Über 40 Prozent Wertverlust: Welche Grundstückspreise in München seit Jahren im freien Fall sind

Die Ladenmieten in München bleiben stabil, doch auf das irre Vor-Corona-Niveau geht es wohl nicht mehr so schnell hoch. Die Büromieten steigen sogar weiter an. Der Grund ist offenbar ein Lockruf.
Hüseyin Ince
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Gewusel in der Kaufingerstraße. Die Passantenzahlen sind zwar noch nicht ganz auf dem Niveau vor Corona, doch sie nähern sich an. Aktuell laufen hier bis zu 7000 Personen pro Stunde an manchen Messpunkten vorbei. Das sind fast 117 Personen pro Minute.
Gewusel in der Kaufingerstraße. Die Passantenzahlen sind zwar noch nicht ganz auf dem Niveau vor Corona, doch sie nähern sich an. Aktuell laufen hier bis zu 7000 Personen pro Stunde an manchen Messpunkten vorbei. Das sind fast 117 Personen pro Minute. © Imago/Wolfgang Maria Weber

München – Klar, im Nachhinein ist man immer etwas schlauer. Aber blickt man auf den aktuellen Bericht der Marktforscher vom IVD Süd, waren es schon irre Preise, die in Münchner Bestlagen noch Ende 2019 und 2020 für Ladenmieten aufgerufen worden sind. Und hätte man vor der Pandemie gefragt, wie sich das noch weiterentwickelt, hätten alle Experten gesagt: natürlich immer teurer.

Doch dann kam Corona, das Virus, mit dem keiner rechnete, das in wenigen Monaten die ganze Welt erfasste. Die Leute blieben weg, die wertvolle Laufkundschaft, wie etwa am Marienplatz rund um die Kaufingerstraße. Bis zu 410 Euro je Quadratmeter wurden in Bestlagen noch im Frühjahr 2020 verlangt (Geschäftskern 1a-Lage bis zu 80 Quadratmeter Fläche).

Ladenmieten in München sind noch auf sehr hohem Niveau

Die Vor-Corona-Preise muss man sich nochmal in Zahlen vor Augen führen: Für also bis zu 80 Quadratmeter wurden Anfang 2020 noch 32.800 Euro Kaltmiete verlangt. So ein Preis bemisst sich ja auch an der Zahl der Laufkundschaft, deren Zahl in Gegenden wie dem Marienplatz im Regelfall besonders hoch ist. In der Kaufingerstraße wurden im Juli 2023 7718 Personen pro Stunde gemessen (Stachus: 6408).

Seit der Pandemie sind die Preise bei ausbleibender Laufkundschaft dahingeschmolzen wie so manche Eisberge im Klimawandel. Sie verharren zwar weit oben, "immer noch ein sehr hohes Niveau", sagt Stephan Kippes bei der Presserunde vom Montagvormittag. Aktuell wird in Münchner 1-a-Bestlagen "nur" noch 285 Euro je Quadratmeter verlangt. Ein 80-Quadratmeter-Laden würde also 22.800 Euro monatliche Kaltmiete kosten. Ein Preis, der sich seit Januar 2023 nicht mehr verändert hat. Fast ein Drittel günstiger also im Vergleich zur Höchstphase.

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Da lohnte es sich bestimmt, zwischendrin mal den Mietvertrag zu kündigen. Auch in Münchner Neben- und Randlagen ist der Trend ähnlich: Nach Corona ein deutlicher Einbruch, aber durch den Preisverfall scheint sich die Nachfrage stabilisiert zu haben.

Damit trotzen Münchner Ladenmieten einem Bayerntrend, der nach unten zeigt. Im letzten halben Jahr sanken sie um 7,5 Prozent, im Halbjahr davor um fünf Prozent. Landesweit kosten Ladenmieten im Schnitt um 23 Prozent weniger, als vor Corona. "Natürlich hat auch die Zunahme des Online-Handels dazu beigetragen", sagt Kippes.

Arbeitgeber locken zurück aus dem Homeoffice

Hier sind die Zahlen eindeutig, sie wurden für ganz Deutschland erhoben. Ende 2019, kurz vor der Pandemie, betrug der Online-Umsatz 59,2 Milliarden Euro. Im ersten Pandemiejahr sprang diese Zahl auf 72,8 Milliarden. Und 2023: 89,4 Milliarden Euro. Grob überschlagen fehlen also dem stationären Handel etwa 30 Milliarden Euro im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit.

Anders als der Markt der Ladenmieten trotzten die Büromieten Corona. Hier ging es – Pandemie und Homeoffice hin oder her – weiter nach oben. 34,50 Euro je Quadratmeter wurden im Frühjahr 2020 in Münchner Bestlagen aufgerufen, am Anfang der Corona-Ausbreitung also.

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Im Frühjahr 2023 stieg diese Zahl auf 38 Euro und im Herbst 2023 nochmals auf 40 Euro. Aktuell, im Frühjahr 2024 werden 42 Euro aufgerufen. Die Nachfrage nach Bürofläche steigt scheinbar weiter. "Ich glaube, dass die Arbeitgeber mit attraktiven Arbeitsplätzen ihre Mitarbeiter wieder aus dem Homeoffice locken wollen", schätzt der gut informierte IVD-Chef Stephan Kippes.

