Stammstrecken-Chaos: Bayern fordert Fakten – Druck auf die Bahn steigt
München - In der Debatte um eine mögliche Kostenexplosion bei der geplanten Zweiten Stammstrecke in München hat die bayerische Staatsregierung die Bahn zur Vorlage belastbarer Zahlen aufgefordert.
"Der Freistaat plant nicht und der Freistaat baut nicht. Wir sind wie der Bund nur Geldgeber", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung. "Am Ende dreht es sich immer um dasselbe – die Kostenrechnung der Deutschen Bahn." Die Opposition wirft der Staatsregierung vor, schon Ende 2020 von den Kostensteigerungen gewusst, diese aber nicht öffentlich gemacht zu haben.
Herrmann: "Der Freistaat zahlt nur gegen Zahlen"
Es gebe seitens der Bahn bis heute keine Zahlengrundlage, beklagte Herrmann. "Der Freistaat zahlt nur gegen Zahlen", sagte er. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) werde am Mittwoch nach Berlin fahren, um dort mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Lage zu erörtern.
Wissing hatte sich zuletzt zur Zahlungsverpflichtung des Bundes bekannt. "Wir zahlen 60 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Es gebe "kein finanzielles Problem, die Mittel sind da".
Zweite Stammstrecke: Deutlich teurer und auch erst später fertig
Nach neuen Schätzungen sollen die Kosten für den Bau der zweiten S-Bahn-Röhre in München von 3,85 auf bis zu 7,2 Milliarden Euro steigen. Zudem könnte sich die Inbetriebnahme der zentralen Strecke durch die Münchner Innenstadt von 2028 auf 2037 verzögern. Deswegen entbrannte ein Streit zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern sowie der Stadt München über die Zukunft des Projektes.
Grundsätzlich zeigte Staatskanzleichef Herrmann Verständnis dafür, dass es zu gewissen Kostensteigerungen kommen kann. Es sei für die U-Bahnlinie U9 auch auf Wunsch der Stadt München eine Querröhre neu in die Planungen aufgenommen worden. Es müsse einleuchten, dass eine solche bauliche Veränderung zu erheblichen Kostensteigerungen und auch zu einer Verlängerung der Bauzeit führen könne.
Bund der Steuerzahler in Bayern: "Peinlich und unverantwortlich"
Der Bund der Steuerzahler in Bayern fordert indes eine lückenlose Aufklärung und auch rechtliche Konsequenzen. "Das Hin- und Herschieben der Verantwortung seitens der Politik und der Bahn ist peinlich und unverantwortlich. Denn es kann nicht sein, dass es zu einer derart eklatanten Abweichung bei den Kosten und der Bauzeit kommt und niemand für diese Fehlplanung zur Rechenschaft gezogen wird", wird Steuerzahlerpräsident Rolf von Hohenhau in einer Mitteilung zitiert.
Die Aufklärung soll mithilfe eines Untersuchungsausschusses erfolgen, der Bund der Steuerzahler möchte wissen, "wie es zu dieser Situation kommen konnte und wo die Kontrolle versagt hat".
Auch über einen Baustopp für das Milliardenprojekt müsse nachgedacht werden, ebenso über alternative Lösungen, wie es im Statement heißt. Ein Beispiel: Der Trambahn-Ausbau in München. "Es darf angesichts der neuen Zahlen keine Denkverbote geben! Es darf nicht blind an diesem Projekt festgehalten werden."