"Brauchen keinen Spaltpilz": Bayerns Politiker reagieren auf neue Erdogan-Partei in Deutschland

Seit der Gründung im Januar 2024 gab es viel Kritik an der Erdogan-nahen DAVA-Partei seitens der bayerischen Politik. Viele befürchten eine türkische Einflussnahme in Deutschland.
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Recep Tayyip Erdogan hat erhofft sich einiges von der neuen DAVA-Partei.
Recep Tayyip Erdogan hat erhofft sich einiges von der neuen DAVA-Partei. © Marton Monus/dpa

Aktuell wird die Gründung der "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (DAVA) in der Politik heiß diskutiert. Die Partei möchte bei Menschen mit Migrationshintergrund punkten und laut eigenen Angaben die Menschen erreichen, die sich von anderen Parteien missverstanden fühlen. Jedoch gilt die Partei unter Kritikern als "ein verlängerter Arm der Erdogan-Partei". Die frisch gegründete Partei hatte im Januar 2024 angekündigt, bei der anstehenden Europawahl antreten zu wollen

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: "Wir brauchen keinen Spaltpilz der Gesellschaft"

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußerte sich im BR kritisch zur Parteigründung. Er kritisiert, dass die DAVA , "einen Keil zwischen die hier lebenden Türkischstämmigen treiben möchte." Dadurch würde suggeriert werden, "dass Menschen mit ausländischen Wurzeln hier per se diskriminiert werden und nicht 'vollwertige Mitglieder der europäischen Gesellschaft' seien." Er fügt hinzu: "Wir brauchen aber keinen Spaltpilz in unserer Gesellschaft."

Auch sein Parteikollege Markus Söder findet diese neue Partei bedenklich: "Jetzt extra solche Parteien zu gründen, die den Eindruck erwecken, es soll von außen die deutsche Politik beeinflusst werden, das finden wir falsch."

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EU-Spitzenkandidat Phil Hackemann: "Eine solche Entwicklung muss genau beobachtet werden"

Der EU-Spitzenkandidat der FDP Bayern Phil Hackemann äußert ebenfalls seine Kritik in der Abendzeitung: "Ein verlängerter Arm der Erdogan-Partei in Deutschland müsste uns besorgen." Er betont, dass es in Deutschland nicht erlaubt ist, aus dem Ausland gesteuerte Parteien zu gründen, insbesondere wenn das Ziel dieser Parteien sei, die Gesellschaft zu destabilisieren. "Eine solche Entwicklung muss genau beobachtet werden, allerdings ist die tatsächliche Relevanz der noch nicht gegründeten DAVA-Partei derzeit noch gar nicht absehbar", sagt Hackemann in der AZ.  Er findet, "das beste Rezept, um autokratischer Propaganda den Nährboden zu entziehen, ist ohnehin erfolgreiche gesellschaftliche Integration". Er fügt hinzu: "Deshalb sind die demokratischen Parteien gefordert, allen Deutschen, auch solchen, die die deutsche Staatsbürgerschaft neu erhalten haben, ein attraktives politisches Angebot zu machen und diese nicht zu vergessen." 

Auch der Historiker und Publizist Rasim Marz findet, dass die Regierung "angesichts der politischen Einflussnahme ausländischer Mächte auf ihre eigenen Staatsbürger generell eine bessere Sensibilität entwickeln" sollte und zudem  "entschiedene Maßnahmen ergreifen, um diese frühzeitig unterbinden zu können". Er nennt auch Russlands Einfluss auf rechtsextreme Parteien und auch die "nationalistische Agitation" durch die polnische PIS als Beispiele in diesem Kontext. Die Integration müsse auch "Verfassungspatriotismus inkludieren, der es Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund ermöglicht, sich mit der demokratischen Grundordnung und den Werten unseres Landes identifizieren zu können."

