"Chaos": Warum der berühmte Viktualienmarkt zur Gefahr in München wird

Am Viktualienmarkt in München ist die Verkehrssituation unübersichtlich bis gefährlich. Die SPD will, dass sich das ändert. Im Raum stehen Zebrastreifen, Schilder- und Bodenschwellen.
Julia Wohlgeschaffen
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Im Trubel leicht zu übersehen: Das Fußgängerzonen-Zeichen auf dem Münchner Viktualienmarkt.
Im Trubel leicht zu übersehen: Das Fußgängerzonen-Zeichen auf dem Münchner Viktualienmarkt. © Sigi Müller

Altstadt - Zehn Uhr morgens am Viktualienmarkt. Ein Lieferwagen rangiert neben dem anderen auf der Straße zwischen Tal und Schrannenhalle, neben ihnen rauschen Fahrradfahrer vorbei. Einzelne Fußgänger weichen den Radlern teils erschrocken aus – eigentlich ist das hier eine Schrittgeschwindigkeitszone.

"Chaos", sagt Michael Pongratz dazu, der am Obst- und Gemüsestand vor der Heilig-Geist-Kirche seine Ware verkauft. Aber es ginge noch schlimmer: Wenn hier Straßenmusikanten spielen und die Leute stehenbleiben, um zuzuhören. "Dann wird's richtig eng", erzählt der 56-Jährige.

Obst- und Gemüsehändler Michael Pongratz findet die Situation am Viktualienmarkt chaotisch.
Obst- und Gemüsehändler Michael Pongratz findet die Situation am Viktualienmarkt chaotisch. © Sigi Müller

Viktualienmarkt in München: Fußgänger sind in der Fußgängerzone besonders gefährdet

In dem ganzen Trubel geht ein Detail völlig unter – das eigentlich alle Blicke auf sich ziehen sollte: das große blaue Fußgängerzonen-Symbol auf dem Boden. Ja, diese Straße zwischen der Metzgerzeile und dem Viktualienmarkt ist tatsächlich eine Fußgängerzone. Wohl die gefährlichste der Stadt.

Anne Hübner, die Vorsitzende der SPD/Volt-Fraktion im Rathaus, findet, dass sich hier etwas ändern muss. "Am Viktualienmarkt sieht man, dass eine Fußgängerzone, auf der Radler, Scooter, Autos und Busse freie Fahrt haben, nicht wirklich gut funktioniert", so Hübner. Am gefährdetsten seien ausgerechnet die Fußgänger, denen die Straße gewidmet sei.

Eigentlich gibt es auf dem Viktualienmarkt eine Fußgängerzone. Weil hier aber auch andere Verkehrsteilnehmer freie Fahrt herrscht, ist die Situation gefährlich.
Eigentlich gibt es auf dem Viktualienmarkt eine Fußgängerzone. Weil hier aber auch andere Verkehrsteilnehmer freie Fahrt herrscht, ist die Situation gefährlich. © Sigi Müller

Zebrastreifen und Schilder sollen den Viktualienmarkt für Fußgänger sicherer machen

Zu diesen Fußgängern gehört am Mittwochvormittag auch Claudia Graf-Hamam. Sie hat gerade die Straße zum Viktualienmarkt überquert – und schon die ein oder andere brenzlige Situation erlebt: "Ich als Fußgängerin bin in München schon zwei Mal fast überfahren worden", erzählt die 68- Jährige.

Claudia Graf-Hamam hat am Viktualienmarkt schon viele gefährliche Situationen erlebt.
Claudia Graf-Hamam hat am Viktualienmarkt schon viele gefährliche Situationen erlebt. © Sigi Müller

Die SPD/Volt-Fraktion im Stadtrat findet: An kaum einem anderen Ort in der Münchner Altstadt ist es für Menschen zu Fuß so gefährlich wie am Viktualienmarkt.

Und deshalb hat die Fraktion jetzt einen Antrag für mehr Sicherheit an Münchens zentralstem Markt gestellt. Die konkreten Ideen: ein Zebrastreifen in der Sparkassenstraße und ein Schild in der Metzgerzeile, das auf eine angemessene Geschwindigkeit hinweist und zu mehr Rücksicht aufruft.

Autos und E-Scooter in der Fußgängerzone: Zahlreiche Verstöße am Viktualienmarkt

Doch reicht ein Hinweisschild, damit sich wirklich etwas verändert? Die derzeitige Beschilderung scheint jedenfalls häufig missachtet zu werden: Das KVR hat seit Anfang des Jahres an besagter Stelle 1163 kostenpflichtige Verwarnungen erstellt, überwiegend wegen verbotswidrigen Befahrens der Fußgängerzone. Definitiv nicht fahren dürfen hier nämlich PKW, Krafträder und E-Scooter.

