Viele Wirte setzen in München auf Bargeld – warum Kartenzahlung noch nicht infrage kommt
München - Steht das Bargeld kurz vor dem Aussterben? Glaubt man der Deutschen Kreditwirtschaft, scheint es so. Der Banken-Spitzenverband hat jüngst eine Befragung veröffentlicht, derzufolge 2023 in Deutschland siebeneinhalb Milliarden mal mit einer Girokarte (früher öfter: EC-Karte) gezahlt wurde. 11,5 Prozent mehr Zahlungen als im Vorjahr. Die Umsätze der Kartenzahlungen stiegen nur um sieben Prozent – das bedeutet auch, die Beträge, die mit Karte gezahlt werden, werden kleiner. Und Händler und Gastronomen haben Zehntausende neue Terminals installiert. Laut der Mitteilung des Verbands ein "Trend, der sich seit einigen Jahren fortsetzt".
Die Deutschen lieben ihre Girokarte – sagt zwar ein Verband, dessen Mitglieder diese Karte ausgeben, aber falsch ist es eben auch nicht. Nach der Corona-Pandemie kann man ja selbst bei manchen Bäckern die Karte ins Terminal stecken oder drüber halten. Und vorbei sind die Zeiten, als das Bezahlen mit der Karte (samt Unterschrift) schon auch mal eine Minute oder mehr dauern konnte.
Aber in München? Bekommt man manchmal ein gegenteiliges Gefühl. Gerade dann, wenn man in den Bars, Cafés oder Clubs gelandet ist, wo es halt ausgerechnet nicht geht. Und wenn man von Gastronomen unwirsch in die Nacht geschickt wird, auf der Suche nach einem Geldautomaten, weil irgendwo, anderthalb Kilometer weiter, am Goetheplatz, da gab‘s vor ein paar Wochen noch einen. Wenn man denn Glück hat. Und der Automat auch nicht grade außer Betrieb ist.
Stadtsparkasse München baut eine Handvoll Geldautomaten ab
Tatsächlich sinkt in der Stadt die Zahl der Geldautomaten. Die Stadtsparkasse unterhält derzeit 127 Standorte in München, dazu zählen alle Filialen oder auch nur reine Geldautomaten-Standorte. Die Zahl sei seit 2022 um vier gesunken, schreibt ein Sprecher auf AZ-Anfrage. Insgesamt betreibe man 220 Geldautomaten. "Die Anzahl der Bargeldabhebungen an diesem Automaten ist im vergangenen Jahr um drei Prozent zurückgegangen." Das sei in etwas vergleichbar mit der Entwicklung der Standorte der Stadtsparkasse.

Die Commerzbank hat seit 2022 vier Automaten in der Stadt abgebaut und betreibt derzeit noch 40, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Die Kunden könnten aber im Rahmen des "Cash Group"-Verbunds auch kostenfrei Automaten anderer Banken nutzen. "Kostenlose Barauszahlungen gibt es zudem in vielen Supermärkten und bei Einzelhändlern", so die Sprecherin. Darüber hinaus böten auch viele Tankstellen einen kostenlosen Bargeldservice an.
Online-Banken geben oft nur Debitkarten kostenlos aus
Darauf verweisen Banken gerne – allerdings funktioniert dann zum Beispiel bei manchen Supermärkte das Abheben nur mit Girokarte des deutschen Systems, also der oft so genannten EC-Karte. Und einige große Banken wie etwa die DKB, deren türkise Debit-Karte einem seit einigen Jahren häufiger begegnet, geben Girokarten nur noch gegen Gebühr aus. "Wer nichts zusätzlich bezahlen will, nimmt die kostenlose Debitkarte", sagt Milan Klesper von Bezahlunternehmen "Bezahlexperten" auf Anfrage der AZ. Und damit diese am jeweiligen Terminal funktioniere, müssten Händler sie gesondert aufschalten – verzichten aber darauf, weil die Gebühren pro Bezahlvorgang meist höher seien. "Kartenzahlung wird teurer, weil es vermehrt Debit- anstatt Girocards gibt."
Noch teurer, dürften da einige Gastronomen aufstöhnen. Denn die Erzählung der Bezahldienstleister, die sich kräftig am Umsatz bedienen, ist unter ihnen weit verbreitet. Drei oder vier Prozent müsse man abgeben, wenn man Kartenzahlung anbietet, so schildern es viele. Franz Pöschl, der Wirt des Pubs "Duett" in Berg am Laim schreibt auf der Homepage sogar, es gebe keine Kartenzahlung, "sonst müssen wir die Preise um ca. 10 Prozent erhöhen". Ins "Duett" kämen keine Familien, keine großen Gruppen, viele Stammgäste, Einzelgäste, "da kommen Sie mit einem Spezl", sagt Pöschl im Gespräch mit der AZ. Entsprechend gering seien die Zechen und der Aufwand pro getätigter Kartenzahlung enorm. 30 Mal im Monat abendlicher Kassensturz, da sei der Aufwand überschaubar, aber doch nicht unzählige Kartenbelege. "Für so eine kleine Kneipe lohnt sich das ja gleich überhaupt nicht", sagt Pöschl. Die 10 Prozent veranschlagte Preissteigerung habe der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur errechnet, den Pöschl mitgegründet hat.
