Hat Julian Nagelsmann aus seinen Fehlern beim FC Bayern gelernt?
Philadelphia - Endlich herrscht wieder Aufbruchstimmung beim DFB – zumindest ein bisserl. Das erste Länderspiel unter dem neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann gegen die USA wurde mit 3:1, wobei die deutsche Mannschaft insbesondere in der zweiten Halbzeit eine ansehnliche und spielfreudige Leistung zeigte.
Nagelsmann kommt an, egal ob bei Spielern oder Fans. Der 36-Jährige hat bereits kurz nach seiner Amtsübernahme frischen Wind in den zuletzt so angestaubten DFB gebracht, dessen Vorzeigeprodukt – die A-Nationalmannschaft – in den vergangenen Jahren zum Sorgenkind verkommen war.
Sein bitteres Aus beim FC Bayern scheint Nagelsmann längst verdaut zu haben. Zuletzt erzählte er erstmals, wie er die Zeit beim Rekordmeister reflektiert hat und gab sich durchaus selbstkritisch. "Ich habe ein paar Fehler gemacht, die ich so nicht nochmal machen würde", sagte der Bundestrainer: "Es sind Dinge die mich betreffen und die ich auch für mich analysiert habe."
Um welche Versäumnisse es sich dabei genau handelt, erzählte Nagelsmann nicht. Die AZ blickt zurück auf seine Zeit in München und erklärt, welche Fehler er sich als Bundestrainer sparen sollte:
Auffällige Outfits, Harley und Porsche als "Dienstwagen": Julian Nagelsmann als Selbstdarsteller
Ob gewollt oder nicht: Nagelsmann stand bei den Bayern mehr im Mittelpunkt als so mancher Spieler. Schon zu Beginn seiner Amtszeit sorgte er für außergewöhnliche Bilder, als er mit einem Longboard zum Training brauste. Später erschien er wahlweise lässig auf der Harley oder oder im Porsche-Oldtimer zur Arbeit.
Großes Diskussionsthema im Umfeld der Säbener Straße war außerdem seine Kleiderwahl, die für einen Bayern-Trainer bisweilen etwas extravagant erschien. Mit dieser sorgte er zuletzt auch bei seinem Bundestrainer-Debüt für Aufsehen, als er in kariertem Holzfäller-Hemd an der Seitenlinie stand. Nachdem auch dieses für mediale Aufmerksamkeit sorgte, entschied er sich dazu, das Hemd für den guten Zweck zu versteigern.
Klar ist: Als Bundestrainer muss Nagelsmann seriös auftreten und den Fußball voll in den Mittelpunkt stellen. Das Longboard bleibt ohnehin im Schrank, das hat er bereits klargestellt. Auch seine Kleiderwahl will er laut eigener Aussage überdenken. Sicher auch ein Lerneffekt aus seiner Bayern-Zeit.
Er musste sich sogar bei der Feuerwehr entschuldigen: Nagelsmann hat sich zu oft verplappert
Für die Medien ist Nagelsmann ein Geschenk. Der gebürtige Landsberger ist eloquent, ehrlich und immer für einen flotten Spruch zu haben. Zu seiner Bayern-Zeit hat ihm seine offene Art aber immer wieder Probleme eingebracht. "Wir sind hier nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr Giesing Süd, sondern beim FC Bayern", scherzte er etwa, als er nach einer gewonnenen Meisterschaft gefragt wurde, ob seine Mannschaft weiterhin professionell auftreten werde.
Bei den Ehrenamtlern kam der Spruch allerdings nicht gut an. Sie fühlten sich beleidigt – und Nagelsmann musste auf der Wache vorbeischauen, um sich zu entschuldigen. Auch sonst trat der heutige Bundestrainer immer wieder mit unbedachten Äußerungen ins Fettnäpfchen und musste später zurückrudern. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass er von der damaligen Führungsriege um Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic in Sachen Außendarstellung häufig allein gelassen wurde.
Dennoch: Als Trainer der Nationalmannschaft sollte er genau aufpassen, wie er sich öffentlich äußert. Das Amt des Bundestrainers ist das höchste im deutschen Fußball – dem wird er auch kommunikativ gerecht werden müssen.
Nagelsmanns Beziehung zu einer "Bild"-Reporterin, die über den FC Bayern berichtet hat
Öffentlich hat sich bei den Bayern nie jemand dazu geäußert, dennoch ist es ein offenes Geheimnis: Die Beziehung von Nagelsmann zu Lena Wurzenberger, einer Reporterin der "Bild"-Zeitung, die bis zum Bekanntwerden der Liaison über den Rekordmeister berichtet hat, kam bei Spielern und Verantwortlichen überhaupt nicht gut an.
Es gibt bis heute keinerlei Beweise oder auch nur Anhaltspunkte dafür, dass über die beiden tatsächlich Interna aus der Kabine an die "Bild" gelangten. Ein fader Beigeschmack blieb aber trotzdem. Die Beziehung hat Nagelsmanns Status bei den Bayern jedenfalls nicht gestärkt und war einer von mehreren Gründen, weshalb er im April plötzlich freigestellt wurde.
Julian Nagelsmann und seine Lieblinge in der Mannschaft des FC Bayern
Von offizieller Seite wurde Nagelsmanns Entlassung bei den Bayern auch damit begründet, dass er einige Führungsspieler nicht mehr auf seiner Seite hatte. Sein Verhältnis zu Kapitän Manuel Neuer war spätestens nach dem Rausschmiss von Toni Tapalovic schwer belastet, auch zu Thomas Müller und Robert Lewandowski hatte er seinerzeit keine allzu enge Beziehung. Eine schwierige Konstellation – schließlich handelte es sich dabei um seine drei Kapitäne.
Andererseits hatte Nagelsmann zu seiner Bayern-Zeit auch einige Spieler, zu denen er ein sehr enges Verhältnis pflegte. Dies galt insbesondere für Joshua Kimmich, seinen verlängerten Arm auf dem Platz. 2021 stattete der Mittelfeldspieler seinem Coach im Weihnachtsurlaub sogar einen Kurzbesuch ab, was innerhalb der Mannschaft äußerst kritisch gesehen wurde.
Als Bundestrainer wird es für Nagelsmann wichtig sein, die Spieler hinter sich zu bringen, um so für ein homogenes Kollektiv. Bei der Nationalmannschaft wird er ebenfalls wieder auf Kimmich, Müller und irgendwann auch Neuer treffen. Letzteren hat er jüngst als DFB-Kapitän entmachtet. Eine Entscheidung mit Zündstoff...