Immer mehr Besucher bleiben fern: So muss sich das Zentrum in München verändern

München - Eigentlich macht die Altstadt nur ein halbes Prozent der Fläche Münchens aus. Und trotzdem ist dieses Viertel so wichtig für München wie kein anderes. Weil die Altstadt die Touristen anzieht, das Bild von München prägt. Doch wie geht es der Herzkammer der Stadt überhaupt – in Zeiten, in denen immer mehr Menschen online einkaufen und gefühlt alle zehn Meter ein Bauzaun steht?
Und wie kann sich die Innenstadt weiterentwickeln? Das hat Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) in einer großen Studie beleuchten lassen. Am Donnerstagabend wurden die Ergebnisse vorgestellt und darüber diskutiert.

Zuerst zum Status Quo: Der Einzelhandel ist für die Altstadt besonders wichtig. Die Verkaufsfläche misst rund 318.000 Quadratmeter. Der Olympia-Einkaufszentrum würde da fast sechsmal hineinpassen. Fast jeder fünfte Euro, den Kunden überhaupt in einem Münchner Geschäft ausgeben, investieren sie hier – am meisten in Kleidung und Schuhe: Gut eine Milliarden Euro geben sie dafür aus.
Kaufingerstraße in München: In keine Einkaufsstraße Deutschlands kommen so viele Passanten
Die Fußgängerzone ist ein Besuchermagnet: 2023 wurden hier 29 Millionen Passanten gezählt. Und unter den zehn frequentiertesten Fußgängerzonen Deutschlands waren gleich drei Münchner Straßen. Platz eins belegt die Kaufingerstraße. Fast die Hälfte der Passanten stammt aus München.
30 Prozent kommt von weiter her als aus dem Umland. In der Altstadt geben all diese Menschen bei einem Besuch im Schnitt 143 Euro aus. Diejenigen, die von weiter her anreisen machen sogar 242 Euro locker. Insgesamt sind die Besucher mit der Innenstadt zufrieden: Sie geben ihr die Note 1,9.
Die Frage ist allerdings, wie lange all das so bleibt. Der Online-Handel nimmt zu. 39 Prozent der Befragten gaben an, ihre Kleidung inzwischen online einzukaufen. Viele Läden halten sich auch nicht lange: In der Dienerstraße, der Sendlinger Straße und der Kaufingerstraße haben seit 2005 überall um die 80 Prozent der Läden gewechselt.
Auch der Leerstand nimmt zu: Während 2005 in den Erdgeschosslagen nur 55 Läden leerstanden, waren es 2021 etwa doppelt so viele. Aktuell dürfte der Leerstand durch die Benko-Pleite eher noch gestiegen sein. Auch der Anteil der Ketten wächst: Im Herbst 2023 machten Filialen in der Kaufingerstraße beispielsweise 96 Prozent aus.
Am meisten ärgern sich die Besucher über die Menschenmassen
Die Besucher spüren diesen Wandel. 36 Prozent gaben in der Befragung an, sie würden die Münchner Innenstadt zwar gerne häufiger besuchen, bleiben dieser aktuell aber lieber fern, weil viele Dinge sie dort stören. Am meisten ärgern sie sich über die Menschenmassen und die vielen Baustellen. Aber auch, dass sie die Altstadt mit dem Auto immer schlechter erreichen können, ist für sie ein Problem. Noch immer sind sie diejenigen, die mit 246 Euro pro Besuch am meisten Geld in der Innenstadt lassen.
Und was folgt nun aus dieser Analyse? Auf jeden Fall muss München handeln, findet Stefan Postert, einer der Studienverfasser von der Agentur "Stadt und Handel". "Schon heute hat München nicht nur Sonnenseiten, sondern auch Patina, die man aber wieder aufpolieren kann", sagt er.
Geht es nach den Studienverfassern, soll die Innenstadt in Zukunft nicht mehr nur auf Konsum setzen – sondern vielfältiger werden. Dazu könnte auch gehören, dass mehr Dienstleister und Büros in die Altstadt ziehen. Ein Beispiel dafür ist das C&A-Gebäude in der Kaufingerstraße. Hier will die Inselkammer-Gruppe in Zukunft vor allem Büros und ein paar Wohnungen unterbringen.
Inselkammer-Chefin Tina Haller: "Es werden einem Knüppel zwischen die Beine geworfen"
Tina Haller, eine Geschäftsführerin der Inselkammer-Gruppe, beteiligt sich nach der Präsentation der Studie an der Diskussion. Bei der Frage, wie so ein Nutzungsmix aussehen kann, wünscht sie sich mehr Unterstützung seitens der Verwaltung.
"Ich merke eher, dass einem Knüppel zwischen die Beine geworfen werden", sagt sie. Tatsächlich ist sie mit ihrem Unmut nicht alleine: Fast 90 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, sich bei Entscheidungen rund um die Innenstadt nicht ausreichend eingebunden zu fühlen.
Wenn Adele kommt: Konzert-Sommer auch in der Innenstadt?
Für Eva Schoemann vom Luxushotel Sofitel ist es besonders wichtig, dass es in der Innenstadt etwas zu erleben gibt. Eine Idee von Schoemann: Wenn Adele diesen Sommer ihre großen Konzerte in der Messe spielt, sollte auch in der Innenstadt etwas los sein. Sie regt einen "Konzertsommer" in der Innenstadt an – mit Kultur und Musik in den Straßen.
Eine Bühne auf dem Marienhof, wenn dort die Baustelle beendet ist, kann sich der Kulturveranstalter Till Hofmann gut vorstellen. Er hofft außerdem, dass sich München an Städten wie Bordeaux orientiert und die Innenstadt fußgängerfreundlicher und grüner gestaltet. Er wünscht sich außerdem nicht nur Zwischennutzungen, sondern Räume für Künstler, die sie dauerhaft nutzen können. Um die Innenstadt an Sonntagen mehr zu beleben, schlägt Wolfgang Puff, Chef des Handelsverbands mehr verkaufsoffene Sonntage vor.
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