Augustiner-Wirt spricht darüber: Das sind die Folgen der "Remigrations"-Pläne der AfD in München
München - Eigentlich sollte es eine geheime Zusammenkunft werden. Rechtsextreme, finanzstarke Unternehmer und Parteimitglieder von AfD und CDU sowie der Werteunion trafen sich im November in einem Hotel bei Potsdam. Was dort besprochen wurde, erinnert an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Von sogenannter "Remigration" war die Rede, also der Massendeportation von Ausländern aus Deutschland.
Fast 30 Prozent der Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund
"Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen", schrieb der Bundestagsabgeordnete René Springer auf X und bekam dafür viel Zuspruch aus der Partei.
Doch bei diesem abstoßenden Gedanken haben die Teilnehmer des Geheimtreffens eines nicht bedacht: Der plötzliche Verlust aller ausländischen Arbeitnehmer würde der deutschen Wirtschaft mit großer Wahrscheinlichkeit immensen Schaden zufügen.
"Remigration"? Was das für die Wirtschaft in München und Bayern bedeuten würde
Werfen wir mal einen Blick auf die Bevölkerungszusammensetzung in Deutschland nach dem letzten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Danach lebten im Jahr 2022 83.102.000 Menschen in Deutschland. 23.825.000 oder 28,7 Prozent davon haben ein Migrationshintergrund, 11.364.000 davon sind Ausländer und Ausländerinnen, was einen Anteil von 14 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmacht.
Gehen wir das Gedankenspiel einer "Remigration" durch, würde das bedeuten, dass man fast ein Drittel der Menschen in Deutschland wegschicken würde. Abgesehen von den menschlichen Tragödien, die sich bei solch einer Massenbewegung abspielen würden, würde sie auch einen großen Einfluss auf die Wirtschaft hierzulande haben.
Bricht man die Zahlen auf Bayern herunter, muss man sich die Frage stellen, ob die Wirtschaft im Freistaat ohne ausländische Arbeitnehmer überhaupt noch existieren könnte, wenn plötzlich eine der Stützen wegfallen würde. Werfen wir mal einen Blick auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für den Wirtschaftsstandort Bayern (Stand: 30. Juni 2023).
Fast jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Bayern ist Ausländer
Ende Juni 2023 gingen in Bayern genau 5.925.202 Personen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, davon 1.081.916 Ausländer, was einen Anteil von 18,3 Prozent ausmacht. Dazu zählen auch 219.505 Personen in einer sozialversicherungspflichtigen Ausbildung, darunter 30.477 Ausländer, was einen Anteil bei den Azubis von 13,9 Prozent entspricht.
Sozialversichungspflichtig Beschäftigte in Bayern | ||
insgesamt | 5.925.202 | 100 Prozent |
Deutsche | 4.843.286 | 81,7 Prozent |
Ausländer | 1.081.916 | 18,3 Prozent |
729.911 Personen waren ausschließlich in einer geringfügigen Beschäftigung aktiv. Hier betrug der Ausländeranteil 15,1 Prozent oder 110.489 Personen.
Geringfügig Beschäftigte in Bayern | ||
insgesamt | 729.911 | 100 Prozent |
Deutsche | 619.422 | 84,9 Prozent |
Ausländer | 110.489 | 15,1 Prozent |
Fasst man man diese Zahlen nun auf die drei Bereiche "Land- und Forstwirtschaft, Fischerei", "Produzierende Gewerbe" und "Dienstleistungsbereich" zusammen, wird deutlich, dass bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigen 767.428 Ausländer im Bereich der Dienstleistungen tätig sind, darunter fallen unter anderem das Gastgewerbe, das Gesundheitswesen und der Handel bzw. die Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, das entspricht einem Anteil von 70,9 Prozent.
