Endspurt auf Augenhöhe? Markus Söder und Ludwig Hartmann gehen auf Konfrontationskurs
München - In der letzten Woche vor der Wahl lud der BR den bayerischen Ministerpräsidenten und den Kontrahenten der – bei der letzten Landtagswahl zweitstärksten Kraft – zur "Konfrontation". Obwohl es nicht nur bei den Themen Migration und Energiewende für beide Seiten genügend Angriffsfläche gab, fiel das Duell nicht so hitzig wie erwartet aus.
Platz zwei in Bayern und starker Juniorpartner in der bayerischen Regierung werden, das wünschen sich die Grünen. Doch aktuell sieht es eher nicht danach aus. Die Grünen liegen bei fünfzehn Prozent, eingepfercht zwischen Freien Wählern und AfD. Da alle Parteien mit nur jeweils einem Prozent Abstand zur nächsten fast Kopf an Kopf liegen, könnte es auch nur Platz vier werden, falls besonders viele bayerische Wähler die Ampelparteien abstrafen sollten. Für Ludwig Hartmann steht daher viel auf dem Spiel.
Ludwig Hartmann könnte sich eine Koalition aus Grünen und CSU vorstellen
Für Markus Söder hingegen könnte der Wahlkampf bis auf die Stagnation seiner Partei bei 36 Prozent kaum besser laufen. Der Aiwanger-Skandal scheint abgewendet, das Rekordergebnis bei der Wiederwahl als CSU-Chef gibt Rückenwind und die Ampelpolitik liefert reichlich Material, über das man als Konservativer so richtig schimpfen kann. Als Platzhirsch hat der bayerische Ministerpräsident schon vor Monaten klargemacht: Es gibt nur einen Koalitionspartner für die CSU. Nämlich die Freien Wähler.
Die erste Frage behandelt gleich das heikle Thema: "Liebäugelt Hartmann mit der CSU?" Der Grünenpolitiker lobt das Artenschutzbegehren "Rettet die Bienen". Bayern sei vielfältig. Auch CSU und Grüne könnten gut zusammen regieren, versucht er es versöhnlich Richtung Söder. Der ist allerdings gleich auf Konfrontation aus. Wenn auch auf eine "staatsmännische" Art.
Markus Söder wehrt ab: Die Grünen würde keine Politik für Bürger machen
"Wir wollen auch unabhängig werden von Berlin", antwortet der bayerische Ministerpräsident. Die Grünen hätte den Leistungsnachweis in der Ampel-Koalition nicht erbracht. "Außerdem handelt es sich um ein Verbotspartei", mit der die CSU nicht regieren könne. Zu groß seien die Differenzen bei Themen wie Kernenergie, Erbschaftsteuer und Sozialpolitik.
Hartmann sucht weiter Gemeinsamkeiten. Söder weist ihn schroff ab: "Noch nie war die Zustimmung zu einer Bundesregierung so schlecht wie heute." Daran seien die Grünen "als wesentlicher Teil der Ampel schuld", erwidert er. Sie würden keine Politik für Bürger machen.
BR-Chefredakteur Christian Nitsche lenkt ein: Beim letzten Duell hätten sich beide Kandidaten versprochen, mal zusammen wandern zu gehen. Haben Sie das in den fünf Jahren geschafft? Kurz kommt man sich vor, wie bei einer Parteien-Dating-Show. "Nein", antwortet Hartmann traurig, das sei wahrscheinlich wieder so ein Versprechen, das nicht erfüllt werde.
Ministerpräsident Söder warnt vor Protestwähler-Stimmen für die AfD
Söder frotzelt weiter. Er müsse bei sowas eher aufpassen, "wo Aiwanger hinläuft", antwortet er: "Deshalb keine Wanderung mit den Grünen und keine Zusammenarbeit." Dieser Korb lässt Hartmann in den Konfrontationsmodus wechseln: "Man müsse im Bierzelt nicht mit Wattebäuschen werfen", antwortet er auf die Frage, wie er den Wahlkampf erlebt. Aber man sollte nicht dauernd polemisieren und bei den Fakten bleiben.
