Ästhetik, Wille, Leidenschaft: Nagelsmann-Probe beim DFB geglückt
Hartford - Es war nasskalt im Pratt & Whitney Stadium von Hartford, der Wind pfiff bei zehn Grad durch die Katakomben. Und der Privatjet nach Philadelphia wartete schon am Flughafen. Doch Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) und seine Spieler nahmen sich nach dem erfolgreichen Debüt des Bundestrainers viel Zeit, es wurde abgeklatscht, umarmt und gelacht.
Ein bisschen Erleichterung war dem DFB-Tross schon anzumerken, dass dieses Projekt mit einem verdienten 3:1 gegen die USA gestartet wurde. Die Richtung unter dem neuen Coach, sie scheint zu stimmen.
DFB-Team: Positive Stimmung unter Nagelsmann gilt es zu erhalten
"Das macht Lust auf mehr!", sagte Sportdirektor Rudi Völler (63): "Es war wichtig, das erste Spiel unter Julian Nagelsmann zu gewinnen." Und wie. Um die positive Stimmung, die Interimscoach Völler selbst mit dem 2:1-Erfolg gegen Frankreich im September nach tristen Tagen unter Hansi Flick (58) geschaffen hatte, zu erhalten. Und um den Glauben an Nagelsmanns Fußball-Idee innerhalb der Mannschaft weiter zu stärken.
"Wichtig war, dass wir eine gewisse Ästhetik im Spiel haben", sagte Nagelsmann, der seine Premiere in einem blau-weiß-braunen Flanellhemd erlebte und die Spieler immer wieder an die Seitenlinie holte, um ihnen Anweisungen zu geben. Es habe "gut ausgesehen", ergänzte der Coach: "Wir haben ordentlichen und leidenschaftlichen Fußball gespielt. Die Basis ist für mich, dass die Spieler Spaß haben. Die Nationalmannschaft ist kein Alltag, sondern Passion und Leidenschaft. Die will ich sehen - und das war gut."
Vierkette um Hummels in der ersten Hälfte teilweise überrannt
Auch wenn gegen ein konterstarkes US-Team, das von Christian Pulisic (25) per Traumtor in den Winkel in Führung gebracht wurde (28. Minute), längst noch nicht alles perfekt klappte. Das hohe Pressing, das sich Nagelsmann wünscht, lief ein ums andere Mal ins Leere, sodass sich große Räume für die USA boten. Die Viererkette um Rückkehrer Mats Hummels (34) wurde teilweise überrannt.
"Die anderen Jungs sind ja halbwegs schnell", sagte Hummels schmunzelnd zu möglichen Geschwindigkeitsdefiziten in der Abwehr. "Es hat zwei, drei Mal gebrannt im Sechzehner, aber da sind nicht so viele Großchancen daraus entstanden."
Dennoch: Hier hat die DFB-Elf Verbesserungsbedarf, gerade wenn es gegen stärkere Gegner geht. In der zweiten Halbzeit, als die Mannschaft etwas tiefer stand, kam die USA kaum noch in den Strafraum.
DFB-Team blieb ruhig und ist nicht zusammengebrochen
"Am meisten gefallen hat mir, dass wir ruhig geblieben und nicht hektisch geworden oder zusammengebrochen sind", sagte Nagelsmann: "Wir hatten insgesamt viel Mut, viele fußballerisch gute Aktionen und in der zweiten Halbzeit auch mehr Geduld und Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte."
Lob gab es auch von Chefkitiker Lothar matthäus. "Es war wirklich viel Spielfluss, viel Freude, eine Kompaktheit vorhanden - so macht Fußballspielen Spaß", sagte der deutsche Rekord-Nationalspieler und TV-Experte bei RTL nach der Partie:" Die Mannschaft funktioniert, die Mannschaft ist gewillt, es ist Spielfreude da."
Auch ohne Kimmich: Im Zentrum strahlte das DFB-Team Dominanz aus
Der überragende Kapitän Ilkay Gündogan (32) traf noch vor der Pause zum Ausgleich (39.), Niclas Füllkrug (32) sorgte mit seinem achten Tor im zehnten Länderspiel für das 2:1 (58.), Bayerns Jamal Musiala (20) besorgte den Endstand (61.).
Speziell im Zentrum und im Angriffsspiel war schon einiges davon zu erkennen, was sich Nagelsmann wünscht. Auch in Abwesenheit von Joshua Kimmich (28), der wegen eines grippalen Infekts vorzeitig zurück nach München reiste, strahlte das Team Dominanz aus - dank Gündogan und dank Pascal Groß (32), der Kimmich exzellent vertrat.
So konnte Nagelsmann Hartford mit einem sehr guten Gefühl verlassen - auch deshalb, weil seine Spieler unisono von den ersten Tagen mit dem Bundestrainer schwärmten. Besonders Torschütze Füllkrug. Nagelsmann habe eine "natürliche Autorität und keine künstliche", sagte der Dortmund-Stürmer: "Er kann alles hinterlegen, seine Aussagen und was er sich von uns wünscht. Er hinterlegt es immer mit Erklärungen und Lösungen."
Das sei, so Füllkrug, "für einen Fußballer wichtig. Es schindet sofort Eindruck, wenn du als Spieler merkst: Das klappt!"
Zweiter Test gegen Mexiko: Nagelsmann gönnt DFB-Team keine Pause
Am Dienstag (21 Uhr Ortszeit) geht es für das deutsche Team nun in Philadelphia im zweiten Test gegen Mexiko, auf allzu viel Belohnung nach dem Premierensieg sollten sich die Stars besser nicht einstellen. "Einen halben Tag frei geben werde ich ihnen nicht, vielleicht mal ein Stündchen", sagte Nagelsmann: "Wir sind ja nicht zum La-Paloma-Pfeifen hier."
Sondern zur Vorbereitung auf die Heim-EM, die hoffentlich zum erneuten Sommermärchen wird.