In München für andere da sein: Menschen erzählen, wie sie Nächstenliebe leben

An Weihnachten geht es auch darum, anderen Gutes zu tun. In der AZ berichten Ehrenamtliche, warum sie in München helfen und was das mit ihnen macht.
John Schneider
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Stephanie Hügler mit Anastasiia.
Stephanie Hügler mit Anastasiia. © Daniel von Loeper

München - Die Geschenke sind gekauft, der Baum geschmückt, die CD mit den Weihnachtsliedern spielt schon: Nun ist Zeit innezuhalten und an Heiligabend und den Weihnachtsfeiertagen ein bisschen Ruhe in sein Leben zu lassen. Für viele ist die Adventszeit von Hektik geprägt, hier eine Weihnachtsfeier, da noch eine Kleinigkeit, die besorgt werden muss, ein Präsent, der Fisch, die Würstel, die Gans. Wir hetzen von Warenhaus zu Christkindlmarkt und vergessen, dass die Adventszeit eigentlich eine ist, in der man sich besinnen sollte. Auf das Wesentliche konzentrieren. Und darauf, was einem wirklich das Herz erfreuen kann: Nämlich, wenn man nicht nur an sich selbst denkt, sondern auch an diejenigen, die Hilfe brauchen.

Weil Weihnachten das Fest der Nächstenliebe ist, lassen wir in der AZ Menschen zu Wort kommen, die dieses Prinzip leben. Ehrenamtler, die sich für Senioren, Familien, für Geflüchtete oder Kinder mit Leseschwäche engagieren. Hier berichten sie über Momente, die sie berührt haben. Und warum sie sich immer wieder die Zeit nehmen, um für andere da zu sein. Frohe Feiertage!

"Da habe ich gedacht, ich falle um": Frau aus München hilft Kindern beim Lesenlernen

Seit 20 Jahren lesen die Lesefüchse ehrenamtlich für und mit Münchner Grundschülern. Eva Rauchfuß ist eine von ihnen. "Ich hatte in meiner Vorlesegruppe zwei russische Kinder. Das Mädchen Anna (6) ist mit den Eltern von Moskau nach München geflohen. Die Anna hatte das Problem, dass sie furchtbar schüchtern war und wenig verstanden hat. Dadurch hat sie fast gar nichts gesprochen, hat sich aber mit Zeichensprache mit dem einen oder anderen Mädchen ein bisschen angefreundet. Ihre Lehrerin hat zu mir gesagt, es wäre schon gut, wenn sie ein bisschen aus sich raus kommen könnte und auch deutsche Wörter lernen würde, die wir auch im Unterricht benützen. Zum Beispiel 'Der Stuhl' oder 'der Tisch', 'das Heft', et cetera.

Eva Rauchfuß (Ende 60) engagiert sich bei den Lesefüchsen als Lesementorin.
Eva Rauchfuß (Ende 60) engagiert sich bei den Lesefüchsen als Lesementorin. © Jan Krattiger

Das ist für mich auch eine neue Situation gewesen. Dann habe ich gesagt: 'Ich heiße Frau Rauchfuß. Dein Name ist Anna.' Dann hat sie genickt. Dann habe ich gesagt: 'Wie heiße ich?' Und sie hat gesagt 'Frau Fuß'. Das haben wir dann korrigiert und ein paar Mal geübt und das hat dann auch gesessen. Sie hat ja immer gut aufgepasst, aber sich einfach nicht getraut. Dann habe ich angefangen: 'Das ist ein Tisch. Das ist ein Stuhl. Das ist ein Fenster.' und habe einfach auf die Dinge im Raum gezeigt. Sie hat das nachgesprochen und wenn sie es gar nicht verstanden hat, bin ich mit ihr da hingegangen und habe sie das Objekt anfassen lassen.

