Scharfe Kritik an Herzkasperl-Nachfolger: "Gestalterisch eine Frechheit für die Oide Wiesn"

Es wird kein Herzkasperlzelt auf der Oidn Wiesn geben. Das hat der Stadtrat in München einstimmig beschlossen. Die AZ hat Wirt Beppi Bachmaier gefragt, wie es ihm jetzt geht.
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Wenn am 21. September das Oktoberfest 2024 beginnt, wird auf der Oidn Wiesn das beliebte Herzkasperlzelt wohl nicht mehr dabei sein.
Wenn am 21. September das Oktoberfest 2024 beginnt, wird auf der Oidn Wiesn das beliebte Herzkasperlzelt wohl nicht mehr dabei sein. © imago

München - Mehr als 12.000 Menschen haben online bei einer Petition dafür unterschrieben, dass das Herzkasperlzelt auf der Oidn Wiesn bleiben soll. Doch am Ende hat kein einziger Stadtrat dafür die Hand gehoben. Die Sitzung fand nicht-öffentlich hinter verschlossenen Türen statt. Doch wie die AZ hinterher erfahren hat, schlossen sich alle Stadträte der Empfehlung von Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) an: Heuer wird es kein Herzkasperlzelt geben.

Die Vergabe der Zeltplätze auf dem Oktoberfest und auf der Oidn Wiesn erfolgt nach einem Punktesystem. Und bei diesem erhielt Herzkasperl-Wirt Beppi Bachmaier 28 Punkte weniger als Peter Schöniger. Rechtlich sei es nicht möglich, hinterher noch einmal etwas an dem Vergabesystem zu ändern, erklärte Wiesn-Stadträtin Anja Berger (Grüne) bereits Ende der vergangenen Woche. CSU-Chef Manuel Pretzl sagt: "Wenn ein Bewerber deutlich mehr Punkte hat, hat der Stadtrat keinen Spielraum." Und: "Es darf keine Sonderbehandlung aufgrund von Sympathie oder öffentlichem Druck geben."

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Überraschend kam das Aus für das Herzkasperlzelt nicht: "Damit musste man rechnen" 

Als die AZ bei Beppi Bachmaier anruft, um zu erfahren, wie es ihm jetzt geht, weiß er noch nicht Bescheid, dass die Entscheidung gefallen ist. "Na ja, damit musste man rechnen", sagt er dann. "Schade." Aber ein Gutes hat es: "Endlich ist mal eine Ruh' mit dem Ärger." Schluss mit schlecht schlafen, jeden Tag telefonieren, mit Interviews führen, mit bangen.

"Toll war es schon, zu spüren wie groß die Unterstützung für uns war", sagt Bachmaier. "Dafür möchte ich mich bedanken. Ich wünsche mir, dass unsere Unterstützer dabei bleiben." Nächstes Jahr wolle er sich bemühen, genug Punkte zu bekommen. Erklären, warum es nicht reichte, kann sich Bachmaier nicht. Das Ganze sei schon "obskur", meint er. Schließlich hat er neun Jahre das Zelt geführt. Und auf einmal hat ein anderer, der sich (sagt Bachmaier) schon mehrmals beworben hat, mehr Punkte? "Wie geht denn das? Da gibts noch einiges zu klären." Wichtig ist ihm: Er gehöre keiner Partei an – auch nicht den Grünen, wie ihm manche unterstellen. Aber: Er verwende schon seit über 20 Jahren nur Bio-Fleisch und die Knödel, die früher immer alle einzeln in Plastik eingeschweißt waren, seien bei ihm schon lange folienfrei. "Dafür brauch ich keine Partei, dafür brauch ich kein Punktesystem, das kommt einfach aus dem Hirn heraus", meint Bachmaier.

Schon ein neues Reservierungssystem hat sich Wirt Beppi Bachmaier angeschafft 

Sogar einige Investitionen hat Bachmaier für die Wiesn 2024 schon gemacht hat. Zum Beispiel habe er ein neues Reservierungssystem angeschafft – für 40.000 Euro. "Die Hälfte davon habe ich schon bezahlt. Das kriege ich natürlich nicht zurück", sagt Bachmaier. Auch ein neues Zelt habe er geplant. Doch mehr als Pläne auf dem Papier gibt es zum Glück noch nicht. Als "es die Spatzen schon von den Dächern pfiffen", wie es dieses Jahr ausgeht, habe er nicht weiter gemacht. Ob er trotzdem vorbeischaut auf der Oidn Wiesn? "Auf jeden Fall", antwortet er. Schließlich seien die anderen Wirte Freunde. Auch dem neuen Wirt Schöniger wünsche er viel Glück.