304.181 ausländische Arbeitnehmer (28,1 Prozent) in Bayern waren im produzierenden Bereich beschäftigt, darunter zählen neben dem verarbeitenden Gewerbe auch Bereiche wie die Entsorgungswirtschaft. Im Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei sind Ausländer nicht ganz so stark vertreten. 10.306 Ausländer bzw. ein Prozent gehen in diesem Bereich einer sozialversicherungspflichten Beschäftigung nach.
Ausländer in sozialversichungspflichtigen Beschäftigungen in Bayern nach Bereich | ||
insgesamt | 1.081.916 | 100 Prozent |
Land-, und Forstwirtschaft, Fischerei | 10.306 | 1 Prozent |
Produzierende Gewerbe | 304.181 | 28,1 Prozent |
Dienstleistungsbereich | 767.428 | 70,9 Prozent |
Wirft man nun einen Blick auf die Zahlen der ausschließlich geringfügig Beschäftigten, zeigt sich eine andere Verteilung. Dort sind es im Bereich Land-, Forstwirtschaft, Fischerei bereits 6,6 Prozent (7279 Personen), dies ist in großen Teilen auf Saisonarbeiter zurückzuführen, die als Erntehelfer ihr Geld verdienen. Im Produzierenden Gewerbe gehen nur 8,8 Prozent (9770 Personen) einer geringfügigen Beschäftigung nach. Die meisten Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund finden sich im Dienstleistungsbereich. 93.437 Ausländer sind hier geringfügig beschäftigt, das macht stolze 84,6 Prozent aus.
Ausschließlich geringfügig beschäftigte Ausländer in Bayern | ||
insgesamt | 110.489 | 100 Prozent |
Land-, und Forstwirtschaft, Fischerei | 7279 | 6,6 Prozent |
Produzierende Gewerbe | 9770 | 8.8 Prozent |
Dienstleistungsbereich | 93.437 | 84,6 Prozent |
Fast die Hälfte (49,4 Prozent) davon sind in den Bereichen Gastgewerbe (19,2 Prozent), sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen ohne Arbeitnehmerüberlassung (19,2 Prozent) und sonstige Dienstleistungen in privaten Haushalten (11 Prozent) tätig. Gerade in diesen Bereichen würde eine "Remigration" große, wahrscheinlich nicht auffangbare Probleme zur Folge haben.
Lesen Sie hier unsere Serie: "Warum bin ich wichtig für Deutschland?"
Wie ist die Situation in München? Die AZ hat sich umgehört
Aber wie ist die Situation in München, was passiert in der Landeshauptstadt, wenn diese Pläne in die Tat umgesetzt würden? Die AZ hat Statistiken gecheckt und sich in den unterschiedlichsten Bereichen und Firmen informiert.
Bezogen auf die Stadt München, sind 242.264 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Ausländer, das entspricht 4,1 Prozent aller und 22,4 Prozent der ausländischen Arbeitnehmer in Bayern. Im Landkreis München sind es zusätzlich 66.315 ausländische Personen (1,1 und 6,13 Prozent).
Zusammengefasst gehen in der Stadt und dem Kreis München 308.579 ausländische Arbeitnehmer einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Das heißt, dass mehr als jeder vierte ausländische Arbeitnehmer (28,52 Prozent) in Bayern seine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in München verrichtet.
Ausländer in sozialversichungspflichtigen Beschäftigungen | ||
in Bayern | 1.081.916 | 100 Prozent |
Stadt München | 242.264 | 22,4 Prozent |
Kreis München | 66.315 | 6,13 Prozent |
Von den insgesamt 729.911 Personen die in Bayern ausschließlich geringfügig beschäftigt sind, sind nach Angaben des Bundesamtes für Arbeit 19.666 Ausländer in der Stadt München und weitere 5.020 im Kreis München gelistet. Von den insgesamt 110.489 ausländischen geringfügig Beschäftigten sind das 18,1 Prozent in München und 4,34 Prozent im Kreis München.