So haben wir uns langsam, aber sicher einen Wortschatz erarbeitet. Nicht gleich beim ersten oder zweiten Mal, sondern als sie mich schon ein bisschen besser kannte und ein bisschen Vertrauen gefasst hatte, haben wir dann in einer Dreiviertelstunde einen ganzen Satz erarbeitet. Das geht ja nicht von heute auf morgen. Das werde ich nie vergessen, ich habe gesagt: ,So Anna, jetzt sind wir so weit, heute bilden wir einen Satz: Ich, Anna, sitze auf dem Stuhl vor dem Tisch und schreibe mit dem Stift in das Heft".' Das hat lange gedauert, bis sie den Satz richtig gesprochen hat. Am Schluss der Stunde steht sie plötzlich ganz schnell auf, rennt an die Tür zur Lehrerin, positioniert sich vor ihr und sagt diesen Satz. Da habe ich gedacht, ich falle um. Das werde ich in meinem Leben nicht vergessen, das war absolut toll. Es ist schön, dass es solche Erlebnisse gibt, weil das einen selbst auch zum Weitermachen motiviert."

Lebenshilfe München: Unterstützung für Familien mit Kindern mit Behinderung

Gina Wimmer ist 25 Jahre alt und engagiert sich beim familienunterstützenden Dienst der Lebenshilfe. Das Ehrenamt lässt sich meistens gut mit ihrem Lehramtsstudium vereinbaren – dort legt sie ihren Schwerpunkt auf Sonderpädagogik. "2017 und 2018 habe ich den Bundesfreiwilligendienst bei der Lebenshilfe gemacht. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich danach unbedingt weitermachen wollte. Seitdem bin ich ehrenamtlich beim familienunterstützenden Dienst tätig, vor allem in der Ferienbetreuung. Dort passen wir den ganzen Tag lang auf Kinder mit Behinderungen auf und unternehmen Ausflüge mit ihnen. Zusätzlich leite ich noch bei der offenen Behindertenarbeit einen Sportclub. Alle zwei Wochen haben wir eine Turnhalle zur Verfügung und können dort alles mögliche machen: Wir spielen Fußball, machen Geschicklichkeitsspiele und gehen auch gerne Kegeln.

Anderen etwas Gutes zu tun, freut Gina Wimmer.
Anderen etwas Gutes zu tun, freut Gina Wimmer. © privat

Die behinderten Menschen sind immer ganz motiviert dabei. Für mich ist es einfach schön, anderen etwas Gutes zu tun und Menschen mit Behinderung Aktivitäten zu ermöglichen, die ich auch selbst gerne mache – zum Beispiel picknicken, einen Ausflug machen oder zum Sport gehen. Alleine könnten sie das nicht machen. Ich nehme mir deshalb auch im Studium bewusst Zeit für das Ehrenamt. Meinen Stundenplan gestalte ich wenn möglich so, dass ich am Mittwochvormittag frei habe - da findet der Sportclub statt. Wenn man überlegt, sich auch ehrenamtlich zu engagieren, kann ich nur raten, es auf alle Fälle mal auszuprobieren. Viele scheuen sich, mit behinderten Menschen zu arbeiten. Aber es kann sich lohnen."

Weißer Ring: Wie ein Münchner Senior einer Mutter in Not geholfen hat

Karl Frass (74) ist zweifacher Urgroßvater und arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Gesundheitsberater für die DAK. Er ist ehrenamtlich als Helfer für den Opferhilfsverein Weißer Ring und das Christophorus Hospiz tätig. In der AZ schildert er einen Fall der Opferhilfe, der ihm sehr ans Herz gegangen ist und der ihn immer noch begleitet. "Ich bekomme einen Anruf vom Frauenhaus, dass eine Frau mit zwei Kindern aus einer anderen Stadt nach München geflohen ist. Sie flüchtete vor ihrem gewalttätigen Mann, welcher sie und ihre Kinder über einen längeren Zeitraum tätlich misshandelte. Das Opfer bräuchte dringend Hilfe vom Weißen Ring.

