Heynckes' Versprechen, Aumanns Patzer: Stefan Effenberg kommt mitten in der Krise zum FC Bayern
München - Mit sechs Punkten Vorsprung gegenüber dem 1. FC Köln und dessen Trainer(-lautsprecher) Christoph Daum wird der FC Bayern 1990 erneut Meister. Für Trainer Jupp Heynckes, der 1987 als Nachfolger von Udo Lattek aus Mönchengladbach nach München kam, ist es die zweite Schale.
"Meine wichtigste, weil erste Meisterschaft", betont Heynckes, weil der gebürtige Mönchengladbacher es so empfindet: "Ein Trainer ohne Titel ist wie ein König ohne Krone." Würde Heynckes der Titel-Hattrick gelingen? Und sogar mehr? Auf der Meisterfeier im Rathaus ruft er im Mai den Fans auf dem Marienplatz vollmundig zu: "Ich verspreche Euch hiermit, dass wir nächstes Jahr den Europapokal holen!" Nun ja – erstens kommt es anders...
Sechs FC-Bayern-Profis kommen mit WM-Titel aus der Sommerpause zurück
Vorgeschichte/Ausgangslage: Gleich sechs Bayern-Profis kommen vom "Estate italiana", aus dem italienischen Sommer, mit dem WM-Titel zurück. Die DFB-Stammspieler Klaus Augenthaler, Jürgen Kohler (ab dem Achtelfinale), dazu die Ergänzungsspieler Stefan Reuter, Olaf Thon, Hans Pflügler und Raimond Aumann, der zweite Ersatztorhüter.
"Wir sind praktisch von der Meisterfeier direkt zur WM-Vorbereitung nach Malente los", erinnert sich Libero Augenthaler, "aber als souveräner Meister." Fluch oder Segen für die kommende Saison mit den Bayern?
Mit dem extrovertierten, erst 21-jährigen Stefan Effenberg wechselt ein Hoffnungsträger des deutschen Fußballs von Gladbach zu den Bayern. Dazu kommen Teenie-Star Michael Sternkopf (20) vom Karlsruher SC und der dänische Flügelstürmer Brian Laudrup (21) von Bayer Uerdingen.
Laut Präsident Fritz Scherer verfügt Bayern nun über "den jüngsten und wohl erfolgversprechendsten Lizenzspielerkader der Vereinsgeschichte". Abgegeben werden die Ur-Bayern Wiggerl Kögl und Hans Dorfner, dazu ein gewisser Hansi Flick.
Der FC Bayern wird zur nationalen Lachnummer
Saisonverlauf/Titel-Ausbeute: Auf den Gewinn des Supercups (4:1 gegen Pokalsieger Kaiserslautern) folgt die erste große Blamage: Am 4. August verlieren Effenberg & die Weltmeister in der ersten Pokalrunde mit 0:1 beim nordbadischen Amateur-Oberligisten FV 09 Weinheim, dabei fliegt Thomas Strunz mit Roter Karte vom Platz – Bayern wird zur nationalen Lachnummer.
In die Winterpause geht man als Tabellenzweiter hinter Werder Bremen, aber vor den Lauterern. Doch was wird aus dem Europapokal-Versprechen von Heynckes? APOEL Nikosia, ZSKA Sofia und der FC Porto erweisen sich nicht als Stolpersteine, im Halbfinale geht es gegen Roter Stern Belgrad.

Das Hinspiel im Olympiastadion verliert man mit 1:2, im Rückspiel zwei Wochen später im "Maracana" von Belgrad steht es kurz vor Ende durch die Treffer von Augenthaler und Manni Bender 2:1 für die Gäste.
"Da passiert mir dieses dicke Ding", erinnert sich Torhüter Aumann, "mein Fehler hat uns das Finale gekostet." Nach einem Flatterball von Augenthaler lenkt Aumann die Kugel nicht über die Latte, sondern ins eigene Netz – 2:2. Feierabend.
Meisterkampf zwischen Kaiserslautern und dem FC Bayern: Eine derbe Enttäuschung
Die Bayern reißen sich am Riemen, gewinnen fünf der nächsten sechs Bundesliga-Spiele. Es kommt zum Titel-Showdown am 34. Spieltag im Fernduell mit Kaiserslautern. Die Roten Teufel haben zwei Punkte Vorsprung, Bayern die bessere Tordifferenz.
Doch Lautern erledigt seinen Job mit einem 6:2 in Köln souverän, für die Münchner langt es nur zu einem 2:2 gegen Absteiger Uerdingen. Eine derbe Enttäuschung, weil man so nur für den Uefa-Pokal qualifiziert war.
Lehren/Konsequenzen: Große Versprechungen wie von Scherer und Heynckes will man künftig nicht mehr machen. "Vielleicht hätte ich sagen sollen, wir tun alles, um den Europapokal zu holen", gibt Heynckes im Nachhinein kleinlaut zu. Das Positivste an der titellosen Saison: Für rund 16 Millionen Mark hat man das Profigebäude an der Säbener Straße runderneuert.

Und: Mit 21 Treffern wird Roland Wohlfarth (wie schon 1988/89) erneut Torschützenkönig. Natürlich holt man zum großen Schlag auf dem Transfermarkt aus, macht jedoch dank der Verkäufe von Jürgen Kohler und Stefan Reuter zu Juventus Turin sogar ein finanzielles Plus.