"Könnten Fotos vom essenden OB Reiter posten": So will die SPD in München wieder Wahlen gewinnen
München - München-Partei hat sich die SPD immer stolz genannt. Schließlich haben SPDler die Stadt seit Jahrzehnten regiert. Trotzdem kommt die SPD bei Wahlen bloß noch auf Platz drei. Hinter den Grünen. Hinter der CSU. Wie soll sich das jemals wieder ändern? Im Interview erklärt Parteichef Christian Köning (35) seine Strategie für den Kommunalwahlkampf 2026. Wenn ihn die Genossen am Samstag auf ihrem Parteitag wiederwählen, ist er derjenige, der für den Wahlkampf verantwortlich ist. Köning erklärt, warum die Münchner SPD mehr ist als Dieter Reiter und wie enttäuscht er von Kanzler Olaf Scholz ist.
AZ: Herr Köning, wenn morgen Bundestagswahl wäre, würden mehr Menschen die AfD als die SPD wählen. Schockiert Sie das?
CHRISTIAN KÖNING: Ja.

Und was ist die Lösung?
Es ist eine Momentaufnahme. Die Lösung ist, dass wir in der Gesellschaft Sicherheit vermitteln müssen. Der russische Angriffskrieg verunsichert die Menschen. Sie haben Angst vor Wohlstandsverlusten. Da muss die Kommunikation der SPD besser werden.
SPD-Chef in München: So will Christian Köning die Trendwende für die Partei schaffen
Kanzler Olaf Scholz war mal Erster Bürgermeister von Hamburg. Trotzdem geht bei Themen, die Großstädte betreffen wie Mieterschutz und Verkehrswende wenig voran. Haben Sie sich da mehr erhofft?
Absolut. Ich erhoffe mir auch weiterhin mehr, denn die Regierung ist handlungsfähig. Den Krieg in der Ukraine hat sich niemand ausgedacht. Wir haben 1,5 Millionen Menschen aufgenommen, sehr viele auch in München. Das hat den Staat und unsere Gesellschaft sehr gefordert und kostet viel Geld. Ich bin zuversichtlich, dass die Regierung noch mehr für Großstädte tut. Wir haben in Deutschland einen Stau an Investitionen. Den müssen wir anpacken.
Wie schwer macht es Ihre Arbeit als Parteichef hier vor Ort, wenn aus Berlin so wenig kommt?
Die Bundes- und die Landespolitik hat in München natürlich große Auswirkungen. Wir könnten es so machen wie Markus Söder und die ganze Zeit nur Fotos von einem essenden Dieter Reiter posten, der zu jedem Unsinn irgendwas erzählt. Es mag sein, dass es der Sozialdemokratie an einigen Stellen an überzeugender Kommunikation gefehlt hat. Aber wir machen das, was wir machen, mit einer Verantwortung und einer inhaltlichen Perspektive. Deshalb würde ich die Hoffnung nicht aufgeben. Denn mit Zuversicht und Respekt kann man Wahlen gewinnen.
Aber bisher schrumpft die SPD bei Wahlen immer weiter. Was ist Ihre Strategie für die Kommunalwahl 2026?
Ich glaube, dass sich die SPD auf ihre Kernthemen fokussieren und glaubwürdige Kandidaten aufstellen muss. Es braucht eine Vorort-Orientierung. Wir bearbeiten die Brot-und-Butter-Themen der Gesellschaft. Also: Arbeit, Wohnen, Wirtschaft, gutes Leben.
Was heißt das konkret?
Letzte Woche haben wir beantragt, dass wir vom Referenten für Arbeit und Wirtschaft, der sich eher um die Wiesn, Konzerte und Gastronomie kümmert, einen Plan haben möchten, wie die Transformation der Wirtschaft aussehen kann. Wir stehen in München vor gewaltigen Herausforderungen. Wir müssen Industriearbeitsplätze erhalten. Die garantieren unseren Wohlstand. Wir brauchen nicht nur Google und Apple. Wir brauchen auch Handwerksbetriebe. Wir als SPD packen die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität an.
Das könnte schwer werden, das auf ein Wahlplakat zu drucken.