Karl Frass hilft beim Weißen Ring.
Karl Frass hilft beim Weißen Ring. © privat

Ich habe mit dem Opfer daraufhin einen Termin im Polizeipräsidium ausgemacht, da der Weiße Ring dort sein Büro hat. Ich bat die Sozialarbeiterin, die Frau zu uns zu begleiten. Selbstverständlich durften die Kinder mitkommen. Um den Kindern die Scheu zu nehmen, fuhr ich mit ihnen mit dem Paternoster. Es folgte das Gespräch mit dem Opfer, um den Hilfebedarf zu erfahren. Da das Opfer buchstäblich nichts hatte außer ihrer Kleidung und der Kleidung der Kinder, gab ich ihr als Ersthilfe 300 Euro für Nahrungsmittel und für etwas Kleidung für sich und die Kinder. Den Kindern konnte ich im Polizeipräsidium einige Giveaways vom Weißen Ring geben. Sie strahlten über Malbüchlein, Farbstifte und Kleinigkeiten, als ob Weihnachten wäre.

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Die Frau fand durch Hilfe von Bekannten ein kleines Appartement und der Weiße Ring konnte für drei Monate die Miete vorstrecken. Ich ging außerdem mit ihr zum Amtsgericht, um ein Kontaktverbot für den Täter zu erwirken und sie bekam einen Berechtigungsschein für eine Erstberatung durch einen Anwalt.

Die kleine Familie lebt jetzt in München glücklich und zufrieden und von Zeit zu Zeit telefoniere ich noch mit ihnen. Ich helfe ihr noch beim Antrag nach dem OEG (Opferentschädigungsgesetz, die Red.) oder bei sonstigen Behördengängen. Der Fall hat mir eine innere Zufriedenheit gegeben, da ich gesehen habe, was man mit Empathie und kleinen Hilfen erreichen kann. Und wie man auch in einer geschundenen Seele wieder Hoffnung auf einen Neuanfang pflanzen kann."

Ehrenamt im Altenheim: Eine Münchnerin begleitet Senioren im Alltag

Bald zehn Jahre ist Elvira Kroner nun schon regelmäßig zu Besuch im St. Michael Altenheim in Neuperlach. Als Ehrenamtliche unterstützt sie dort die Alltagsbegleiter der Senioren. Gemeinsam mit fünf bis zehn Senioren spielt sie, singt mit der Gruppe, ratscht, lacht, rätselt oder scherzt. "Es macht mir große Freude, etwas Abwechslung in den Seniorenalltag zu bringen, ihn zu verschönern", sagt die Münchnerin. Vier Tage die Woche arbeitet sie als Assistentin in einem Büro. Am fünften Tag schaut sie im Seniorenwohnheim vorbei. "Mir war klar, dass ich etwas Soziales machen möchte", erinnert sie sich.

Elvira Kroner zusammen mit einer Seniorengruppe.
Elvira Kroner zusammen mit einer Seniorengruppe. © privat

Deshalb besucht sie damals die Freiwilligen-Messe und weiß schließlich, was sie machen möchte. Seit 2014 ist sie nun in St. Michael und möchte es keinen Tag missen. "Ich stelle mich voll auf die Bewohner, ihre Verfassung und Bedürfnisse ein und wirke aktiv an der Gestaltung mit. Sie sind immer gespannt, was ich mitgebracht habe", sagt sie. Sie liebt das Ehrenamt, weil sie sehr viel zurückbekommt und viel geben kann, sagt sie. Auch das Zusammenarbeiten mit dem Personal empfindet sie als bereichernd: "Was sie leisten, ist psychisch wie körperlich sehr anstrengend. Ihre Arbeit sollte wirklich mehr anerkannt und wertgeschätzt werden!"