Ausschließlich geringfügig beschäftigte Ausländer | ||
in Bayern | 110.489 | 100 Prozent |
Stadt München | 19.966 | 18,1 Prozent |
Kreis München | 5020 | 4,34 Prozent |
Bei der Stadtsparkasse München arbeiten Menschen aus 33 Nationen
Die Stadtsparkasse München teilte der AZ auf Anfrage mit, dass in ihren Filialen insgesamt 2.396 Personen (inklusive Auszubildende) beschäftigt sind, darunter 238 ausländische Mitarbeiter aus insgesamt 33 unterschiedlichen Nationen. Dies entspricht einem Wert von 9,93 Prozent.
Deutlicher fällt der Anteil ausländischer Mitarbeiter aus, wenn man einen Blick auf die Personen wirft, die aktuell eine Ausbildung bei der Stadtsparkasse München absolvieren. Stand 26. Januar 2024 waren insgesamt 156 Auszubildende bei der SSKM tätig, darunter 55 ausländische Azubis aus 20 Nationen 26,07 Prozent). Jeder vierte Auszubildende besitzt demnach eine andere Staatsangehörigkeit, was die Wichtigkeit ausländischer Mitarbeiter in Deutschland mehr als verdeutlicht.
In einem Post, welchen die Stadtsparkasse München anlässlich der Demo in München gegen rechts bei LinkedIn veröffentlichte, zeigt, wie wichtig ausländische Mitarbeiter für das Finanzunternehmen sind und wie es die internationale Vielfalt seiner Mitarbeiter wertschätzt. "In der Stadtsparkasse München arbeiten Menschen 30 unterschiedlicher Nationalitäten. Wir schätzen diese Vielfalt. Sie bereichert unsere Zusammenarbeit ebenso wie die Gespräche mit unseren Kundinnen und Kunden.“
Und Ralf Fleischer, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse München, wird wie folgt zitiert: "Bei uns arbeiten Menschen, die Menschen mögen und eine Haltung haben. Es geht um Respekt – gegenüber den Menschen und der Demokratie."
BMW teilte der AZ mit, dass die BMW Group weltweite Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus mehr als 110 Nationen beschäftigt. Genaue Daten zur Beschäftigungssituation in München und Bayern wurden allerdings nicht genannt.
Bayerns Dehoga-Chef: "Ohne Ausländer als Gäste, Kollegen und Mitarbeitende könnten wir überhaupt nicht existieren"
Vor allem in der Gastrobranche wäre ein Aufrechterhalten des Betriebs ohne ausländische Mitarbeiter kaum denkbar, wie auch Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststätten Verband Dehoga Bayern, der AZ bestätigt.
"Das Gastgewerbe ist die wohl internationalste Branche überhaupt und ohne Ausländer als Gäste, Kollegen und Mitarbeitende könnten wir überhaupt nicht existieren. Es hat den höchsten Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit ausländischer Staatsangehörigkeit und leistet damit einen ganz wertvollen Beitrag für die Einbeziehung und Teilhabe von Menschen aus aller Welt. Wir sind die Branche der Chancen und Integration", so Geppert

Augustiner-Wirt: "Ein Weiterbetrieb wäre nicht oder nur völlig reduziert möglich"
Wie wichtig ausländische Mitarbeiter vor allem in der Gastronomie-Szene sind, zeigt sich unter anderem am Beispiel des Augustiner am Platzl. Von den 64 Mitarbeitern, die dort in den Bereichen Küche, Service und Schänke tätig sind, besitzen 41 eine ausländische Staatsbürgerschaft.

Und ohne die würde im Augustiner am Platzl nichts mehr gehen. "Nein, ein Weiterbetrieb wäre nicht oder nur völlig reduziert möglich. Das wäre eine Katastrophe", so Wirt Oliver Wendel zur AZ. Zwar hatte auch Wendel in der jüngeren Vergangenheit mit den Personalproblemen der Gastrobranche zu kämpfen, doch die Situation scheint sich langsam wieder zu verbessern. "Die Anzahl und die Qualität der Bewerbungen für das Augustiner am Platzl hat sich erhöht und verbessert. Unsere guten Rahmenbedingungen werden geschätzt und wahrgenommen", so Wendel.
