Krisenjahre des FC Bayern: Durchrutscher und Depressionen – als die große Hitzfeld-Ära titellos endete
München - Mit 16 Punkten Vorsprung vor dem VfB Stuttgart sichert sich der FC Bayern den Meistertitel der Saison 2002/03, der Pokalsieg kommt on top. In das nachfolgende Jahr, das sechste der Ära Ottmar Hitzfeld gehen die Bayern mit einem spektakulären Mittelstürmer-Tausch. Publikumsliebling Giovane Elber wechselt nach sechs Jahren an der Isar an die Saône und die Rhône, sprich zu Olympique Lyon. Dabei macht der Brasilianer im August noch vier Spiele, erzielt ein Tor.
FC Bayern in der Saison 2002/03: Lahm und Schweinsteiger debütieren
Doch die Tür zum Abgang ist mit dem knapp 20 Millionen Euro teuren Transfer des niederländischen Torjägers Roy Makaay von Deportivo La Coruña sperrangelweit offen. Zähneknirschend, da Lyon nicht die erste Adresse im europäischen Fußball darstellt, geht der 31-jährige und damit drei Jahre ältere Elber. Sein Verkauf bringt lediglich 4,2 Millionen Euro ein.
Vorgeschichte/Ausgangslage: Freiwillig wechselt ein gewisser Philipp Lahm, damals 19 Jahre jung, als Leihspieler an den Neckar zum VfB Stuttgart – zur Ausbildung quasi.
Der Oberaudorfer Bastian Schweinsteiger, der gemeinsam mit dem gebürtigen Münchner Lahm aus dem Stadtteil Gern im November 2002 sein erstes Pflichtspiel bestreitet, bleibt und wird im letzten Jahr unter Hitzfeld mit 26 Liga-Einsätzen (vier Tore) Stammspieler. Sofortige und spätere Eskapaden inklusive. Er hält Haarbändchen in die Kameras, lackiert sich die Fingernägel schwarz und führt eine Cousine generös durch den Wellnessbereich des Leistungszentrums.
Von River Plate aus Buenos Aires kommt Innenverteidiger Martín Demichelis für fünf Millionen Euro Ablöse, wird jedoch erst ein Jahr darauf Stammspieler.
Löchrige Defensive: Für den FC Bayern reicht es nicht zum Titel
Saisonverlauf/Titel-Ausbeute: Wie schon in den Sommern 2001 und 2002 erreicht man wieder nicht das Finale des Ligapokals, diesmal ist im Halbfinale der Hamburger SV nach Elfmeterschießen Endstation. Auf die misslungene Saison-Ouvertüre folgen konstante, aber glanzlose Leistungen in allen drei Wettbewerben und nur eine Niederlage (2:3 in Wolfsburg) bis Anfang November. In der holprigen Champions-League-Vorrunde mit nur zwei Siegen und drei Remis setzt es zu Hause gegen Lyon ein 1:2 – natürlich erzielt Elber, der Olympiastadion-Rückkehrer, das Siegtor für die Franzosen.
Man überwintert in beiden Cup-Bewerben, ist in der Liga nach der Hinrunde Zweiter, vier Punkte hinter Werder Bremen. Zu Rang eins und damit der Meisterschaft reicht es im Verlauf vor allem deshalb nicht, weil die Defensive 39 statt in der Vorsaison 25 Gegentore kassiert.
Nur ein schwacher Trost: Als Zweiter ist man direkt für die Champions League qualifiziert. Die Knockouts im DFB-Pokal (1:2 im Viertelfinale bei Zweitligist Alemannia Aachen) und in der Königsklasse (1:1 und 0:1 im Achtelfinale gegen Real Madrid) schmerzen viel mehr.
Vor allem Torhüter Oliver Kahn, der im Hinspiel in München einen Freistoß von Roberto Carlos in der 93. Minute zum Ausgleich durchrutschen lässt. Trotzig kündigte er an: "Dann muss ich eben das Rückspiel ganz alleine gewinnen." Gelingt nicht. Im Bernabéu trifft Zinedine Zidane zum 1:0 für die Königlichen.

Die Ära Hitzfeld beim FC Bayern endet ohne Titel
Am schlimmsten abseits aller Ergebnisse: Das unvollendete Mega-Talent Sebastian Deisler lässt sich ab November 2003 wegen Depressionen in einer Münchner Spezialklinik behandeln.

Lehren/Konsequenzen: Trotz der 31 Makaay-Treffer in allen Wettbewerben (23 in der Liga) endet die Saison titellos - und damit auch die Ära Hitzfeld. Der Knackpunkt war das 1:3 gegen den neuen Meister Bremen am 32. Spieltag im Olympiastadion. "Das Spiel hat die Welt verändert. Da ist mir klar geworden, dass wir nicht noch ein Jahr durchstehen mit Hitzfeld. Es geht nicht", sagte Hoeneß.
Der Vertrag von Hitzfeld, noch bis 2005 gültig, wird aufgelöst. Als Nachfolger kommt Felix Magath im Sommer der EM 2004 (die deutsche Nationalelf scheidet in Portugal in der Vorrunde aus) vom VfB Stuttgart an die Isar.
Man erhofft sich, dass mit "Quälix" wieder mehr Disziplin, Zucht und Ordnung in die Kabine einkehrt. Der Plan geht auf: 2005 feiert Bayern wieder das Double.