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Türkei-Experte über die Erdogan-Partei: "Versuch der türkischen Einflussnahme ist keine Neuheit"

Marz sagt, die Parteigründung sei "unter dem Gesichtspunkt einer möglichen türkischen Einflussnahme auf die Innenpolitik Deutschlands keine Neuheit", jedoch müsse sie trotzdem beobachtet werden. Auch Eva Lettenbauer, Parteivorsitzende der Grünen Bayern, fordert in der Abendzeitung eine Beobachtung der DAVA-Partei: "Die DAVA wäre ein Erdogan-Ableger hier in Deutschland. Wir können so etwas von Erdogan Gesteuertes bei uns nicht brauchen."

Auch sie betont, dass sich Parteien in Deutschland zur freiheitlichen Grundordnung bekennen müssen. In der AZ sagt Lettenbauer: "Die Führungspersonen der DAVA haben vorher in antisemitischen oder islamistischen Organisationen gearbeitet. Insofern müssen die Sicherheitsbehörden die Aktivitäten der DAVA und ihre Verbindung zur türkischen Regierung genau beobachten und bei direkter Einflussnahme einschreiten." 

"Die kommende Europawahl wird zeigen wie viel Mobilisierungspotenzial in der DAVA steckt"

Das Potential dieser Partei schätz der Türkei-Historiker als eher gering ein. In der Abendzeitung sagt er: "Ich rechne ihr keine großen Chancen aus, aber es wäre zu verfrüht hier kurz nach der Gründung von einer politischen Bewegung zu sprechen, die türkischstämmige Wähler mobilisieren könnte. Frühere Parteigründungen denen eine Nähe zu Präsident Erdogan zugeschrieben wurden, konnten ihr erklärtes Ziel bei weitem nicht erreichen und scheiterten sowohl an personellen wie finanziellen Ressourcen." Ob aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde, bleibe abzuwarten, so der Experte. "Jedoch ist auch die türkische Community innerlich gespalten und die Vereinsstrukturen türkischer Organisation hat Zugkraft verloren. Die kommende Europawahl wird zeigen wie viel Mobilisierungspotenzial in ihr steckt", fügt Marz hinzu. 

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Neue DAVA-Partei in Deutschland: "Erdogan möchte türkische Wähler näher an Ankara binden"

Den Nutzen, den Erdogan möglicherweise aus der Partei ziehen möchte, erklärt Marz so: "Präsident Erdogan möchte durch eine politische Bewegung türkische Wähler näher an Ankara binden, was zuvor Vereinsverbände nicht geschafft haben. Sicherlich geht auch Ankara nicht davon aus mit einer Partei in die Innenpolitik Deutschlands eingreifen zu können, jedoch erlauben auch kleinere Erfolge auf Kommunaler- oder Landesebene Präsident Erdogan diese für eigene Interessen in den bilateralen Beziehungen einspannen zu können."

Das Wählerpotential in Bayern schätz der Historiker jedoch vorerst als eher gering ein. Er spricht von "wenigen 10.000 deutschen Staatsbürgern [...], unter denen es auch große Teile von Erdogan-Sympathisanten gibt." Außerdem habe die DAVA-Partei "jetzt schon das Framing einer Erdogan-Partei verliehen bekommen, welches sie nur noch schwerlich abstreifen könnte, um breitere Wählerschichten erreichen zu können". Es bleibt also abzuwarten, was die Europawahl an Wählerstimmen einbringt.

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  • Bongo am 03.02.2024 09:39 Uhr / Bewertung:

    Deshalb sind die von Grünen und Roten geförderten doppelten
    Staatsbürgerschaften Unsinn! Künftig können dann Türken, die bei uns leben und gerne die Vorteile unserer Demokratie in Anspruch nehmen, die Ergodan-Partei gleich zweifach wählen.

  • SagI am 02.02.2024 23:12 Uhr / Bewertung:

    Die Ablehnung müßte bei der SPD am größten sein, mit der jetzigen schnelleren und großzügigeren Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft hofft man den eigenen türkischstämmigen Wählerkreis zu erweitern, der nun aber in einer türkischen Partei münden würde.

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