München soll neue Fußgängerzone bekommen: Warum Anwohner und Händler protestieren
Haidhausen – Der Abend beginnt mit Protest – in Form von Flugblättern. Paul S. steht am oberen Ende der Treppe, ausgestattet mit 140 Exemplaren. Jedem, der an ihm vorbeiläuft, drückt er eines der weißen DIN-A5-Blätter in die Hand. Und an diesem Montagabend sind das mehr als hundert Menschen.
Infoveranstaltung zur Test-Fußgängerzone in der Weißenburger Straße
Ihr Ziel: Die Infoveranstaltung zur geplanten Fußgängerzone in der Weißenburger Straße. Das Mobilitätsreferat und der zuständige Bezirksausschuss 5 (BA) hatte Anwohner und interessierte Bürger in die Katholische Stiftungshochschule in der Preysingstraße eingeladen, "um darüber zu informieren und gemeinsam Herausforderungen und Chancen der Testphase der Fußgängerzone zu diskutieren".
Der Raum in der ersten Etage füllt sich. Die Veranstaltung soll um 19.30 Uhr beginnen, aber die Schlange am Einlass ist um diese Uhrzeit noch lang – man musste sich vorher anmelden, die Teilnehmerzahl ist auf 120 Personen begrenzt. Weil irgendwann alle Plätze belegt sind, setzen sich ein paar Leute auf übereinandergestapelte Getränkekästen. Es wird schnell klar: Das Interesse an dem Thema ist groß.

Das Ziel der neuen Fußgängerzone in München: Mehr Aufenthaltsqualität
Die grün-rote Rathaus-Koalition stellte 2022 den Antrag, die Weißenburger Straße als Fußgängerzone auszuweisen – die Aufenthaltsqualität in der zentralen Einkaufsstraße Haidhausens soll dadurch verbessert werden. Eigentlich sollte die Testphase bereits im Sommer dieses Jahres beginnen. "Die Planungen sind aufwendiger, wir haben uns mehr Zeit gegeben", sagt Jörg Spengler (Grüne), der BA-Vorsitzende. Geplant ist nun der Start der Testphase im April 2024.
Um 19.40 Uhr geht es los. Vertreter des Mobilitätsreferats erläutern bei der Informationsveranstaltung zunächst das Verfahren und stellen die bisherige Planung vor (die Details finden Sie unter muenchenunterwegs.de). Anschließend können die Teilnehmer Fragen stellen – 25 Personen kommen schließlich zu Wort, bevor die Versammlung gegen 21.30 Uhr beendet wird.
Die Anwohner sind besorgt über die Verkehrssituation in den umliegenden Straßen
Was viele Anwesenden bewegt, ist die Frage, wie sich das Vorhaben auf die Verkehrssituation in den umliegenden Straßen auswirkt. "Sind Sie schonmal durch die umliegenden Straßen gefahren, wissen Sie überhaupt, wie eng es dort ist?", fragt ein Anwohner. "Sie waren wahrscheinlich noch nie in Haidhausen!", fügt er hinzu und erntet dafür Applaus von den anderen Anwesenden.
Manche ganz konkreten Fragen können am Montag sofort geklärt werden: "Darf ich mit meinem Lastenrad durch die Fußgängerzone fahren?", fragt ein Anwohner. Kommt auf das Fahrrad an, aber es schaut gut aus für ihn. Auch das Parken wird diskutiert: 58 Stellplätze sollen durch die Fußgängerzone wegfallen. Das Mobilitätsreferat nennt Parkhäuser und Anpassungen in anderen Straßen als alternative Möglichkeiten.
Gewerbebetreibende kritisieren die geplante Fußgängerzone in der Weißenburger Straße
Auch Anwohner Paul S., der die Flugblätter mit dem Titel "Fußgängerfreundliche Verkehrsberuhigung ja – Fußgängerzone nein!" verteilt hat, meldet sich. Ihn stört vor allem das Verfahren, er hätte sich mehr Beteiligung der Bürger gewünscht und befürwortet eine Einwohnerversammlung. Außerdem betont er, dass sich bei einer Veranstaltung für die Gewerbetreibenden der Weißenburger Straße alle gegen die Fußgängerzone ausgesprochen hätten – auch er erhält Zustimmung aus dem Publikum.
"Können Sie sich auch eine verkehrsberuhigte Einbahnstraße vorstellen?", ist die Frage, die am meisten Reaktionen hervorruft: "Jawohl!", ruft eine weibliche Stimme, viele Anwesende applaudieren laut.
Das Fazit der Veranstaltung ist positiv: "Die deutliche Mehrheit ist sehr aufgeschlossen"
Sowohl die Teilnehmer als auch die anwesenden Politiker wirken am Ende der Veranstaltung zufrieden. SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner, die zu den Fußgängerzonen-Antragsstellern gehört, ist überrascht: "Weil ich das Gefühl hatte, die deutliche Mehrheit im Publikum ist sehr aufgeschlossen für den Testversuch."
Ablehnung habe sie bei den Gewerbetreibenden gespürt – sie werden für das Befahren der Fußgängerzone Gebühren zahlen müssen. "Wenn man die reduziert oder abschafft, könnte die Akzeptanz auch bei den Gewerbetreibenden steigen", vermutet Hübner.

Am Ende der Veranstaltung können die Anwesenden an einer anonymen Online-Abstimmung zur Frage "Wie offen sind Sie für die Testphase?" teilnehmen. Das Ergebnis wird direkt auf die Leinwand übertragen – und ist eindeutig: Um 22 Uhr hat eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer für "sehr offen" gestimmt.
Mobilitätsreferent Georg Dunkel (parteilos) ist davon positiv überrascht. Der AZ sagt er: "Die Punkte, die angesprochen wurden, sind wichtig." Etwa, dass Lärm durch Lieferzeiten in der Nacht ein Problem sein könnte, sei ihm bisher nicht bewusst gewesen. Bürger, die ihre Frage oder ihr Anliegen nicht äußern konnten, können dies noch per Mail tun (weissenburgerstrasse@zebralog.de).

So soll es in der Weißenburger Straße in München weitergehen
Wie geht es nun weiter in Sachen Fußgängerzone? Bevor das Vorhaben umgesetzt werden kann, braucht es einen Beschluss des Bezirksausschusses, der im Dezember oder im Januar gefasst werden soll.
Hübner findet es wichtig, dass man in einer Testphase möglichst alle befragt, die in der Weißenburgerstraße, aber auch im Umkreis wohnen. Das sei für die langfristige Entscheidung die richtige Grundlage. Zu den Befragten würde dann auch Paul S. gehören. Vielleicht wäre das auch ein Verfahren, das ihm zusagt.
Digitale Zusatz-Infoveranstaltung für Anwohner: Do, 23.11., 19.30 bis 21 Uhr,
Anmeldung unter muenchenunterwegs.de/weissenburgerstrasse
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