Natürlich. Das wird wahnsinnig schwer. Deswegen werden wir nach dem Parteitag in die Umsetzung gehen und daraus eine Kampagne machen. Es ist für Politiker, die nicht nur Nebelkerzen zünden, schwierig in der heutigen Zeit. Die SPD muss daran arbeiten zu kommunizieren, dass wir Wohlstand und Sicherheit gewährleisten. Dass es auch Ungerechtigkeit gibt, das müssen wir ansprechen. Und nicht nur darüber reden, welches Lied man auf der Wiesn hört und was man zum Mittagessen isst.
"Dieter Reiter ist ein Zugpferd"
Man hat den Eindruck, die einzige Hoffnung für die Münchner SPD ist OB Reiter, der wieder antreten will.
Nein, den Eindruck habe ich nicht. Er ist ein Zugpferd und wichtig, aber die SPD ist mehr als eine Person.
Warum?
Der Oberbürgermeister ist wahnsinnig beliebt und ich freue mich, dass er wieder antreten will. Er hat Verwaltungsexpertise, hört den Menschen zu und redet auf Augenhöhe mit ihnen. Die Stärke der Münchner SPD ist, dass wir jenseits von Einzelpersonen gemeinsam Antworten auf Höhe der Zeit geben.
Wann war Dieter Reiter denn zuletzt bei einem Parteitag der SPD?
Ich bin seit zwei Jahren Parteivorsitzender und freue mich, dass er einmal bei Dreikönig da war. Wir stehen mit dem Oberbürgermeister immer im engen Austausch.
SPD-Regierung in München: "Ist uns an vielen Stellen gelungen, eine lebenswerte Stadt für alle zu schaffen"
Erst neulich beim Fasching war alles auf ihn ausgelegt. Die SPDler mussten sich als Pumuckl verkleiden. Nur ihr Meister Eder Dieter Reiter tauchte nicht auf. Das muss doch frustrieren. Wenn der Meister Eder immer fehlt.
Ich hör den Pumuckl mit meinem Sohn rauf und runter. Während andere im Fasching noch draufhauen mussten, haben wir mit dem Pumuckl eine sympathische Münchner Figur aufgegriffen und Freude vermittelt. Ich hatte den Eindruck, dass die Leute am Straßenrand unseren Wagen toll fanden, auch wenn Meister Eder nur auf der Plane drauf war.
Macht Ihnen das keine Sorge, dass Sie die Partei motivieren müssen, aber der Kandidat lässt sich nicht blicken?
Wir haben jetzt keinen Wahlkampf und unser Oberbürgermeister regiert als SPD-Politiker sehr erfolgreich diese Stadt. Das Schöne im Kommunalwahlkampf ist, dass es nicht nur einen Kandidaten gibt. Es gibt große Stimmzettel für den Stadtrat und die Bezirksausschüsse und einen eigenen für die Oberbürgermeisterwahl. Die SPD-Mitglieder und Kandidierenden wollen diese Stadt mitgestalten, und machen mit dem OB Wahlkampf, nicht aus Ehrfurcht vor ihm.

München wird seit Jahrzehnten von Sozialdemokraten regiert. Trotzdem ist kaum in einer anderen Stadt die Schere zwischen Arm und Reich, der teuren Maximilianstraße und dem Bahnhofsviertel, so groß. Was haben Ihre Vorgänger falsch gemacht?
Natürlich gibt es in München Reichtum und Armut. Es ist uns aber an sehr vielen Stellen gelungen, eine lebenswerte Stadt für alle zu schaffen. Ich glaube nicht, dass meine Vorgänger etwas falsch gemacht haben, sondern dass es in unserer Gesellschaft Widersprüche gibt, die sich nicht immer auflösen lassen.
Warum soll die SPD Sie am Samstag wiederwählen?
In den vergangenen zwei Jahren bin ich innerhalb der Partei als auch nach außen viele Dinge angegangen. Ich habe eine gute Bilanz vorzuweisen. Nun geht es darum, im Team daran zu arbeiten, 2026 wieder zu regieren. Und das zu machen, was die SPD die vergangenen 150 Jahre gemacht hat: pragmatisch und vernünftig gegen Ungerechtigkeit vorzugehen.