Start-up aus München: "Ryd" will Zahlung mit dem Auto ermöglichen
München - Es klingt nach Zukunftsmusik, doch bald könnte es wirklich Realität werden. Bis zum Jahr 2040 rechnet der Deutsche Automobil-Club e.V. (ADAC) mit ersten autonomen Fahrzeugen im Straßenverkehr. Dann könnte Autofahren genauso komfortabel wie eine Reise mit dem Zug werden. Mitfahrende könnten es sich gemütlich machen, während das Auto selbstständig durch den Verkehr düst. Ganz gleich, ob Arbeiten, Surfen, Filme schauen oder Zeitung lesen – all das wäre dann möglich. Doch diesen Luxus wird es voraussichtlich nicht kostenlos geben.
Erste Automobilkonzerne weisen in ihren Berechnungen schon darauf hin, dass der autonome Fahrservice – ähnlich wie bei einer Taxifahrt – teilweise nach Distanz abgerechnet wird. Für diese Zahlungsvorgänge, das sogenannte "In-Car-Payment", könnte dann ein Unternehmen aus München die Verantwortung tragen.
Unternehmen aus München: "Ryd" will weiter in den Markt einsteigen
"Ryd" heißt die Firma, die bereits seit 2014 in dieser Branche aktiv ist. Aktuell können Autofahrer, die es eilig haben, schon über die gleichnamige App tanken. Bei der Tankstelle angekommen, muss der Käufer lediglich die Nummer des Zapfhahnes in der App eingeben – dann wird automatisch online abgerechnet.
Rund 5.000 Tankstellen in Deutschland arbeiten bereits mit der Firma zusammen – darunter zahlreiche Esso- und Aral-Filialen. Wem die großen Tankstellenketten allerdings zu teuer sind, der kann auch zu freien Tankstellen fahren, die am neuen Zahlungsprozess teilnehmen. In manchen Automodellen von Mercedes und Skoda ist "Ryd" bereits verbaut – dann wird direkt im "Dashboard" abgerechnet. Das Zahlungssystem ist an die Tankstellenkasse angeschlossen, so kann der Tankwart nachvollziehen, welche Fahrer "online" gezahlt haben.
Dieser Prozess ist für Carsharing-Anbieter interessant, bei denen die Nutzer Fahrzeuge auftanken müssen. "Wir sind in diesem Bereich führend", sagt Uli Kiendl, CEO von "Ryd" zur AZ. "Ryd" sei die "Brücke" zwischen der Autoindustrie und den Tankstellen. "Das wollen wir ausweiten", so der Chef des Unternehmens. Nur den Tankprozess zu revolutionieren, ist Kiendl aber noch nicht genug – er spielt schon mit zahlreichen weiteren Ideen. So soll auf kurze Sicht neben dem Tankprozess, auch der Waschgang über die "Ryd"-App bezahlbar werden.
"Big Mac bei McDonald's digital bezahlen"
Lange Schlangen vor der Waschstraße soll es dann nicht mehr geben. Das gewünschte Waschprogramm könnten die Kunden stattdessen einfach am Smartphone auswählen, so die Idee. Auch die Kleingeld-Suche vor Parkscheinautomaten könnte bald entfallen. Ebenso wie Mautkosten im Ausland, die dann nicht mehr am Autobahnschalter beglichen werden müssten.
Überall dort sieht Kiendl Wachstumspotenzial. "Neben Tanken, Waschen und Laden sind langfristig auch einfache Sachen wie beim McDonald's seinen Big Mac digital zu bezahlen für uns interessant", erklärt der CEO. Dann müsste im Drive-in kein Kartenlesegerät mehr mühsam durchs Verkaufsfenster gereicht oder Bargeld gewechselt werden. Die Zahlung könnte dann über das Auto oder das Smartphone abgeschlossen werden. Dabei werden dann unter anderem gängige Kreditkarten belastet, eingebunden sind aber auch moderne Optionen wie Paypal oder Amazon Pay.
Mineralölkonzern investierte Millionensumme
Wie groß dieser Markt bis 2030 werden könnte, zeigt eine Analyse des britischen Mineralölkonzerns BP. Der Öl-Gigant investierte im Jahr 2021 etwa zehn Millionen Euro in "Ryd". In sieben Jahren soll der Markt um vernetzte Autodaten – den Berechnungen des Unternehmens zufolge – weltweit auf 19 Milliarden Euro wachsen. Bis zu 100 Millionen potenzielle Kunden hätte das Münchner Unternehmen dann über Investoren, Partner und Automobilhersteller, wie aus einer Mitteilung von "Ryd" hervorgeht.
Auch deshalb breitet sich die Tankapp wohl bereits rasend im Ausland aus – laut Kiendl unter anderem in den Benelux-Ländern, Spanien und Portugal. Dort kooperiert die Firma beispielsweise mit den Tankstellen Repsol und Q8.
ADAC: Noch einige Fragen offen
Der ADAC ist mit seiner Zukunftsprognose noch zurückhaltender. Bisher sei das Potenzial noch nicht vorherzusehen, weil noch wenige Anwendungen auf dem Markt seien. "Ausschlaggebend wird sein, wie die Kunden und Autofahrer solche Systeme und Angebote annehmen", heißt es beim Verkehrsclub. Die Tankstellen in Deutschland hätten noch größere Shops zur Versorgung und dienen ebenso einem schnellen Einkauf an Abenden oder dem Wochenende. "Das wird sich auch durch In-Car-Payment erstmal nicht ändern", so die Einschätzung des Vereins.
Aus dessen Sicht sind vor allem beim Thema "Datensicherheit" noch Fragen offen. "Für uns ist es essenziell, dass die Hersteller die Elektronik in ihren Autos systematisch gegen Manipulation schützen." Darüber hinaus dürfe es keine versteckten Kostenfallen geben. Die Hersteller müssten klar informieren, wie "In-Car-Payment" abläuft und wie es abgesichert ist.
Netflix, Spotify und die Zeitung im Auto
Sollten im nächsten Jahrzehnt tatsächlich autonom fahrende Autos unterwegs sein, will auch Kiendl dafür bereit sein. "Filme schauen auf Netflix, Podcasts hören über Spotify oder Zeitung lesen – all das könnte dann auch über uns abgerechnet werden." Dadurch könnte das Autofahren der Zukunft nicht nur luxuriöser, sondern auch sicherer werden.
Die rechtliche Grundlage gibt es schon: Der Bundestag hat 2021 einem Gesetz zugestimmt, nach dem autonome Fahrzeuge grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können. Jetzt müssten die Autos nur noch tatsächlich fahrtbereit werden.
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