München beschließt umstrittenes Förderungssystem für Kitas: "Schäme mich für meine Stadt"

Die Stadt München beschließt am Mittwoch ein neues Fördersystem für Kitas – während vor dem Rathaus Eltern dagegen demonstrieren.
Julia Wohlgeschaffen
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Die Demonstration gegen das neue Kita-Fördermodell am Mittwochmorgen vor dem Rathaus.
Die Demonstration gegen das neue Kita-Fördermodell am Mittwochmorgen vor dem Rathaus. © privat

München - Kurz bevor am Mittwoch die Vollversammlung des Stadtrats beginnt, versammeln sich rund 50 Mütter und Väter am Fischbrunnen und halten wütend ihre Papp-Schilder Richtung Rathaus.

"Kita darf kein Luxus sein" und "Ich schäme mich für meine Stadt" haben sie darauf geschrieben. Der Grund: Die Eltern befürchten eine Kostenexplosion durch das neue Kita-Fördersystem, das der Stadtrat gleich beschließen wird. Ein Gericht kippte das bisherige Fördermodell der Stadt, nachdem private Kita-Träger geklagt hatten.

"Der Träger unserer Kita hat uns heute Morgen in einer Mail erklärt, dass das neue Modell die Verwaltungskosten nicht abdeckt und er sich dem System somit nicht anschließen kann. Bisher haben wir für den Krippenplatz unserer Tochter knapp 300 Euro gezahlt, jetzt soll er 1600 Euro kosten", erzählt eine 39-jährige Mutter. Sie zieht in Erwägung, aus München wegzuziehen.

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Auch Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) steht am Mittwochmorgen am Fischbrunnen, sie hört sich die Sorgen der Eltern an. "Es hat mich gefreut, dass sie da war", sagt eine andere Mutter, "aber sie macht es sich leicht und schiebt den schwarzen Peter dem Landtag zu."

Der Freistaat trägt rund 60 Prozent der Kita-Kosten. Die Lücke, die entsteht, deckt die Stadt mit 170 Millionen Euro im Jahr. "Es wäre angebracht, dass der Freistaat endlich mal Geld dazu gibt", sagt Dietl später in der Vollversammlung, in der sich die Stadträte eine hitzige Debatte zum neuen Kita-Fördermodell liefern. Es ist nicht das einzige, das die Stadt in Erwägung gezogen hat. Aber: "Viele Lösungen waren rechtlich nicht möglich", sagt SPD-Fraktions-Chefin Anne Hübner.

Grünen-Fraktionsvorsitzender Sebastian Weisenburger sieht keinen Anlass mehr für die privaten Kita-Träger, sich dem neuen System nicht anzuschließen. Bislang sind laut Schulreferat rund 140 private Einrichtungen mit rund 6200 Plätzen Teil des städtischen Fördersystems.

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Nach Verhandlungen: Änderungen bei den Verwaltungskosten

Weisenburger verweist auf Verhandlungen, durch die Grüne und SPD eine deutliche Verbesserung für die Träger erwirkt hätten. Etwa bei den Verwaltungskosten sei die Stadt den Einrichtungen entgegengekommen. "Die Verwaltungskostenpauschale sollte mehr als auskömmlich sein", findet er. Auch bei der Verpflegungspauschale wird die Stadt von drei Euro auf 3,5 Euro pro Kind anheben. Zuvor habe die Stadt den Trägern die Hand ausgestreckt, jetzt reiche sie ihnen den ganzen Arm. "Wenn es ihnen wirklich um die Kinder geht, dann greifen sie jetzt zu", appelliert Weisenburger an die Träger.

In den Reihen der CSU und der FDP sieht man das ganz anders. Stadtrat Andreas Babor (CSU) spricht von Augenwischerei: "Das ist kein ausgestreckter Arm, das ist eine Mangelverwaltung und eine Katastrophe für die Eltern." Stadträtin Gabriele Neff (FDP) schließt sich der Kritik an: "Die Stadt hat es versäumt, städtische Kitas zu errichten." Für Eltern sei ein städtischer Kitaplatz wie ein Sechser im Lotto.

Stadträtin Anne Hübner: "Wir haben keine gute Lösung für alle – aber für die meisten"

Momentan bietet die Stadt rund 4550 Krippen-Plätze für unter Dreijährige sowie 18.750 Kindergartenplätze an. Allerdings können in den städtischen Kindertageseinrichtungen derzeit rund fünf Prozent aller Plätze aufgrund der Personalsituation nicht belegt werden. Seit 2021 sind rund 250 städtische Krippen- und 600 Kindergartenplätze dazugekommen.

Nach dem hitzigen Schlagabtausch stimmt die Mehrheit des Stadtrats mit Ausnahme der CSU, der Freien Wähler, der FDP und der AfD für das neue Modell. "Wir haben keine gute Lösung für alle – aber für die meisten", sagt Anne Hübner. "Sonst stünden heute auf dem Marienplatz 10.000 Eltern und nicht nur 50 bis 100." Am 1. September will die Stadt das neue System einführen.

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  • Christoph Strebel am 03.03.2024 09:37 Uhr / Bewertung:

    Ein Kitaplatz kostet einschließlich Miete für das Kitagebäude, Lohnkosten Verwaltungskosten schnell mal 2000 Euro. Das muss der Staat entweder bezahlen oder es gibt nur noch Teilzeitkita. Dann muss man die Mangel-Fragen beantworten:
    Wie viele Kinder pro Erzieher sind in einer Not- Gruppe noch zumutbar?
    Wie viele Stunden in pädagogisch wertvollen Kleingruppen braucht man, um gewisse Mindest- Ziele für Erziehung und Vorschule zu erreichen?
    Wer kann zuhause bleiben, um sich um die Kinder selbst zu kümmern, wer muss für wichtige Aufgaben von Betreuungspflichten freigestellt werden?

  • F. Graf Denunziant am 03.03.2024 09:37 Uhr / Bewertung:

    Die Gruppe der Empörten und Entsetzten ist genau die Klientel, die die Grünen in München an die Macht gehoben hat. Mal schaun, ob sie kapiert haben, die falschen Götzen angebetet zu haben.

  • Mobilist am 03.03.2024 11:44 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von F. Graf Denunziant

    Deswegen weigert sich der Freistaat auch, die Gesetze so zu ändern, fdas die Probleme gelöst werden können. Destruktive Politik fällt einen am Ende immer auf die Füße.

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