieb habe in Grünwald nie stattgefunden, heißt es in der Anklage. Wegen seiner hohen Einnahmen habe sich der "Little Penguin" so 4,2 Millionen Euro erspart.

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Vorwurf "Subventionsbetrug": Andrea Tandler hat zusätzlich Corona-Soforthilfen beantragt

Zahlenmäßig nicht sonderlich ins Gewicht fällt der Schaden eines "Subventionsbetrugs", welcher Tandler obendrein vorgeworfen wird. Erheblich war jedoch die Empörung darüber, dass die Provisionsbestverdienerin Anfang April 2020 auch noch einen Antrag auf Corona-Soforthilfe stellte und ihr tatsächlich 9.000 Euro überwiesen wurden.

Erst ein Jahr später zahlte Tandler die Summe an die Stadt München zurück. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe sie mit ihrer Agentur "Pfennigturm" tatsächlich Existenzängste gehabt, so die Angeklagte. Ob jemals Geld aus den vermittelten Maskendeals fließen würde, sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen. Dass sie die Corona-Hilfe erst so spät zurückbezahlt habe, tue ihr leid.

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5 Kommentare
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  • muc6 am 05.10.2023 09:18 Uhr / Bewertung:

    Wie sagte der Gerichtssprecher Lafleur so schön: Die moralische Seite der ganzen Angelegenheit ist nicht Gegenstand des Verfahrens (sinngemäß). Das mag so sein.
    Wenn aber Leute wie Tandler, Sauter oder Nüßlein eine nationale Notlage ausnutzen, um öffentliche Gelder in unverschämter Weise abzuzocken, dann sollte es eine Handhabe geben, dieses Verhalten -unabhängig ob Einnahmen versteuert oder nicht- zu sanktionieren.

  • SL am 05.10.2023 21:29 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von muc6

    Und wie sagte Frau Tandler heute am ersten Verhandlungstag? "Meine ganze Sorge galt der Gesundheit der Bevölkerung. Und ich habe Tausenden Menschen das Leben gerettet. Dafür habe ich gearbeitet bis zum Zusammenbruch".

  • glooskugl am 05.10.2023 09:17 Uhr / Bewertung:

    Ja,ja...die Vorwürfe sind haltlos und sie gibt uns ihr Ehrenwort? Kennen wir alles schon diese Ehrenwörter... hat da Papa nicht Geld genug verdient als Politiker?

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