Ein Anbieter, der gar 10 Prozent vom Umsatz verlangt, ist heute aber tatsächlich nicht mehr zu finden. Aber auch bei weniger kann es schwierig werden. "Im Schnitt ist es halt immer noch günstiger, bei der Bank Gebühren für Wechselgeld zu zahlen und dann die Gebühren für die Bareinzahlung", sagt Louis Grünwald vom Verband der Münchner Kulturveranstalter. "Wenn ich im Monat 150 Euro für Wechselgeld zahle, ist das etwas anderes als zwei Prozent vom Umsatz abgeben zu müssen, das skaliert eben mit."
Gerade bei den Kleinen Veranstaltern und Lokalen sei alles ohnehin knapp kalkuliert. "Wenn die Gewinnmarge schon kleiner ist als zehn Prozent, und dann muss ich nochmal zwei abziehen für die Kartenzahlung, dann verzichtet man da lieber drauf", sagt Grünwald.
Aber wenn der Umsatz dann gar nicht erst generiert wird, weil der Gast den Laden gar nicht erst ansteuert? Ein Problem, das sich Lokalen wie alteingesessenen Boazn mit großer Stammkundschaft eher weniger stellen dürfte als jungen Cafés. So akzeptiert etwa das "Barista Sistar" in Giesing nur noch Kartenzahlung. Die Gründe hat die Inhaberin einem verstimmten Ein-Sterne-Rezensenten mal auf Google Maps erklärt: Weniger Aufwand fürs Personal, weniger Stress mit Steuerberater und Finanzamt, weniger Risiko eines Überfalls, weniger Stress mit Bareinzahlungen.
Gebühren für Kartenzahlung sinken seit Jahren
Aber was kostet denn die Kartenzahlung die Händler und Gastronomen wirklich? Milan Klesper rechnet vor: Ein Bezahlvorgang bei den "Bezahlexperten" kostet zwischen sieben und neun Cent, dazu kommt eine prozentuale Gebühr vom Kartenherausgeber. Das bedeutet, eine 50-Euro-Zahlung kostet ungefähr mit Girocard 22 Cent, mit Debitkarte 54 Cent und mit Visa- oder Mastercard 69 Cent. "Die Gebühren liegen überschlagen bei einem Prozent des Kartenumsatzes", sagt Klesper. "Je mehr Umsatz, desto geringer, weil dann die Grundgebühren weniger ins Gewicht fallen."
"Die Gebühren sind schon auch deutlich niedriger geworden", sagt Christian Schottenhamel, Wiesnwirt und Inhaber des "Paulaner am Nockherberg". Vor zehn Jahren habe man bei etwa 3,5 Prozent gelegen, nach einer Umstellung des Kassensystems vor kurzem nun bei deutlich unter einem Prozent, erklärt er im Gespräch mit der AZ.
"Man kann heute mit den Kartenorganisationen mehr verhandeln als früher", sagt er. Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), dessen Kreisvorsitzender Schottenhamel ist, ermuntere seine Mitglieder dazu, hier unbedingt das Gespräch zu suchen. Als großer Gastronom habe er allerdings auch eine bessere Verhandlungsposition. Er kenne durchaus auch andere, schlechtere Deals mit Bezahlanbietern, etwa wenn zwar das Gerät günstig in der Anschaffung sei, allerdings dafür dann wieder anderthalb Prozent von jeder Transaktion einbehalten würden.
Um ein Kartenlesegerät vorhalten zu können, schließen Läden oder Restaurants oft auch mehrjährige Verträge ab, erklärt etwa Markus Bernhart vom österreichischen Bezahldienstleister "ready2order". "Und wer einen Fünfjahresvertrag hat, der noch zwei Jahre läuft, holt sich dann eher kein moderneres Gerät", sagt er im Gespräch mit der AZ und glaubt auch, dass solche Verträge noch stark verbreitet sind.
Kartenzahlung nur bei Mindestbetrag nicht mehr zeitgemäß
Ein Hinweis auf solche älteren Verträge kann sein – neben dem älteren, ziegelsteingroßen Lesegerät – wenn Kartenzahlung erst ab einem gewissen Mindestbetrag erlaubt wird. "Das kommt aus der Anfangszeit der Kartenzahlung, als meist bei Transaktionen ein recht hoher Fixbetrag verlangt wurde", sagt Bernhart. Mittlerweile gebe es flexiblere und günstigere Konditionen. Auch: weniger Ziegelsteine, mehr Tablets und Kassen- und Bestellsysteme, die per App auf dem Smartphone laufen.
Man sollte aber nicht vergessen: Das am meisten genutzte Zahlungsmittel ist immer noch das Bargeld. Zumindest war es das laut einer Studie der Deutschen Bundesbank noch 2021. Mehr als die Hälfte aller Bezahlvorgänge in Deutschland wurde demnach bar getätigt. Die Suche nach den Geldautomaten ist also sicher noch lange nicht vorbei. Und wenn gar nicht‘s hilft und das Verhältnis zum Wirt doch nicht so gut ist wie gedacht – dann solle man als Gast "durchaus souverän" um Zahlung per Rechnung bitten, erklärt eine Verbraucherschützerin. Dann aber nicht einfach gehen, rät der Verein zum Erhalt der Bayerischen Wirtshauskultur, sondern nicht vergessen, die Adresse zu hinterlassen.