Klimaaktivisten bei Verdi und Fridays for Future streiken gemeinsam: "Zusammen sind wir stärker"
Berlin - "Wir fahren zusammen" – unter diesem Motto rufen Fridays for Future und Verdi zum bundesweiten Streik am 1. März auf. Die Allianz nutzt beiden Seiten: Die Klimaaktivisten punkten mit sozialer Gerechtigkeit. Die Gewerkschaft holt sich junge Unterstützung im laufenden Tarifstreit. Eine Win-Win-Situation also? Nicht ganz, denn die Partner stoßen ihre Klientel vor den Kopf.
Klimaaktivisten von Fridays for Future und Verdi: Streiks im ÖPNV und Demonstrationen
Den Streikaufruf publik machen die ungleichen Partner am Donnerstag in Berlin. Im Ostbezirk Friedrichshain, im Plattenbau treffen Mittzwanziger im Kapuzenpulli und Herren in Nadelstreifen zusammen und betonen: "Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen."
Stattdessen kämpfe man unter dem Credo "Zusammen sind wir stärker" für die "sozial-ökologische Verkehrswende". Nächsten Freitag will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Republik lahmlegen – diesmal beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Busse, Straßen- und U-Bahnen sollen vielerorts stillstehen. Den Warnstreik begleitet Fridays for Future bundesweit mit Demonstrationen.
ÖPNV-Mitarbeiter kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen
Die ÖPNV-Mitarbeiter kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen. Auch Petra Roth macht mit. Sie fährt seit 15 Jahren Bus für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und liebt ihren Job. Eigentlich. Denn Zeitdruck und Dauerstress setzen ihr zu. "Ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte", sagt sie. "Meine Kollegen und ich geben unser Bestes. Aber wir können nicht auffangen, was die Politik versäumt." Darum fordern die Mitarbeiter kürzere Arbeitszeiten ohne finanzielle Einbußen, längere Ruhezeiten zwischen den Schichten, mehr Urlaubstage oder mehr Urlaubsgeld.
Verdis Arbeitskampf wird unterstützt von Fridays for Future. Max Miriam Puppe gehört dazu, der FU-Student sitzt im Rollstuhl und ist auf den ÖPNV angewiesen. "Genauso wie Mütter mit Kinderwagen, Senioren mit Rollstuhl oder Sportler mit Fahrrad", bemerkt er. Darum ärgern ihn "überfüllte Busse" und "gestrichene Linien". Der Schuldige ist ausgemacht: die Ampel-Regierung, insbesondere Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Verdi erhöht Druck mit Warnstreiks
Dass Verdi und FFF zusammen für den ÖPNV auf die Straße gehen, ist nicht neu. Die Kooperation begann 2019, der letzte gemeinsame Streik fand Anfang Februar statt. Das Zweckbündnis hat einen einfachen Grund: Für beide läuft es nicht gut.
Die Gewerkschaft verhandelt zurzeit in fast allen Bundesländern die Flächentarifverträge für rund 90.000 Beschäftigte im kommunalen Nahverkehr – und hat nach der ersten Runde von den Arbeitgeberverbänden Abfuhren kassiert. Darum erhöht sie jetzt den Druck mit Warnstreiks. "FFF sorgt für öffentliche Aufmerksamkeit und gesellschaftliche Unterstützung", freut sich Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse und Bahnen bei Verdi.
Klimabewegung Fridays for Future hat ein Gerechtigkeitsproblem – Verdi soll helfen
Die Klimabewegung FFF wiederum hat ein Gerechtigkeitsproblem. Erst pochte sie auf Generationengerechtigkeit zwischen Alt und Jung, dann auf globale Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd. Vom Stigma des sozialen Privilegs konnte sie sich jedoch nie befreien.
Zwar betont FFF immer wieder, dass der ökologische Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sozial abgefedert werden müsse. Doch konkrete Vorschläge fehlten bisher. Diese Lücke schließt FFF jetzt. Also alles paletti? Nicht ganz. Denn ob hart arbeitende Supermarkt-Kassiererinnen und Flughafen-Kofferträger sich mit klimabewegten Schülern und Studenten identifizieren, ist fraglich.
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