Bündnis Zukunft über TSV 1860: "Unsägliche Art des Umgangs ist Ursünde der Erfolglosigkeit"
AZ: Kommen wir zu ihren Widersachern, Löwen-Präsident Robert Reisinger und der amtierende Verwaltungsrat. Wie ist die Gemengelage?
GRÄFER: Wir von BZ1860 sind kein Teil eines Lagers und ganz sicher sehe ich weder Herrn Reisinger noch den amtierenden Verwaltungsrat als unsere Gegner. Wir haben unterschiedliche Meinungen, vertreten aber jeweils die Interessen des Vereins. Wir haben nie überlegt: Gegen wen können wir arbeiten? Wir haben alle dasselbe Ziel: das Wohlergehen von Sechzig. Aber Sechzig steckt im Profifußball seit sieben Jahren in einer Sackgasse. Die Gesellschafter müssen nicht immer einer Meinung sein, aber es ist auf längere Sicht das Ende jeder Firma, wenn sich zwei Gesellschafter bekämpfen.
Gräfer: Stagnation beim TSV 1860? "Auch auf der e.V.-Seite sind Dinge liegengeblieben"
Die Vereinsführung weist eine Stagnation allerdings weit von sich und wirbt etwa mit den gestiegenen Mitgliederzahlen.
GRÄFER: Wir haben mit einigen Abteilungsleitern der verschiedenen Sportarten des Vereins gesprochen und die Rückmeldung bekommen: Nicht nur in der KGaA herrscht Stagnation, auch auf der e.V.-Seite sind Dinge liegengeblieben. Für die größten Themen gibt es aktuell keine Lösungen: Das Gesellschafterverhältnis ist blockiert. Die Stadionfrage ist nicht gelöst. Für die dringend benötigte Turnhalle geht es nicht voran. Die wirtschaftliche Situation der KGaA ist schwierig. Die Idee, sich in der 3. Liga wirtschaftlich zu erholen, wird nicht funktionieren. Nächste Saison sind wir der Dino der Liga, das ist kein Aushängeschild.
Ihre Ideen und Ihre Personen haben Sie kürzlich auf einer Wahlveranstaltung von Pro1860 präsentiert. Haben Sie dieses Event als fair empfunden?
LUTZ: Ich war erstaunt, wie wenig Leute da waren (etwa 150, d. Red.). Der Austausch war tatsächlich fair und konstruktiv. Was ich im Nachhinein kritisiere: Es haben Kandidaten mittels der Fragen aus dem Publikum andere Kandidaten angesprochen. Wenn wir das im Vorfeld gewusst hätten, hätten wir auch Fragen stellen können – zum Beispiel: Welche Pläne hattet ihr und was ist dabei rausgekommen?
GRÄFER: Ich fand die Veranstaltung in Ordnung, das Losverfahren fand ich super. Schwierig fand ich, dass Nicolai Walch seine Redezeit nur genutzt hat für einen Angriff gegen uns und er hat reklamiert, dass wir nicht miteinander gesprochen hätten. Das haben wir aufgenommen, um zu einem gemeinsamen und öffentlichen Talk einzuladen.
Laut 1860-Präsident Reisinger im Gremium geirrt? Lutz: "Das ist Polemik"
...das der Verwaltungsrat dankend abgelehnt hat. Wie bewerten Sie die Absage?
GRÄFER: Ich finde es sehr schade, dass den Mitgliedern und Fans die Chance genommen wird, den Verwaltungsrat und uns diskutieren zu sehen. Unsere Veranstaltung sollte dazu dienen, Themen transparent und respektvoll zu diskutieren. Was sind die konkreten Pläne der aktuellen Verwaltungsräte für die Zukunft? Es wäre schon spannend, das mal zu hören.
LUTZ: Die Art und Weise der Absage spiegelt die aktuellen Probleme und das zerrüttete Verhältnis innerhalb des Vereins wider. Gut gemeinte Absichten werden negativ ausgelegt und eine transparente Form des Dialogs und der Diskussion von vornherein blockiert. Diese unsägliche Art des Umgangs ist die Ursünde der heutigen Erfolglosigkeit.
Von Präsident Robert Reisinger mussten Sie beide den Vorwurf einstecken, Sie hätten sich im Gremium geirrt – und wären in einem Wirtschaftsbeirat besser aufgehoben.
LUTZ: Den gibt es ja nicht, insofern ist das Polemik. Die beiden entscheidenden Gremien sind das Präsidium und der Verwaltungsrat. Ganz egal, wie hoch die Anteile der Gesellschafter sind: Der Verein hat mit 50+1 das Sagen. Man braucht einen Präsidenten, der präsidial ist und nach außen strahlt, dazu einen Verwaltungsrat, der ein konstruktives Miteinander absichert. Darum sind wir dort genau richtig.
GRÄFER: Wir wollen Verantwortung im Verein übernehmen, um mit starker Stimme sprechen zu können.
"Dass aus uns ein Feindbild aufgebaut wird, dafür fehlt mir jedes Verständnis"
Stichwort starke Stimme: Wie konnte dem IHK-Präsidenten und ehemaligem Baywa-Chef denn passieren, die Fans als „Idioten und Abschaum“ zu titulieren?
LUTZ: Das war deplatziert, keine Frage. Deshalb habe ich mich auch umgehend entschuldigt. Ich habe übrigens nicht die Fans, sondern einzelne Personen gemeint, die in Kauf genommen haben, dass durch blockierte Notausgänge Unglücke geschehen. Dafür fehlt mir immer noch jegliches Verständnis.
Seitens manches Fan-Blogs werden Sie auch darüber hinaus fortlaufend kritisiert und in die Nähe zu Ismaik gerückt. Was sagen Sie dazu?
GRÄFER: Das ist Quatsch und wohl dem Wahlkampf geschuldet. Den Frust im Präsidium oder im Verwaltungsrat kann ich gut nachvollziehen, wegen dieser ganzen langjährigen Negativerlebnisse. Aber dass aus uns, die wir Sechzig voranbringen wollen, ein Feindbild aufgebaut wird, dafür fehlt mir jedes Verständnis.
"Wenn man kein Amt innehat, ist man ein zahnloser Löwe"
Der "Showdown" am 16. Juni kommt unaufhaltsam näher. Was, wenn das Bündnis den neuen Verwaltungsrat dominiert – und was, wenn es wie das Team Profifußball scheitert?
GRÄFER: Wir wollen mit unseren Ideen etwas verändern. Wenn wir nicht gewählt werden, kann das Bündnis im Sinne einer Denkfabrik fortbestehen. Wir wollen auch die vermeintliche Gegenseite abholen und mit unseren Ideen überzeugen.
LUTZ: Wenn man kein Amt innehat, ist man ein zahnloser Tiger – Pardon, Löwe. Nur in den Gremien können wir mitgestalten.
GRÄFER: Für mich ist der 17.6. fast der wichtigere Tag. Es ist Tag eins nach der Wahl. Der erste Tag, an dem man anfängt, die Gräben zuzuschütten und überlegt: Wie können wir gemeinsam für Sechzig durchstarten?
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