Für Kroner ist es die Gesamtheit ihres Ehrenamts, die sie liebt. Dennoch bleiben immer wieder besondere Geschichten hängen: "Vor vielen Jahren kam eine Bewohnerin zu mir und meinte, der Nikolaus habe ihr gesagt, dass wir uns ab jetzt duzen sollen", erzählt Kroner und lacht, "das war ihre charmante Art, sich anzunähern." Wie nah Kroner an den Senioren dran ist, merkte sie das erste Mal schmerzlich, als vor ein paar Jahren eine der Bewohnerinnen starb. "Das war heftig! Da habe ich das erste Mal wirklich realisiert, dass ich in einem Altenheim und eben nicht in einem Kindergarten arbeite. Hier sterben die Menschen irgendwann."

So sehr sie der Tod damals getroffen hat, so sehr schätzt sie die persönliche Bindung mit den Menschen dort. "Wenn ich im Urlaub bin, vermisse ich sie sogar manchmal", gibt sie zu. Deshalb wird sie weiterhin einmal die Woche St. Michael und seine Bewohner besuchen und weiter ratschen, spielen oder singen. Und: "Sehr gerne ergänzen die Senioren Sprichwörter. Das macht Spaß und trainiert obendrein das Gedächtnis. Dieses Ehrenamt ist wirklich eine wunderschöne Tätigkeit. Für mich, und ich denke, für die Senioren genauso." Was sie sich wünschen würde: Dass mehr Menschen für Senioren tätig sind.

Munich Kyiv Queer: Unterstützung für queere Geflüchtete aus der Ukraine

Stephanie Hügler (52), Wissenschaftsjournalistin und Redakteurin, hilft ehrenamtlich queeren Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, in München eigenständig zu leben.

"Ich bin sehr gerne Ehrenamtlerin, aber eigentlich bin ich da – zum Glück – auch ein wenig reingerutscht. Es begann so: Ich singe seit Jahren schon in verschiedenen Chören. Und 2018, beim Chorfestival 'Various Voices' in München, war auch eine ukrainische Chorgruppe in der Stadt. So lernte ich Nastya kennen. Auch über die Corona-Pandemie hinweg hielten wir seither Kontakt. Als der Krieg begann und Russland Ende Februar 2022 die Ukraine angegriffen hat, dachten meine Partnerin und ich sofort an Nastya und den Chor, fragten uns besorgt: Wie geht es denen jetzt eigentlich?

Anastasiia mit ihrer Mentorin Stephanie Hügler.
Anastasiia mit ihrer Mentorin Stephanie Hügler. © Daniel von Loeper

Nastya war dann Mitte März in München. Sie hatte eine ukrainische Seniorin nach Kufstein begleitet, die dorthin zu ihren Verwandten geflüchtet war, kam dann in die Stadt. Und wir halfen, so gut wir konnten, organisierten eine Übernachtungsmöglichkeit. Wir hätten sie am liebsten bei uns übernachten lassen, aber Nastya hat einen Hund. Und meine Partnerin und ich, wir haben beide eine Allergie gegen Hundehaare.

Nachdem weitere Ukrainerinnen und Ukrainer nach München geflüchtet sind, auch aus der Gruppe LGBTIQ*, haben wir im erweiterten Kreis der Kontaktgruppe 'Munich Kyiv Queer' noch mehr Unterkunftsmöglichkeiten gesucht. Dazu gründeten wir den Verein Munich Queer Homes. Es gründeten sich hieraus auch ein paar Wohngemeinschaften. Und für Nastya haben wir im Dezember 2022 auch eine eigene Wohnung gefunden. Seither übernehme ich das Mentoring für viele queere Leute aus der Ukraine, auch für Nastya. Behördengänge, Anmeldung zum Sprachunterricht, Jobbewerbungen ... Viele Leute unterschätzen das. Wer hier ein neues Leben aufbauen will, braucht nicht nur ein Dach überm Kopf. Die Leute wollen arbeiten, Hobbys und Freundschaften pflegen, tanzen gehen, Freude empfinden – eben ein eigenes, ein gutes Leben führen.

