Flüchtlinge aus der Ukraine: So bereitet sich München vor

Stadt und Freistaat, Behörden und Hilfsorganisationen- alle rechnen mit Flüchtlingen aus der Ukraine. Bei der Vorbereitung helfen Erfahrungen aus 2015.
Myriam Siegert
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
43  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Das Rathaus ist mit der Europa, Ukraine und der Mayors-for-Peace-Fahne beflaggt und wird in den ukrainischen Nationalfarben angestrahlt werden.
Das Rathaus ist mit der Europa, Ukraine und der Mayors-for-Peace-Fahne beflaggt und wird in den ukrainischen Nationalfarben angestrahlt werden. © Bernd Wackerbauer

München - Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) beantwortet die Frage, die sich in diesen Tagen und Stunden viele stellen, am Freitag klar: "Auch wenn viele Menschen momentan noch aus der Ukraine vor allem in die Nachbarländer fliehen, wollen wir bestmöglich vorbereitet sein, um Geflüchteten auch in München Schutz vor Krieg und Gewalt in ihrer Heimat bieten zu können."

Mehr als 7.000 Ukrainerinnen und Ukrainer leben derzeit in München. Sie alle bangen um das Schicksal ihrer Angehörigen und Freunde in der Heimat. Man habe bereits vermehrt Nachfragen erhalten, "wie die Flucht von Freunden und Verwandten aus der Ukraine ermöglicht werden kann und wie es um die Aufnahme in Bayern steht", sagt etwa Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

"Dass wir schnell und professionell helfen können, haben wir schon 2015 gezeigt"

Andrea Betz, Vorständin der Diakonie München und Oberbayern, berichtet, aus den östlichen Ländern, vor allem auch der Ukraine, kämen schon seit Monaten viele Geflüchtete im Ankunftszentrum an, in dem die Diakonie mit Sozialberatung vor Ort sind. "Nun rechnen wir alle mit deutlich mehr Menschen, die vor den Kriegsgeschehnissen fliehen."

Andere Hilfsorganisationen wie auch Behörden und Ministerien gehen davon aus, dass es Fluchtbewegungen auch nach München und Bayern geben wird. Wie viele Menschen kommen werden, mag derzeit niemand prognostizieren, Dünnwald geht "zumindest von einigen Tausend" aus.

Und die Stadt ist vorbereitet: "Dass wir schnell und professionell helfen können, haben wir schon 2015 gezeigt", so Reiter, "auf diese Strukturen und Erfahrungen können wir jetzt zurückgreifen."

Das Sozialreferat bestätigte bereits am Donnerstag auf AZ-Nachfrage, die Stadt behalte die Fluchtbewegungen im Blick und stelle sich auf eine mögliche Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen ein.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Grundsätzlich zuständig für die Unterbringung von Geflüchteten ist der Freistaat, der die Menschen auf die Städte verteilt. Doch unabhängig davon werde "die mit der großen Fluchtbewegung 2015 gegründete Taskforce weiterhin als referatsübergreifendes Absprache- und Koordinationsgremium eingesetzt", so das Sozialreferat. "Diese kann und wird bei Bedarf den Sitzungsrhythmus und die Themen flexibel auf die aktuelle, politische Situation anpassen" und so zeitnah notwendige Unterbringungskapazitäten mobilisieren.

OB Dieter Reiter (SPD) berief am Freitag einen Stab für außerordentliche Ereignisse (SAE) ein, um die Vorbereitungen für die mögliche Unterbringung Geflüchteter zu koordinieren. Dort berichtete das Sozialreferat, kurzfristig könnten rund 500 Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung gestellt werden, weitere 1000 Plätze würden derzeit vorbereitet.

Bayerisches Innenministerium muss nun rasch reagieren

Ebenso wird geprüft, "ob bei einer größeren Zahl von Ankünften von Geflüchteten eine Unterbringung in Leichtbauhallen in Frage käme." Eine solche Lösung sei aus Sicht des Sozialreferats aber nur im absoluten Notfall tragbar.

Ergänzend sagte das Gesundheitsreferat zu, ausreichend medizinische Kapazitäten bereitzustellen, um bei der Unterbringung den Infektionsschutz und notwendige medizinische Behandlungen sicherzustellen. Zusätzlich stehe man mit Hilfsorganisationen wie Diakonie und Caritas in ständigem Austausch, so das Sozialreferat zur AZ.