"Auf mich ist auch schon einiges geschmissen worden, wenn ich das sagen darf", antwortet Söder. Seit Corona sei Politik eine andere. Hier nutzt Söder die Gelegenheit, um Protestwähler zu warnen: "Aus dem Denkzettel wird schnell ein Schnitt ins eigene Fleisch", sagt Söder über die AfD. Die AfD sei mit Putin verbandelt. Ihre Anti-EU-Politik würde Deutschland und Bayern schaden.
Söder spricht sich für eine Wende in der Migrationspolitik aus
Es geht weiter mit dem Thema Flüchtlinge. Hier darf Hartmann wieder zuerst ran: Man müsse unterscheiden zwischen Ukrainern und anderen Flüchtlingen, sagt der gebürtige Landsberger: "Es ist wichtig, Humanität und Ordnung an die Außengrenze zu bringen." Flüchtlinge sollten schon registriert in Deutschland ankommen und könnten leicht vom "Flüchtling zum Steuerzahler werden". Sie könnten als Handwerker arbeiten.
Markus Söder ist von seinem Argument wenig beeindruckt: "Ich halte das für eine Fehleinschätzung. Wir brauchen eine Wende in der Migrationspolitik", sagt er entschieden. Es bräuchte Grenzschutz nach dem Vorbild der bayerischen Grenzpolizei, Rückführungsprogramme und keinen Zugang mehr zu Sozialleistungen, wie es Dänemark und Österreich bereits tun. Hier entbrennt der erste Streit.
Bei den Themen Heizen und Energie wirkt Ludwig Hartmann etwas hilflos
"Wir müssen aufhören, das Bürgergeld zu erhöhen", wechselt Söder nach einem kurzen Schlagabtausch das Thema. Es würde sich für viele nicht mehr lohnen, zu arbeiten. Stattdessen sollte man die Steuern auf Lebensmittel und Gastronomie senken. "Und zwar nicht nur auf vegane Grundnahrungsmittel", sagt er entscheiden. Hartmann kontert empört: "Die Steuern auf Lebensmittel senken etwa auch für Superreiche", schimpft er zurück.
Das Heizungsgesetz sei völlig an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigegangen, fährt Söder fort. Es sei eine unmenschliche Forderung in einer Krise gewesen: "Die Grünen haben überhaupt kein Gefühl, was die Menschen brauchen. Sie ziehen einfach ihre ideologischen Kreise", endet er vorläufig. "Was war denn daran falsch für alle die Energiepreise günstiger zu machen", erwidert Hartmann etwas hilflos.
Ludwig Hartmann nutzt die Gelegenheit für einen Angriff auf Hubert Aiwanger
Söder bleibt unversöhnlich, als es um die Gasspeicher geht: "Habeck hat gesagt, er möchte den Gasspeicher für Österreich, der für uns in Südbayern ganz wesentlich ist, nicht fühlen. Das sollten wir selber machen", sagt er. Erst ein Telefonat mit dem Bundeskanzler habe Engpässe verhindert. Wieder lenken die Moderatoren ein. "Der Bayerntrend sagt: 58 Prozent der Bayern trauen der CSU zu, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Den Grünen nur vier Prozent. Tut das weh, Herr Hartmann?", fragt die Moderatorin Julia Büchler.
Hartmann redet plötzlich über Windkraftanlagen. Er möchte Bayern zum Vorreiter der Grünen Energie machen. Söder sieht gelassen zu, wiederholt dann seine häufig rezitierten Fakten zum Thema Erneuerbare Energien in Bayern.
Bayern würde mehr Energie aus Biomasse produzieren als Hessen insgesamt, wiederholt Söder unter anderem. "Aber wir brauchen grundlastfähige Energie" und dafür bräuchte man Kernenergie. Hartmann poltert zurück: Die CSU habe von Monstertrassen gesprochen und den größten Gegner von Stromtrassen als Wirtschaftsminister Aiwanger mit am Kabinettstisch.