Auch E-Scooter dürften in der Fußgängerzone auf dem Münchner Viktualienmarkt eigentlich nicht fahren.
Auch E-Scooter dürften in der Fußgängerzone auf dem Münchner Viktualienmarkt eigentlich nicht fahren. © Sigi Müller

Sabine Kroiß von der Wildmetzgerei "Wilde Zeiten" findet die aktuelle Beschilderung nicht optimal: "Es ist schlecht ersichtlich, dass das hier eine Fußgängerzone ist. Deshalb fahren auch Privatautos durch."

Sie hat eine andere Idee, um die Verkehrslage sicherer zu gestalten: "Ich fände Bodenschwellen nicht schlecht. Damit man gezwungen ist, ein bisschen aufzupassen und langsamer zu fahren."

© Sigi Müller

SPD und Grüne wollen den Münchner Viktualienmarkt umgestalten

Über bauliche Veränderungen denkt auch die SPD nach: In ihrem Antrag heißt es: Es ist zu prüfen, ob die Straße vor dem Kustermann durch bauliche Veränderungen und Engstellen so umzugestalten ist, dass sie nicht länger zum schnellen Fahren einlädt.

Die Koalitionspartner der Grünen gehören zwar nicht zu den Antragstellern, doch sie halten die geforderten Maßnahmen für sinnvoll. Sibylle Stöhr von den Grünen sagt: Das Grundproblem sei, dass es dort zu viele Verkehrsteilnehmende gebe. "Dass viele mit dem Fahrrad fahren, begrüßen wir generell", so die Grünen-Politikerin.

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Chaotischer Verkehr auf dem Viktualienmarkt: Auch für Fahrradfahrer wird's brenzlig

Ihr Lösungsvorschlag: "Wir appellieren immer wieder zu mehr Rücksichtnahme", so Stöhr. Von Bodenschwellen hält die Politikerin allerdings nicht viel: "Das wäre für Rollstuhlfahrer eher schwierig." Bauliche Maßnahmen müsse man sich gut überlegen. "Ich könnte mir dort Blumentröge vorstellen."

Sabine Silberhorn ist gerade mit ihrem Fahrrad am Viktualienmarkt unterwegs. "Die Fußgänger achten überhaupt nicht auf den Radlverkehr", sagt die 51-Jährige. Man müsse sich als Fahrradfahrer sehr vorsichtig auf der Straße bewegen. "Es wäre besser, wenn es eine Markierung für Radfahrer gäbe." Wieder ein anderer Vorschlag und es wird deutlich: Für die Fußgängerzone am Viktualienmarkt gibt es viele Ideen, mit vielen Vor- und Nachteilen. Wie es dort weitergeht, wird letztendlich der Stadtrat entscheiden.

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  • Kohlestrom Kolumbien am 11.08.2023 11:29 Uhr / Bewertung:

    Wenn ich Samstagmorgens beim Aufwachen schon merke, dass ich auf Randale gebürstet bin, mache ich mich auf zur Metzgerei Friedl am Viktualienmarkt, um Streit zu sähen. Es gibt keine bessere outlaw zone von im Tal bis zum Viktualienmarkt. Schon bei der Einfahrt im Tal gibt es einen bunten Strauß an Pöbelmöglichkeiten, egal ob Radfahrer, Fußgänger, Bettler oder Busfahrer. Dann schnell abgebogen in die Metzgergasse und direkt mit dem Rad über das Kopfsteinpflaster. Es dauert keine 2 Pedalumdrehungen und die ersten Deutschen Schlaumeier machen einen an, beste Möglichkeit mal so richtig einen anzubrüllen. Beim Friedl angekommen noch schnell das Rad an die Metallbänke angeschlossen, dass der nächste die Klappe aufreißt. Einfach herrlich.

  • Münchenradler am 10.08.2023 13:42 Uhr / Bewertung:

    Ergänzung:
    Die Zahlen der erfassten Verstöße geben es eigentlich nicht her, über Radfahrer herzuziehen. Leider macht sich das im Wahlkampf immer gut, denn jeder hat schon mal einen rücksichtslosen Radler erlebt.
    Witzigerweise erlebt man auch jeden Tag rücksichtslose Autofahrer / Fußgänger / Kollegen in der Kantine / Mütter mir Kinderwagen / Hundehalter / Raucher ....
    Das ist normal, denn ein Teil der Menschen verhält sich rücksichtslos. Infrastruktur muss so gestaltet werden, dass das weniger Auswirkung hat, aber nicht in dem man Feindbilder erzeugt und dann Verbote ohne Alternative ausspricht.

  • BBk am 10.08.2023 14:05 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Münchenradler

    Rücksichtslose Senioren und Seniorinnen, Blinde und Blindinnen bleibt einfach zu Hause diese Münchner Stadt mit Herz ist nicht für euch gemacht.

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