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Gekippte Förderung in München: Bürgermeisterin erklärt, ob die Kita-Gebühren nun explodieren

Der Kita-Platz ist in München weitgehend gratis. Doch weil ein Gericht die Förderung der Stadt kassiert hat, ist die Verunsicherung groß. Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) erklärt, warum sie jetzt zuversichtlich ist, dass sie das System retten kann.
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Aktuell herrscht in München Verunsicherung, wenn es um die Kita-Gebühren geht.
Aktuell herrscht in München Verunsicherung, wenn es um die Kita-Gebühren geht. © Peter Kneffel/dpa

AZ: Frau Dietl, können sich bald nur noch Superreiche eine Kita in München leisten?
VERENA DIETL: Das wollen wir auf gar keinen Fall. Für mich ist es eine wichtige Errungenschaft, dass wir die Kindergärten kostenfrei gemacht haben. Das wollen wir den Münchner Familien weiterhin anbieten. Auch die Preise für die anderen Betreuungsformen wollen wir möglichst geringhalten.

Ein Gericht hat das Münchner Fördermodell im Herbst 2021 gekippt. Und bis jetzt ist noch kein Nachfolgemodell beschlossen. Was ist so schwierig?
Unser Ziel ist, dass der Kindergarten kostenfrei bleibt. Deswegen mussten wir schauen, was wir für ein neues System entwickeln können. Andere Kommunen haben bereits ein Defizitverfahren. Auch im Sozialbereich wenden wir das Defizitverfahren an. Aber wir mussten erst einmal abklären, ob das rechtlich geht und wir mussten uns auch mit der Regierung von Oberbayern abstimmen.

Können Sie für Laien erklären, was Defizitverfahren heißt?
Bei dem Verfahren muss der Träger darlegen, welche Ausgaben er hat, um die Kinder zu betreuen. Davon wird dann der Zuschuss, der vom Freistaat kommt, abgezogen. Ein Kindergartenplatz würde in München eigentlich etwa 1000 Euro kosten, etwa 60 Prozent davon trägt der Freistaat. Wir decken die Lücke, dass die Träger auf Null kommen. Die Verträge dazu werden wir individuell mit den Trägern vereinbaren.

Münchens Bürgermeisterin Verena Dietl: "Einen Tag vor Weihnachten kam die Antwort"

Wie sicher sind Sie, dass dieses Verfahren rechtssicher ist?
Ich als Bürgermeistern habe die Regierung von Oberbayern angeschrieben und nach einer Einschätzung gefragt. Einen Tag vor Weihnachten habe ich die Antwort bekommen, dass wir das Defizitverfahren anwenden können. Das ist ein erster wichtiger Schritt, dass wir Gewissheit haben. Am 1.9. wollen wir das neue System einführen.

Können Sie den Münchner Eltern also definitiv versprechen, dass der Kindergarten kostenlos bleibt?
Für die Münchner Eltern ändert sich erst einmal nichts. Allerdings reicht das Geld, das vom Freistaat kommt, bei Weitem nicht. Andere Kommunen geben darüber hinaus gar keinen Zuschuss. Da holen sich die Träger den Rest über die Beiträge der Eltern. Wir wollen die Gebühren günstig halten. Das heißt nicht, dass es in den nächsten Jahren zu gar keiner Erhöhung kommt. Wir wollen die Gebühren aber immer unter einem bestimmten Level halten. Gebühren von 700 Euro pro Platz wollen wir auf keinen Fall.

Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) hat vor Kurzem die Antwort bekommen, ob das neue Fördermodell rechtskonform ist.
Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) hat vor Kurzem die Antwort bekommen, ob das neue Fördermodell rechtskonform ist. © GWG/Gewofag

Einige private Kitas sagen bereits, dass das neue System für sie nicht funktioniert. Rechnen Sie damit, dass sich alle Träger dem neuen Modell anschließen?
Ich möchte erst einmal die Träger absichern, die schon jetzt Teil der Münchner Förderformel sind. Ich möchte nicht Träger fördern, damit sie Gewinne machen, sondern ich möchte, dass jeder Euro, den wir als Stadt bezuschussen – und bisher sind das 150 Millionen – beim Kind ankommen. Rechtlich dürfen wir die Beiträge der Kitas nicht deckeln. Deshalb ist es mir wichtig, nur die Träger zu fördern, die am Schluss auf Null kommen mit der auskömmlichen Förderung.

Wie viel Prozent der Kitas werden sich dem neuen Modell anschließen?
Das können wir noch nicht sagen. Aber ich habe viele Gespräche mit den Trägern geführt und gehe davon aus, dass das neue System in deren Sinne ist.

Andreas Lorenz, der die privaten Kitas vertritt und das alte Fördersystem beklagt hat, ist überzeugt, dass sich an der Rechtswidrigkeit nichts geändert hat. Warum täuscht er sich?
Weil die meisten Kommunen darauf zurückzugreifen. Ich habe die Zeit zwischen den Jahren genutzt, um auch noch mal mit Kollegen aus anderen Kommunen zu telefonieren und zu fragen, wie es bei ihnen gehandhabt wird. Am Ende kamen wir immer zu dem gleichen Punkt: Wir haben keine Möglichkeit einen Gebührendeckel einzuziehen, also läuft es auf das Defizitverfahren hinaus. Das ist am gerechtesten.

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Kita-Gebühren in München: "Gutscheine sind nicht anwendbar"

Wie gerecht ist es, wenn eine Familie keinen Platz in einer Kita bekommt, die sich diesem System anschließt?
Wenn Familien keinen anderen Platz bekommen als in einer privaten Kita, subventionieren wir auch den, entsprechend dem Einkommen über die wirtschaftliche Jugendhilfe.

Ein Vorschlag sind Bildungsgutscheine, die an die Familien verteilt werden. Warum sind die für Sie kein Thema?
Das ist eine große Forderung der Privaten, aber dann würden wir wieder einen erhöhten Preis subventionieren. Solange wir die Gebühren nicht deckeln können, sind Gutscheine nicht anwendbar. Auch, wenn sie am logischsten wären, weil Eltern dann auch sehen würden, wie viel die Stadt subventioniert.

Bleibt es bei den 150 Millionen, die die Stadt bezuschusst oder wird es eher mehr?
Wir haben bisher nicht mehr im Haushalt eingestellt. Aber die Träger haben schon gesagt, dass ihnen Geld fehlt. Ich sehe da auch den Freistaat in der Verantwortung. Seine Förderung reicht für eine Großstadt wie München nicht, auch, weil unter anderem die Mietkosten hier so hoch sind.

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16 Kommentare
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  • Mobilist am 12.01.2024 12:18 Uhr / Bewertung:

    Ein ehemaliger (da abgewählter) CSU-Landtagsabgordneter klagt, damit private Kitas auch was vom Kuchen abbbekommen und ihre Gewinne aus Steuergeld verteilen können. Finde den Fehler.

  • doket am 12.01.2024 09:47 Uhr / Bewertung:

    Auch Rentner haben Hilfen bekommen, siehe 3. Entlastungspaket der Bundesregierung. Die Boomer werden übrigens so genannt, weil die zur Zeit des Babybooms geboren wurden. Sind also sehr viele. Natürlich konnten die dann die Vorgängergeneration gut versorgen. Allerdings habe die Boomer selbst sehr wenige Kinder bekommen und damit den Generationenvertrag kaputt gemacht.
    Übrigens werden die Renten nicht gekürzt, sondern erhöht. In den letzten 10 Jahren um fast 30%. Die sind nämlich an die Lohnentwicklung gekoppelt.

  • doket am 12.01.2024 10:56 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von doket

    Das war die Antwort für HarriM

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