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Es ist wirklich faszinierend, wie schnell und engagiert Nastya und viele andere Deutsch gelernt haben. Nastya ist jetzt auf dem Sprachniveau B2. Das ist schon ziemlich ordentlich. Und es ist schön zu sehen, wie sie Schritt für Schritt vorankommt. Nastya hat zuletzt in der Gastronomie gearbeitet. In Kürze beginnt sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Für mich ist das eine große Motivation, mein Ehrenamt weiterzubetreiben, wenn ich diesen Erfolg sehe, weil es neben dem Beruf natürlich sehr viel Aufwand bedeutet. Es gibt dem ganzen einen Sinn. Den Menschen aus der Ukraine geht es durch das ehrenamtliche Engagement der Gruppe 'Munich Kyiv Queer' besser. Es ist wichtig, das in der Form zu erfahren. Das gibt einem das Gefühl, das eigene Ehrenamt unbedingt weiterbetreiben zu wollen.

Auch wenn ich mich nicht bewusst für das Ehrenamt entschieden habe: Ich denke, das liegt mir. Ich habe mich schon früh für andere Menschen in Not eingesetzt. Als ich jünger war, schrieb ich Briefe für Amnesty International. Wichtig ist mir, in dem Zusammenhang die Bürgerstiftung München zu nennen. Sie ist eine wesentliche Stütze des Mentoring-Programms und begleicht Unkosten. Ohne diese Hilfe wäre das alles viel schwieriger."

Offene Behindertenarbeit: Freizeitangebote für Menschen aus München mit Handicap

Heike Bloching ist 58 Jahre alt und engagiert sich seit Langem bei der Münchner Lebenshilfe in der offenen Behindertenarbeit. Beruflich ist die Wahlmünchnerin beim Katholischen Jugenddienst im Bereich der Personalverwaltung für das Freiwillige Soziale Jahr tätig.

"Ich setze mich schon sehr lange für andere ein. Schon zu meiner Jugendzeit in Stuttgart habe ich mich ehrenamtlich engagiert. Aus beruflichen Gründen bin ich dann nach München gezogen. Hier habe ich überlegt, wie ich am Besten Anschluss finden kann. Das Ehrenamt war natürlich naheliegend, so bin ich zur Lebenshilfe gekommen. Dort bin ich jetzt schon seit 30 Jahren in der offenen Behindertenarbeit tätig und mein Engagement macht mir sehr viel Spaß. Wir Ehrenamtlichen versuchen, mit den behinderten Menschen möglichst viel draußen unterwegs zu sein und so Inklusion zu leben. Zum Beispiel gehen wir oft Essen oder besuchen Ausstellungen, jetzt im Advent sind wir natürlich auch öfter mal gemeinsam auf Christkindlmärkte gegangen.

Heike Bloching.
Heike Bloching. © privat

Ansonsten findet ein Mal pro Woche ein Treffen mit den behinderten Menschen statt. Da kümmere ich mich um die Freizeitgestaltung. Das kann ganz vieles bedeuten: Wir kochen zum Beispiel zusammen mit den behinderten Menschen, schauen einen Film an oder reden auch manchmal einfach nur mit ihnen. Ab und zu begleite ich sie auch auf Reisen. Ich finde den Kontakt mit Menschen mit geistiger Beeinträchtigung sehr interessant. Sie haben eine so ehrliche Art und sind oft voller Lebensfreude. Außerdem leben sie im Hier und Jetzt. Bei der Arbeit mit ihnen kann man auch viel für sich selbst lernen.