Und auch die sind vorbereitet: "Wir können rasch reagieren und haben große Erfahrung darin, flexibel in unserer Beratungsarbeit mit steigenden Flüchtlingszahlen umzugehen", sagt Andrea Betz. Man könne "umgehend Hilfe leisten, etwa Kleidung bereitstellen oder Spenden organisieren, unterstützt durch viele Ehrenamtliche. Wir stehen bereits im Austausch mit allen Akteuren."

Auch die Caritas ist gewappnet: "Wir stehen parat und stellen uns ein, um in Abstimmung mit der Landeshauptstadt und der Regierung von Oberbayern geflüchtete Menschen schnell unterzubringen und zu versorgen", sagt Bettina Bäumlisberger, Sprecherin des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising. Doch sie mahnt auch: "Räume und Personal müssen finanziert, alle Notfonds geöffnet werden." Auch das Bayerische Innenministerium müsse nun rasch reagieren und sagen, ob der Freistaat Räume und Geld bereitstellt.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Die erfahrenen Helfer wissen, mit Material allein wird es nicht getan sein. "Auch die psychosoziale Versorgung spiele eine große Rolle", so Bäumlisberger.

Das sieht auch Andrea Betz so: "Die Menschen, die von dort kommen, werden vermutlich traumatisiert sein von den Ereignissen, von Krieg und Flucht. Besonders leidtragend in dieser Gruppe sind immer Kinder und Jugendliche. Daher brauchen sie besondere Aufmerksamkeit. Um sie kümmern sich in den Unterkünften die pädagogischen Unterstützungsangebote."

Ukrainische Staatsangehörige können visumsfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich hier bis zu 90 Tage ohne Aufenthaltstitel aufhalten. Ein solcher Kurzaufenthalt kann nach Anmeldung beim Bürgerbüro im KVR mit einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Ausnahmesituation um 90 Tage verlängert werden, teilt die Stadt mit.

Geflüchtete können  ein Asylgesuch stellen

Bei dieser Art des Aufenthalts haben die Betroffenen aber keinen Anspruch auf Leistungen wie Unterbringung oder Geldleistungen. Daher sei er nur sinnvoll für Personen, die in Deutschland Verwandte oder Bekannte haben oder sich den Aufenthalt selbst finanzieren können.

Alternativ können Geflüchtete natürlich ein Asylgesuch bei der Regierung von Oberbayern stellen, dann stehen ihnen Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zu. Allerdings werden die Menschen nach der Aufnahmequote auf die Bundesländer verteilt und "zur Wohnsitzname in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet", so die Stadt.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte bereits am Donnerstag nach einem Gespräch der Innenminister von Bund und Ländern und einem Treffen mit seinem rumänischen Amtskollegen Lucian Bode Unterstützung für die Anrainerstaaten der Ukraine zugesagt.

Diese schnelle Hilfe könne etwa durch Unterstützung von Rotem Kreuz oder THW geschehen, so Herrmann, und könne binnen zwei bis drei Tagen vor Ort sein.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte, dass Herrmann zunächst nicht von einer Aufnahme von Flüchtlingen sprach und appellierte, Grenzen offen zu halten, sichere Fluchtwege zu ermöglichen und einen Abschiebestopp für die Ukraine zu erlassen. Ukrainische Geflüchtete sollten einen humanitären Aufenthaltstitel bekommen, so der Flüchtlingsrat.

Münchner, die hier ankommende Menschen aus der Ukraine ehrenamtlich unterstützen wollen, können sich beim Verein "Münchner Freiwillige - Wir helfen" unter der E-Mail Adresse helfen@mfwh.de, Stichwort "Ukraine-Hilfe", melden.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
43 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • BBk am 27.02.2022 11:56 Uhr / Bewertung:

    Putins Russland hat sein wahres Gesicht gezeigt.
    Die Ukraine kämpft auch für uns also nehmt ihre Frauen und Kinder auf und schützt sie!.
    Ruhm der Ukraine ( Слава Україні, Slawa Ukrajini)
    Euere Seele, euer Lied
    wird nicht sterben, wird nicht verschwinden…

  • eule75 am 27.02.2022 14:25 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von BBk

    Wer leiden und es ausbaden muss, ist das ukrainische und russische Volk. Ich glaube, dass die meisten Russen über diesen Krieg entsetzt sind.

  • Witwe Bolte am 27.02.2022 18:41 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von eule75

    In einer TV-Sendung wurde kürzlich gesagt, dass sich die Mehrheit der Russen nach der alten Sowjetunion zurücksehnen würden.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.