Auch die CBRE Group – das nach eigenen Angaben umsatzmäßig weltweit größte Immobiliendienstleistungs- und Gewerbeunternehmen – bemerkt einen Umsatzaufschwung auf dem Münchner Büromarkt. Die Büro-Spitzenmiete legte demnach im Jahresvergleich sogar um 14,3 Prozent zu (52 Euro je Quadratmeter). Der sogenannte Büroflächenumsatz in München stieg laut CBRE im selben Zeitraum um 28 Prozent auf 144.700 Quadratmeter.

Bei künftiger Umnutzung: "Neue Projekte flexibler planen!"

Die Büro-Leerstandsquote in der Stadt beträgt laut IVD und CBRE fast sieben Prozent (6,9). Da wären wir bei dem Thema, inwiefern Gewerbe- und Bürofläche eigentlich in Wohnfläche umgewandelt werden könnte, bei dem großen Wohnungsmangel in München und vielen anderen deutschen Großstädten sowie den Investoren-Pleiten von Mega-Konzernen wie Signa. "Schwierig, aber nicht unmöglich", sagt Stephan Kippes.

Der IVD-Chef erinnert daran, dass sogar eine gut ausformulierte Zwischennutzung von Profis ("Projekt Lovecraft") für den ehemaligen Kaufhof am Stachus mit 20.000 Quadratmetern Fläche an Details wie Brandschutz gescheitert sei. Um solche Objekte in Wohnimmobilien umwandeln zu können, gehe es am Ende auch um die richtige Zahl der Sanitäranlagen. Die Zeit der großen Kaufhäuser sei einfach vorbei, "und die Stadt muss gut überlegen, wie solche Objekte sinnvoll genutzt werden können", sagt er.

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Kippes blickt in die Zukunft: "Vielleicht sollte man bei neuen Projekten gleich eine flexible Nutzung einplanen." Also gleich die Infrastruktur eines Hauses so gestalten, dass man auf einen Leerstand reagieren kann und Läden mit wenigen Handgriffen in Büros oder auch Wohnimmobilien umwandeln kann.

Vor allem in den oberen zwei Stockwerken von Immobilien-Klötzen wie dem Kaufhof sieht Kippes eine große Herausforderung. "Dort ist es oft dunkel, die Leute sind eher lauffaul. Ganz oben braucht man immer einen großen Magneten, wie etwa eine Terrasse mit Café und Ausblick", sagt Kippes. Doch da seien häufig aufwendige Umbauten nötig.

Grundstückspreise in München im freien Fall

Seit der großen Baukrise wegen enorm steigenden Materialpreisen, Fachkräftemangel und gestiegenen Energiepreisen herrscht vielerorts bekanntlich Stillstand auf Baustellen. Viele Bauprojekte, auch gewerbliche, werden erst gar nicht gestartet.

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Die Nachfrage bei gewerblichen Grundstücken geht daher zurück. Vor Corona wäre das noch unvorstellbar gewesen, keiner hätte auf diese Entwicklung gesetzt. Die Preise sind aufgrund fehlender Nachfrage – obwohl die Zahl der Grundstücke gleich bleibt – deutlich gefallen.

So kostet der Quadratmeter Münchner Gewerbe- und Industrie-Grund derzeit 1450 Euro. 2500 Euro betrug der Höchstwert Ende 2022. Das aktuelle Niveau ist identisch mit dem Wert von Ende 2017. Und 2010: unter 1000 Euro je Quadratmeter. 

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  • (Symbolbild) am 09.04.2024 16:58 Uhr / Bewertung:

    "Für also bis zu 80 Quadratmeter wurden Anfang 2020 noch 32.800 Euro Kaltmiete verlangt."

    Es würde genügen, wenn die AZ das Thema das nächste Mal aufgreift, wenn die Preise um Minimum 95 % gefallen sind.

  • Urmel_auf_Eis am 09.04.2024 15:31 Uhr / Bewertung:

    Warum sollte das nur in München so sein?
    Egal wo: Wer nah am Kunden sein will, muß es miteinkalkulieren.
    Immer stehen Kosten und Nutzen diametral gegenüber.
    Wer einen Laden in der Innenstadt aufmacht, dessen Artikel heutzutage auch alle im Internet zu bestellen sind, muß sich fragen, ob es sich lohnt, eine teure Umkleidekabine dort zu plazieren.
    Die Gesellschaft wandelt sich. Der Jugend ist es egal, aus welchem Stoff, unter welchen Konditionen die Klamotten hergestellt wurden. Muß ja nur ein paar Monate halten und kann bei Nichtgefallen umsonst zurückgeschickt werden.
    Bei technischer Ware hätte man schon gern einen Spezialisten vor Ort, der berät und/oder auch repariert.
    Das muß man aber definitiv nicht in der Innenstadt.
    Genauso wenig gehören da Büros hin.
    Das ist der Unterschied zu ganz früher. Da haben die Leute in der Innenstadt gewohnt.
    Es gab Marktplätze, Kontore und soziale "Behörden".
    Jeder Touri, egal wo, möchte diese Kultur und Glanz sehen.
    Aber keine Massenware.

  • Plato's Retreat am 09.04.2024 07:46 Uhr / Bewertung:

    Der Kaufhof am Stachus soll jetzt also ein Wohngebäude werden. Ist das Ernst gemeint?

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