Mit einigen der behinderten Menschen verbindet mich jetzt schon eine langjährige Beziehung. Man merkt auch, dass diese Verbindung auf Gegenseitigkeit beruht – man bekommt sehr viel für sein Engagement zurück, wenn man sieht, dass sie sich über die gemeinsamen Aktivitäten freuen. Auch der Kontakt zu den anderen Ehrenamtlichen ist eine große Bereicherung für mich. Viele von ihnen sind auch schon jahrelang regelmäßig dabei, da sind wirklich schon gute Freundschaften entstanden. Von der Lebenshilfe bekommen wir Ehrenamtlichen zum Glück eine sehr große Wertschätzung. Immer wieder gibt es viele gute Fortbildungsangebote - das hilft oft sehr bei der Arbeit mit behinderten Menschen."

Helferkreis für Geflüchtete: Wie eine Münchnerin einen jungen Mann vor der Abschiebung bewahrt hat

Als der Krieg in der Ukraine ausbricht, ist Linda (38) von Anfang an dabei in einem Helferkreis für Geflüchtete, der sich bildet und seitdem besteht. Der Kreis aus Privatpersonen, Vereinen und Initiativen kümmert sich um eine spezielle Gruppe Geflüchteter - die der nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen. Vielfach sind dies ausländische Studierende in der Ukraine, meist aus Staaten wie Nigeria, Ghana, Marokko, Indien, Turkmenistan oder Zimbabwe. Wie Tausende Ukrainer fliehen sie vor dem Krieg, auch nach Deutschland. Bundesweit sind es (Stand März) gut 38.000.

Lindas Helferkreis betreut mehrere Hundert Personen. Als im Sommer '22 die Regelung zum visafreien Aufenthalt für Geflüchtete aus der Ukraine ausläuft, haben es die Menschen ohne ukrainischen Pass ungleich schwerer als die Ukrainer, einen Bleibestatus zu bekommen. Auch Hamza (28), der in der Ukraine seit zwei Jahren IT Science studiert hat, und der in einer Erstaufnahmeeinrichtung im nördlichen Schwaben lebt, bekommt eine Ausreiseaufforderung. Linda lernt ihn im Dezember '22 kennen, als er bereits am Münchner Flughafen in Abschiebehaft sitzt - als erster dieser Gruppe bundesweit.

Linda Kirschner engagiert sich in einem Helferkreis für Geflüchtete.
Linda Kirschner engagiert sich in einem Helferkreis für Geflüchtete. © Sigi Müller

Der Münchner Flüchtlingsrat, auch Teil des Helferkreises, berät dort wöchentlich und alarmierte sie. Linda und ihre Mitstreiter aktivieren ihr bundesweites Netzwerk, starten eine Petition, informieren Presse und Politik. Mit Hilfe einer Anwältin kann Hamza nun einen Asylantrag stellen und kommt aus der Haft frei. Er lebt wieder in einer Gemeinschaftsunterkunft – und er bekommt einen Ausbildungsplatz zum Bürokaufmann.

"Hamza hatte seit dem ersten Moment absoluten Willen gezeigt und auch schnell Deutsch gelernt", sagt Linda. Gut ein halbes Jahr später wird sein Asylgesuch dennoch abgelehnt. Hamza muss ausreisen nach Nigeria, wo sein Vater von Milizen getötet wurde und das auch seine übrige Familie verlassen hat. Erst vor kurzem konnte er zurückkehren und seine Ausbildung antreten. Für Linda ist sein Fall ein Beweis, dass man auch im Kleinen, als Einzelner und als Zivilgesellschaft viel erreichen kann. "Wir können den Menschen auf so vielen Ebenen helfen. Durch Hilfe beim Briefe schreiben, Begleitung bei Behördengängen oder Übersetzungshilfen", sagt sie.

In ihr Ehrenamt fließt phasenweise fast ihre ganze Freizeit. In der akuten Phase nach Kriegsbeginn war sie manche Woche völlig ausgebrannt, sagt sie. Dennoch: Sich engagieren und helfen zu können ist für sie "ein Privileg" und "eine Verantwortung, die man wahrnehmen sollte". Nichts tun kommt für Linda nicht in Frage: "Ich müsste aktiv weg schauen, das kann und will ich nicht. Ich will nicht in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft leben, wo der Pass entscheidet, welche Chancen und Rechte ein Mensch hat. Mit dieser Ungerechtigkeit komme ich nicht klar."

