Absurd, tragisch, dramatisch: Das "Drama dahoam" des FC Bayern
München - Louis van Gaal, der Revolutionär des Bayern-Spiels, von dem man noch heute in München profitiert, scheiterte im Frühjahr 2011 an sich und seiner Hybris. Der Dauerzoff mit Manager Uli Hoeneß und das Aus im Champions-League-Achtelfinale gegen Inter Mailand waren zu viel für den exzentrischen Niederländer.
Bayern blieb titellos, die Trophäen gingen in den Pott: Die Schale an Borussia Dortmund, der DFB-Pokal an Schalke 04. Dass die darauffolgende Saison noch dramatischer und ebenso titellos enden würde, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand erahnen. Dass Hoeneß das Champions-League-Finale 2012 im eigenen Stadion ("Da müssen wir dabei sein!") als größtes aller Ziele ausrief, erhöhte den Druck nur noch.
Manuel Neuer mit schwierigem Einstand beim FC Bayern
Vorgeschichte/Ausgangslage: Weil in Jupp Heynckes ein guter, alter Bekannter mit Bayer Leverkusen überraschend die Vize-Meisterschaft gewinnt, holt ihn Manager und Freund Uli Hoeneß ein drittes Mal (1987 bis Herbst 1991 plus der Retter-Einsatz im Frühjahr 2009) zum FC Bayern.
Heynckes ist 66 Jahre alt – und will es wissen. Ohne Miroslav Klose (ablösefrei zu Lazio Rom), dafür mit David Alaba (zurück von der Leihe nach Hoffenheim), Jérôme Boateng, der von Manchester City verpflichtet wird, und der neuen Nummer eins Manuel Neuer vom FC Schalke. Über 50 Millionen Euro lässt Bayern für die Mission Jupp, die Dritte, springen. Die Vorbereitung wird von den Animositäten einiger Bayern-Fans gegenüber dem Schalker Jungen Neuer geprägt. Mit "Koan Neuer!"-Plakaten wird Stimmung gemacht gegen den Torhüter, der jedoch seine Kritiker durch Leistung recht bald mundtot macht.
Nach Anlaufschwierigkeiten kommt der FC Bayern ins Rollen
Saisonverlauf/Titel-Ausbeute: Im Auftaktspiel gegen Mönchengladbach patzt ausgerechnet der so umstrittene Neuzugang Neuer, nach einem Missverständnis mit Boateng – 0:1. Die Reaktion darauf? Siege, Siege, Siege in allen Wettbewerben – oft zu null. In der Champions League, für die man sich erst in den Playoffs gegen den FC Zürich qualifizieren musste, brilliert Bayern in der sogenannten Todesgruppe mit vier Siegen in den Spielen gegen Manchester City, den SSC Neapel und den FC Villarreal.
Kurz vor Weihnachten sicherte man sich die 17. Herbstmeisterschaft mit drei Punkten vor Titelverteidiger BVB – und das trotz der zwischenzeitlichen 0:1-Heimniederlage gegen die Klopp-Truppe im November. Durch einen Erfolg im Elfmeterschießen in Gladbach erreicht Bayern das Pokalfinale, siegt sich in den K.o.-Runden der Königsklasse über den FC Basel (nach 0:1 in der Schweiz mit einem 7:0 im Rückspiel!) und Olympique Marseille (2:0/2:0) ins Halbfinale.
Neuer und Schweinsteiger ebnen den Weg ins "Finale dahoam"
Doch die Schlüsselspiele der Saison standen noch aus: Im April verliert man erstmals dramatisch, mit 0:1 bei Titelrivale BVB, dem Tabellenführer. Arjen Robben hat in den Schlussminuten zwei dicke Chancen zum Ausgleich, eine davon per Elfmeter: verschossen. Nach diesem Duell mit Endspiel-Charakter ist der erste Titel futsch.
Besser machen es die Münchner vom Punkt zwei Wochen später im Halbfinal-Rückspiel der Champions League in Madrid. Gegen Real kommt es zum Showdown um das Finalticket von München. Neuer hält, Schweinsteiger verwandelt als letzter – fertig ist der erstmalige Einzug eines Gastgebers ins Endspiel, ins "Finale dahoam". In der Liga trudelt man mit acht (!) Punkten Rückstand auf Meister BVB als Zweiter ins Ziel, bereitet sich auf die beiden Cup-Finals vor.
Als Robert Lewandowski dem FC Bayern drei Stück einschenkte
Endspiel Nummer eins gerät zum Schock, weil der BVB mit Stürmer Robert Lewandowski, der drei Treffer erzielt, die Bayern in Berlin mit 5:2 zerlegt und das Double gewinnt.

Um die Saison zu retten, muss eine Woche später Überraschungsgegner FC Chelsea besiegt werden. "Das war das überlegendst geführte Spiel, das wir je verloren haben", sagt Co-Trainer Hermann Gerland der AZ im Rückblick, "wenn wir dieses Spiel gegen Chelsea 100 Mal spielen würden, würden wir 95 Mal als Sieger vom Platz gehen."
Nach dem "Drama dahoam" macht der FC Bayern (fast) alles richtig
Bayern verliert im Elfmeterschießen – absurd, tragisch, dramatisch Schweinsteiger setzt den letzten Elfmeter an den Pfosten. Das "Drama dahoam" ist perfekt.

Lehren/Konsequenzen: Ein Kopf muss rollen, aber nicht der von Heynckes, der nach dem Vize-Triple bleiben darf und sich strafft. Der emsige, aber farblose Sportdirektor Christian Nerlinger wird entlassen, als Nachfolger mit Matthias Sammer, zuvor DFB-Sportdirektor, ein neuer, starker Mann installiert.
Für die damalige Rekordablösesumme von 40 Millionen Euro wird Javi Martínez als Abräumer vor der Abwehr verpflichtet – ein Glücksgriff als wäre der Baske das letzte, fehlende Puzzleteil. Ein Jahr später gewinnen Heynckes und die Bayern das legendäre Triple 2013, erstmals in der Vereinsgeschichte – alles richtig gemacht.