Bunte Gefahren: Worauf man beim Online-Shopping mit Temu achten muss
München/Shanghai – Die Eigenwerbung klingt ein bisschen wie eine Art Amazon für die Guten: "Jeder verdient es, das Leben zu leben, das er sich erträumt", sowie "Gutes für die Welt zu tun", das sind die Werte, zu denen die chinesische Online-Shoppingplattform Temu sich auf ihrer Internetseite bekennt. Sie sieht sich als "Online-Marktplatz, der Verbraucher mit Millionen von Verkäufern, Herstellern und Marken auf der ganzen Welt verbindet, mit dem Ziel, ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen".
Geboten werden etwa Waren aus den Bereichen Mode, Heimtextilien, Dekoartikel, Elektronik, Schmuck, Haushaltsgeräte, Kosmetik und Heimwerkerbedarf – dabei ist Temu nur Vermittler, hat keine eigenen Produkte und kein Warenlager. "Das macht etwaige Gewährleistungsansprüche komplizierter", sagt Verbraucherrechtsreferentin Simone Bueb von der Verbraucherzentrale Bayern der AZ.
Amazon-Konkurrenz "Temu" war im ersten Halbjahr die am häufigsten heruntergeladene App
Gegründet wurde Temu 2022. Mutterkonzern ist das in Shanghai ansässige Unternehmen PDD Holdings. Seit einem Jahr ist die App in den USA verfügbar, im ersten halben Jahr war sie laut den Marktforschern von Appfigures die am häufigsten heruntergeladene App.
In Großbritannien startete die App im April und gewann innerhalb eines Monats 3,5 Millionen Nutzer. Die wachsende Konkurrenz spürt Appfigures zufolge auch Amazon. In Großbritannien habe deren App mehr als eine Million tägliche Nutzer verloren. Temu liegt derweil im Google Play Store bei mehr als 100 Millionen Downloads.
Doch was macht den Hype um Temu aus? Auch wenn das Unternehmen selbst mit dem Spruch "Shoppe wie ein Milliardär" wirbt und PDD-Chef Colin Huang laut einen Bericht von "Businessinsider" im August innerhalb eines Tages um vier Milliarden Euro reicher geworden ist: Der Preis ist ziemlich heiß, weil ziemlich winzig. "Die niedrigen Preise sind das Hauptmerkmal der Plattform", geben die IT-Experten des Versicherungskonzerns Arag an. "Kopfhörer für drei Euro, eine Smartwatch für 16 Euro oder Wanderschuhe für elf Euro", so listet es der Verbraucherzentrale Bundesverband auf.
Temu-App: Legale Geschäftsstrukturen, aber zweifelhafte Produkte
Temu weise zwar "legale Geschäftsstrukturen auf und hält sich an alle gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Länder, in denen sie auftritt", so Arag, doch es gibt Warnungen an Verbraucher. Verantwortung liegt beim Kunden: Die Nutzungsbedingungen seien wenig kundenfreundlich, so die Arag-Experten.
Temu garantiere nach eigenen Worten "keine Existenz, Qualität, Sicherheit, Eignung oder Rechtmäßigkeit der Produkte oder Wahrhaftigkeit, Genauigkeit oder Rechtmäßigkeit von den in den Produktauflistungen enthaltenen Informationen oder anderen von Verkäufern oder anderen Benutzern bereitgestellten Informationen".
Obligatorische deutschsprachige Betriebsanleitungen könnten fehlen, ebenso wie das Prüfzeichen CE, das sei "vor allem bei Spielwaren und Haushaltsgeräten gefährlich", sagt Bueb. Das WDR-Magazin "Servicezeit" testete Temu und bekam unter anderem einen Adapter mit einem gefälschten Zeichen und einen Autotür-Öffner, der "auf einer verbotenen Militärfrequenz" funkte.
Achtung: Versteckte Steuern, Standorttracking und kostenpflichtige Rücksendungen
Versteckte Zölle und Steuern: Viele Produkte, so die Arag-Experten, kommen bei Temu aus Fernost. Da bringt dann auch der kostenlose Versand nichts mehr: Kunden müssten mit langen Lieferzeiten und "unter Umständen auch mit Einfuhrumsatzsteuern und Verbrauchssteuern rechnen", die bereits bei einem Warenwert von 5,26 Euro anfielen. Sind Rücksendungen nicht kostenlos, können sie schnell den Warenwert übersteigen.
Auf Daten achten: "Temu macht keinen Hehl daraus, an personenbezogenen Daten interessiert zu sein und diese auch für kommerzielle Zwecke zu nutzen", darauf weisen die Verbraucherzentralen hin. "Wer die Plattform datensparsam nutzen möchte, sollte darauf achten, dass etwa das Standorttracking in den Einstellungen des Smartphones deaktiviert ist."
Verbraucherzentralen raten von Billigprodukten ab
Im Klaren sein über Nachhaltigkeit: Angesichts der Billigpreise sei klar, dass kein europäischer Standard garantiert sei und keine europäischen Löhne gezahlt würden, so die Arag-Experten. "Verbraucher sollten wissen, dass es sich meist um No-Name-Produkte handelt", ergänzt Simone Bueb. "Die Qualität der Waren kann minderwertig sein, da sie so günstig sind." Die über weite Strecken gelieferten und unter Umständen zurückgesandten Produkte belasteten zudem die Umwelt, mahnen die Verbraucherzentralen. Besser: vorhandene Waren reparieren oder Second Hand kaufen.
Mit Ärger rechnen: "Es passiert häufig, dass Sendungen nicht ankommen", sagt Bueb. Und: "Der Kundenservice ist schlecht erreichbar." Eine Anfrage der AZ an Temu mit der Bitte um eine Stellungnahme blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.