Kommentieren wollen die Wiesn-Stadträte Klaus-Peter Rupp (SPD) und Anja Berger (Grüne) die Entscheidung nicht mehr. Schließlich handle es sich um eine nicht-öffentliche Debatte. "Ich hoffe aber, dass man die Diskussion zum Anlass nimmt, die Oide Wiesn als eigenständigere Veranstaltung zu betrachten, um den besonderen Charakter zu erhalten", sagt Berger.

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Auch der Oide-Wiesn-Gründer Florian Dering kritisiert das Aus scharf 

Den alleinigen Geburtshelfer für die Oide Wiesn gibt es nicht, aber Florian Dering war als damaliger Vizedirektor des Münchner Stadtmuseums auch einer der Mitinitiatoren für die historische Wiesn, die zum 200. Geburtstag des Oktoberfestes 2010 so erfolgreich war, dass die Münchner nicht mehr auf sie verzichten wollten.

Das Museumszelt als Ausstellungsort gab es nur 2010, aber auf der fortan Oidn Wiesn getauften Fortsetzung standen sich das Festzelt Tradition und das Herzkasperlzelt von Beppi Bachmaier gegenüber, beide mit einer klaren programmatischen Ausrichtung.

Florian Dering war Vizedirektor des Münchner Stadtmuseums und war auch einer der Mitinitiatoren für die historische Wiesn.
Florian Dering war Vizedirektor des Münchner Stadtmuseums und war auch einer der Mitinitiatoren für die historische Wiesn. © Volker Derlath

Beliebter Wirt auf der Oidn Wiesn in München: "Beppi Bachmaier war der Richtige" 

"Es war wichtig, dass mit dem Festzelt die Trachtenvereine wieder einen Platz auf der Wiesn hatten und einen Ort der Selbstdarstellung mit der Bühne in der Mitte. Das war eine geniale Idee", sagt Dering. "Und Bachmaier war der Richtige, weil er jahrzehntelang im Fraunhofer, die neuere Volksmusik und das Kabarett gepflegt und aufgebaut hat. Von Polt bis Hube bis zur Biermösl Blosn sind alle im Fraunhofer groß geworden. Viele haben dann auch bei ihm im Herzkasperlzelt gespielt, das er nach Jörg Hubes erstem Programm benannt hat. Dieser Kontrast im Kulturprogramm hat sich lange bewährt", sagt Dering.

Aber damit ist vorerst Schluss, was ihn "absolut deprimiert". "Jetzt kommt eine neue Dynamik in die Geschichte und die hängt halt zusammen mit dem Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner und seiner Verwaltung. Der Baumgärtner macht nun die Schleusen auf vom Haifischbecken Oktoberfest in Richtung Oide Wiesn, weil er mit der nie etwas anfangen konnte."

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Dering, der im Stadtmuseum Chef der Schaustellerabteilung war, lässt an den Plänen der Boandlkramerei, die heuer das Herzkasperlzelt ersetzen wird, kein gutes Haar. "Das ist so traurig. Schon der Name! Warum nicht gleich Aussegnungshalle? Und die Fassade können sie hernehmen als Rückwand für einen Auftritt von Florian Silbereisen. Das ist gestalterisch eine Frechheit für die Oide Wiesn. Natürlich kann man nicht sagen, das Herzkasperlzelt müsse ewig dort bleiben, die Wiesn hat sich immer gewandelt. Aber wenn ich etwas ändere, dann muss auch die Qualität stimmen."

Ein Punktesystem, das zwischen Oktoberfest und Oide Wiesn keinen Unterschied macht, findet Dering grundsätzlich falsch. Aber besuchen will er die Boandlkramerei heuer dennoch: "Ich arbeite jetzt zwar seit acht Jahren nicht mehr im Stadtmuseum, aber die Entwicklung auf der Wiesn schaue ich mir natürlich genau an."  

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5 Kommentare
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  • Bluto am 07.05.2024 22:56 Uhr / Bewertung:

    Nun, ",Herzkasperl" steht im Bayrischen für einen Herzinfarkt.
    Das war ja auch in Ordnung.

  • Analyst am 08.05.2024 00:45 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bluto

    Hatte schon einen,deshalb war das Zelt für mich ein Greuel🧌🧌

  • Chris_1860 am 08.05.2024 12:10 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Analyst

    Kein Wunder, wenn man ständig gegen alles ätzt.

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