Verein Dasein: Begleitung für Münchner, die im Sterben liegen

Katharina Krüger (56), medizinisch-technische Laborassistentin, engagiert sich seit 2020 für die ambulante Palliativversorgung "Dasein".

"Seit mehr als zehn Jahren schon ist es mir wichtig, ein Ehrenamt auszuüben. Denn ich habe schon oft im Leben spontan Hilfe von anderen Menschen bekommen. Daher wollte ich auch etwas zurückgeben. Schon als meine beiden, heute erwachsenen Kinder klein waren, habe ich gerne Extra-Aufgaben übernommen, sei es auch nur die Leitung einer Krabbelgruppe. Mein erstes Ehrenamt hatte ich als Lesepatin. Seit etwa zehn Jahren lese ich vor, noch heute, an der Grundschule Grafinger Straße. 2014 wollte ich mich noch stärker ehrenamtlich engagieren.

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Über die Agentur Tatendrang fing ich an, Senioren und Seniorinnen Gesellschaft zu leisten. Eine von ihnen wird mir immer in Erinnerung bleiben, eine Frau, die ich kennenlernte, als sie 92 gewesen ist. Ich besuchte sie regelmäßig, sie verstarb mit 96. Und in mir reifte langsam der Gedanke, dass ich gezielt Menschen im Hospiz begleiten könnte. Als dann mein Vater mit 85 verstorben ist, entschied ich mich während meiner Trauer endgültig dazu und stieß bei meinen Recherchen auf den Hospizdienst Dasein. Um so eine Aufgabe zu übernehmen, muss man erst einen Kurs besuchen. Diese Kurse sind eigentlich völlig ausgebucht. Doch es sprang jemand ab, ich durfte teilnehmen. Das war schon fast schicksalhaft.

Katharina Krüger engagiert sich für den Verein Dasein.
Katharina Krüger engagiert sich für den Verein Dasein. © abz

Ich lernte dort als Allererstes, mich meiner eigenen Endlichkeit zu stellen. Eine wichtige Erkenntnis dabei ist, dass man nur bedingt kontrollieren kann, wie alles einmal endet. Wir stehen alle irgendwann an der Schwelle zum Tod. Und das ist nach wie vor ein Tabuthema – zu Unrecht, wie ich finde. Jeder sollte sich damit auseinandersetzen. Das muss man aushalten, es wirkt nur im ersten Moment bedrohlich. Wer den Tod tabuisiert, riskiert, dass für die Nachwelt viel Unklarheit herrscht. In allen Hospizen bekommt man kostenfreie Beratung dazu, das sollte man wissen. Seit 2020 habe ich vier Menschen im Hospiz begleitet. Eine von ihnen war eine stark demente Ukrainerin, etwa 80 Jahre alt. Meist hielt ich einfach ihre Hand. Weil ich russisch spreche, reagierte sie auf mich. In einem hellen Moment sagte sie auf Russisch: 'Ich liebe dich sehr'."

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27 Kommentare
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  • Knoedel am 27.12.2023 16:04 Uhr / Bewertung:

    Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld was ist das denn?
    Mein Chef kennt diese Worte auch nicht, wollte von ihm mal wissen was das ist.

  • Sarah-Muc am 26.12.2023 11:06 Uhr / Bewertung:

    Ein ehrenamtlicher Gerichtsvollzieher? Wer nicht zahlt der wird gepfändet. So ist das eben! Auch wenn jemandem das nicht passt.

  • Der Pipopax am 26.12.2023 10:02 Uhr / Bewertung:

    Finde ich gut, dass diese Frau sich mutig gegen unseren Unrechtsstaat wehrt.

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