Markus Söder verweist auf die Leistungen Bayerns – Hartmann reagiert entgeistert
Söder hält dagegen: "Wo enden denn die Stromtrassen direkt vor Bayern? Der Spatenstich ist bei Hamburg. Das ist ein nationales Problem", poltert er zurück. Hartmann ist sichtlich beleidigt: "Der schnellste Ausbau war in Schleswig-Holstein unter einem grünen Wirtschaftsminister, um mal bei den Fakten zu bleiben", gibt er zurück. "Ist auch kleiner aus Bayern", antwortet Söder. Die Moderatoren wechseln schnell das Thema.
Beim Thema junge Wähler gibt sich Söder jovial: "Ich habe vier Kinder und ich will, dass sie eine gute Zukunft haben." Dafür müsse man auch Klima retten. Hartmann versucht es mit klassischer grüner Rhetorik. Man dürfe Extremwetterlagen nicht hinnehmen. Nur die Grünen würden Klimaschutz anpacken und fördern.
Hier grätscht Söder rein. Das würde nicht stimmen. Auch andere Parteien könnten Klima fördern. Es folgt ein kurzer Streit, den der CSUler mit "Wir sind im Vergleich auch mit allen grünen Ländern – sorry – einfach vorne und es wäre schön, wenn man das akzeptiert und einfach mal unsere Leistung würdigt", für sich entscheidet. Hartmann wirkt kurz entgeistert.
"Viele in Bayern könnten sich Erben nicht mehr leisten", warnt Söder
Dann geht es um Abwanderung in die Städte. "Jetzt muss ich etwas erzählen, was ich öfter im Wahlkampf erlebt habe", holt Hartmann aus. Es sei überall auf dem Land dasselbe. Erst käme die Umgehungsstraße, dann der Discounter, dann würde der Metzger schließen und die Jungen abwandern. "Man muss die Ortskerne stärken", erklärt Hartmann.
Söder wird gefragt, warum sich keiner mehr ein Eigenheim leisten kann. Söder redet über Bauförderungen wie das Bayerndarlehen. Ein Problem sei die Erbschaftsteuer, die Finanzminister Lindner (FDP) drastisch erhöht habe. "Viele in Bayern könnten sich Erben deswegen nicht mehr leisten und müssen dann die Wohnung verkaufen", kritisiert Söder. Das kann nicht so sein.
Ludwig Hartmann möchte, dass Bayern mehr im "Wir" denkt als im "Ich"
Hartmann antwortet mit dem Beispiel, dass man eine Immobilie steuerfrei erbt, wenn man selbst dort wohnt und schimpft über leerstehende Studentenwohnungen. Es folgt das Thema Schulen. Hier möchte Söder die Noten beibehalten, damit das bayerische Abitur im Ranking vor allen anderen bleibt. Für die wachsende Schülerzahl möchte der CSU-Chef noch mehr Lehrer einstellen und mehr Schulpsychologen. Hartmann kritisiert den Lehrermangel als hausgemacht und möchte neben mehr Lehrern auch mehr Kinderpfleger und mehr Digitalisierung an Schulen.
Damit ist das Duell vorbei. Es folgen die Schlussstatements: "Ich möchte, dass Bayern wieder mehr im 'Wir' denkt als im 'Ich'", sagt Hartmann. Bayern müsse seine Vielfalt nutzen und sich nicht spalten lassen. Das letzte Wort hat Markus Söder: "Es ist nicht egal, wen man wählt. Ich verspreche nicht irgendetwas, nicht das Blaue vom Himmel herunter." Man brauche eine starke Regierung, um bayerische Interessen zu vertreten. Söder bittet eindringlich, keine Proteststimmen zu vergeben, sondern seine Partei zu stärken.