Motel One beschäftigt Mitarbeiter aus 116 Nationen
Auch in der Hotelbranche wäre der Kampf gegen den Fachkräftemangel ohne ausländische Arbeitskräfte ein aussichtsloses Unterfangen. "Bei Motel One beschäftigen wir Mitarbeiter aus 116 Nationen und sind sehr engagiert, dem Fachkräftemangel in der Hotellerie entgegenzuwirken. Wir sind stolz auf unsere offene Unternehmenskultur und die Entwicklung unserer Mitarbeitenden, die wir bei ihnen auch durch unsere vielzähligen Weiterbildungsmöglichkeiten beobachten können", so Kerstin Winkelmann, Head of HR bei Motel One zur AZ.
Stadtwerke München müssten Busbetrieb ohne ausländische Fahrer einstellen
Auch bei den Stadtwerken München (SWM) geht es international zu. Von den rund 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten kommen etwa 1800 Menschen, die keinen deutschen Pass haben und aus fast 90 verschiedenen Ländern kommen. Vor allem in den städtischen Bädern und im Fahrdienst sind ausländische Mitarbeiter tätig. Gerade im Bereich Mobilität wird sich die Anzahl künftig erhöhen, da die SWM auch im Ausland gezielt Fahrer/innen anwirbt.
Nicht verwunderlich also, dass bei einem plötzlichen Wegfall aller ausländischen Mitarbeiter die SWM vor einem großen Problem stehen würden. "Der Betrieb wäre, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt möglich. Nur ein Beispiel: Im Busbetriebshof Moosach arbeiten 564 Kolleg*innen. Davon haben 316 Kolleg*innen keinen deutschen Pass. Würden die Kolleg*innen alle fehlen, müsste der Betrieb eingestellt werden", so SWM-Pressesprecherin Bettina Hess zur AZ.
Ähnlich wie beim Mobilitätsbereich der Stadtwerke sieht es auch in der städtischen Taxibranche aus. Dort liegt der Anteil von Fahrern und Unternehmern mit Migrationshintergrund bei rund 95 Prozent, so Florian Bachmann vom Taxiverband München. Ohne Ausländer käme die Münchner Taxibranche also völlig zum Erliegen.
Altenpflege: Ohne ausländische Mitarbeiter müssten ganze Wohnbereiche schließen
Ein solches Schicksal würde auch der Münchner Pflegebranche drohen. Im Trägerbereich des Diözesan-Caritasverbands besitzen 27,5 Prozent einen ausländischen Pass, wie Marion Müller-Ranetsberger, Pressereferentin Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, gegenüber der AZ.
Eingesetzt werden die ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen der Sozialen Arbeit: Kindertageseinrichtungen, Angebote für Menschen mit Behinderung, Soziale Beratung, Flüchtlingshilfe und. vieles mehr. "Im Bereich der stationären Altenhilfe gestalten sich die Zahlen anders. Dort hat die Hälfte der Beschäftigten einen ausländischen Pass", so Müller-Ranetsberger.
Man kann sich also ausmalen, welche drastischen Folgen eine "Remigration" ausländischer Arbeitnehmer bei der Caritas hätte. "Hier müssen wir nach Bereichen differenzieren. Im Bereich der stationären Altenhilfe (Altenheime) müssten wir ganze Wohnbereiche schließen. Nähmen wir die Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund dazu, müssten wir womöglich ganze Altenheime schließen. Im Caritas-Altenheim in Gauting haben zum Beispiel 95 Prozent der Mitarbeitenden einen ausländischen Pass und/oder Migrationshintergrund."
Auch wenn das Ganze nur ein Gedankenspiel ist, beweisen Zahlen, Fakten und Zitate ganz deutlich, dass, wenn sich die AfD mit ihren Plänen durchsetzen würde, die deutsche, bayerische und Münchner Wirtschaft vor nie dagewesenen Problemen stünde.

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