"In München brennt die Hütte": Sorge vor erneuen Diesel-Fahrverboten ist plötzlich zurück
München - Ab 2030 sollen deutlich niedrigere Luftschadstoffgrenzwerte in der EU gelten. Darauf haben sich diese Woche Unterhändler des Europaparlaments und der Mitgliedsstaaten geeinigt. Die Grenzwerte sollen halbiert werden. München hält allerdings schon die bestehenden Grenzwerte für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht ein. Was bedeutet die Verschärfung also für München?
Weil München seit Jahren eine zu hohe Schadstoffbelastung hat und die erlaubten Grenzwerte überschritt, hatte sich das Rathaus mit Umweltverbänden eigentlich auf einen Stufenplan samt Fahrverboten geeinigt. Im Herbst 2023 beschloss der Stadtrat, von diesem Kompromiss abzukehren. Die geplanten Fahrverbote für Euro-5-Diesel traten nicht in Kraft.
Debatte um Fahrverbote in München: An der Landshuter Allee wären die Werte gleich wieder zu hoch
Allerdings ist die Stickstoffdioxidbelastung noch immer zu hoch: Die vorläufigen Ergebnisse zur Messstation an der Landshuter Allee zeigen einen Jahresmittelwert von 45 µg/m³. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) klagten deshalb.
Wenn die EU-Richtlinien umgesetzt werden, würde München die Grenzwerte an der Landshuter Allee nicht mehr "nur" um 5 µg/m³ überschreiten - sondern um das Doppelte. Und auch sonst hält die Stadt an 29 ihrer 59 Messstationen die neuen Grenzwerte nicht ein.
"In München brennt die Hütte", sagt ÖDP-Chef Tobias Ruff. "Die Landshuter Allee ist noch immer die dreckigste Straße in Deutschland. Wir schaffen es noch nicht einmal, die laschen Grenzwerte aus dem Jahr 2008 einzuhalten, und setzen die Gesundheit der Münchner und Münchnerinnen aufs Spiel."
Die ÖDP reichte deshalb am Mittwoch mehrere Anträge ein, mit dem Ziel, schnell die Luftverschmutzung zu verringern. Zum Beispiel fordert sie einen kostenlosen ÖPNV innerhalb des Mittleren Rings. Außerdem soll die Stadt Anwohner finanziell unterstützen, die sich einen Luftreiniger in die Wohnung stellen wollen. Schließlich könnten viele Anwohner aufgrund der schlechten Luftqualität nicht die Fenster öffnen, heißt es in dem Antrag.
Fahrverbote in München: Neue Grenzwerte sind nur noch eine Formsache
Gelten sollen die neuen Grenzwerte ab 2030. Sie müssen noch von den EU-Staaten und vom Parlament gebilligt werden. Doch das gilt als Formsache. Auf die Stadt könnten dann Klagen zukommen. Denn Bürger sollen Anspruch auf Entschädigung bekommen, wenn sie wegen nicht eingehaltener Grenzwerte krank werden.
"Die neuen EU-Grenzwerte werden die großen deutschen Städte vor erhebliche Herausforderungen stellen", glaubt SPD-Chefin Anne Hübner. "Nicht nur der Autoverkehr wird Einschränkungen hinnehmen müssen."
Die SPDlerin hofft auf "angemessene Übergangsfristen", "damit wir nicht an den Punkt kommen, dass sehr viele Menschen ihr Auto nicht mehr nutzen können."
Diesel-Fahrverbote in München: CSU-Chef bezeichnet neue Grenzwerte als "unrealistisch"
Auch der Zweite Bürgermeister Dominik Krause von den Grünen hofft auf den Bund. Er sagt: "Da die Problematik alle Großstädte trifft, braucht es hier zeitnah Maßnahmen durch den Bund, damit nicht wie jetzt die Kommunen vor dem Problem stehen, kurzfristig nur mit Fahrverboten reagieren zu können."
Als "unrealistisch" bezeichnet CSU-Chef Manuel Pretzl die neuen Grenzwerte. Er weist außerdem darauf hin, dass die Luft in München seit Jahren immer besser werde - auch ohne Fahrverbote. Doch sechs Jahre sind aus seiner Sicht zu kurz, um die neuen Grenzwerte einhalten zu können. "Die Kommunen werden hier mit einem Problem allein gelassen, was sie im Alleingang nicht lösen können", meint Pretzl. "Wir fordern den OB auf, sich auf Bundesebene gegen diese Verschärfung einzusetzen."