Flüchtlinge aus der Ukraine: So bereitet sich München vor
München - Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) beantwortet die Frage, die sich in diesen Tagen und Stunden viele stellen, am Freitag klar: "Auch wenn viele Menschen momentan noch aus der Ukraine vor allem in die Nachbarländer fliehen, wollen wir bestmöglich vorbereitet sein, um Geflüchteten auch in München Schutz vor Krieg und Gewalt in ihrer Heimat bieten zu können."
Mehr als 7.000 Ukrainerinnen und Ukrainer leben derzeit in München. Sie alle bangen um das Schicksal ihrer Angehörigen und Freunde in der Heimat. Man habe bereits vermehrt Nachfragen erhalten, "wie die Flucht von Freunden und Verwandten aus der Ukraine ermöglicht werden kann und wie es um die Aufnahme in Bayern steht", sagt etwa Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
"Dass wir schnell und professionell helfen können, haben wir schon 2015 gezeigt"
Andrea Betz, Vorständin der Diakonie München und Oberbayern, berichtet, aus den östlichen Ländern, vor allem auch der Ukraine, kämen schon seit Monaten viele Geflüchtete im Ankunftszentrum an, in dem die Diakonie mit Sozialberatung vor Ort sind. "Nun rechnen wir alle mit deutlich mehr Menschen, die vor den Kriegsgeschehnissen fliehen."
Andere Hilfsorganisationen wie auch Behörden und Ministerien gehen davon aus, dass es Fluchtbewegungen auch nach München und Bayern geben wird. Wie viele Menschen kommen werden, mag derzeit niemand prognostizieren, Dünnwald geht "zumindest von einigen Tausend" aus.
Und die Stadt ist vorbereitet: "Dass wir schnell und professionell helfen können, haben wir schon 2015 gezeigt", so Reiter, "auf diese Strukturen und Erfahrungen können wir jetzt zurückgreifen."
Das Sozialreferat bestätigte bereits am Donnerstag auf AZ-Nachfrage, die Stadt behalte die Fluchtbewegungen im Blick und stelle sich auf eine mögliche Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen ein.
Grundsätzlich zuständig für die Unterbringung von Geflüchteten ist der Freistaat, der die Menschen auf die Städte verteilt. Doch unabhängig davon werde "die mit der großen Fluchtbewegung 2015 gegründete Taskforce weiterhin als referatsübergreifendes Absprache- und Koordinationsgremium eingesetzt", so das Sozialreferat. "Diese kann und wird bei Bedarf den Sitzungsrhythmus und die Themen flexibel auf die aktuelle, politische Situation anpassen" und so zeitnah notwendige Unterbringungskapazitäten mobilisieren.
OB Dieter Reiter (SPD) berief am Freitag einen Stab für außerordentliche Ereignisse (SAE) ein, um die Vorbereitungen für die mögliche Unterbringung Geflüchteter zu koordinieren. Dort berichtete das Sozialreferat, kurzfristig könnten rund 500 Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung gestellt werden, weitere 1000 Plätze würden derzeit vorbereitet.
Bayerisches Innenministerium muss nun rasch reagieren
Ebenso wird geprüft, "ob bei einer größeren Zahl von Ankünften von Geflüchteten eine Unterbringung in Leichtbauhallen in Frage käme." Eine solche Lösung sei aus Sicht des Sozialreferats aber nur im absoluten Notfall tragbar.
Ergänzend sagte das Gesundheitsreferat zu, ausreichend medizinische Kapazitäten bereitzustellen, um bei der Unterbringung den Infektionsschutz und notwendige medizinische Behandlungen sicherzustellen. Zusätzlich stehe man mit Hilfsorganisationen wie Diakonie und Caritas in ständigem Austausch, so das Sozialreferat zur AZ.
Und auch die sind vorbereitet: "Wir können rasch reagieren und haben große Erfahrung darin, flexibel in unserer Beratungsarbeit mit steigenden Flüchtlingszahlen umzugehen", sagt Andrea Betz. Man könne "umgehend Hilfe leisten, etwa Kleidung bereitstellen oder Spenden organisieren, unterstützt durch viele Ehrenamtliche. Wir stehen bereits im Austausch mit allen Akteuren."
Auch die Caritas ist gewappnet: "Wir stehen parat und stellen uns ein, um in Abstimmung mit der Landeshauptstadt und der Regierung von Oberbayern geflüchtete Menschen schnell unterzubringen und zu versorgen", sagt Bettina Bäumlisberger, Sprecherin des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising. Doch sie mahnt auch: "Räume und Personal müssen finanziert, alle Notfonds geöffnet werden." Auch das Bayerische Innenministerium müsse nun rasch reagieren und sagen, ob der Freistaat Räume und Geld bereitstellt.
Die erfahrenen Helfer wissen, mit Material allein wird es nicht getan sein. "Auch die psychosoziale Versorgung spiele eine große Rolle", so Bäumlisberger.
Das sieht auch Andrea Betz so: "Die Menschen, die von dort kommen, werden vermutlich traumatisiert sein von den Ereignissen, von Krieg und Flucht. Besonders leidtragend in dieser Gruppe sind immer Kinder und Jugendliche. Daher brauchen sie besondere Aufmerksamkeit. Um sie kümmern sich in den Unterkünften die pädagogischen Unterstützungsangebote."
Ukrainische Staatsangehörige können visumsfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich hier bis zu 90 Tage ohne Aufenthaltstitel aufhalten. Ein solcher Kurzaufenthalt kann nach Anmeldung beim Bürgerbüro im KVR mit einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Ausnahmesituation um 90 Tage verlängert werden, teilt die Stadt mit.
Geflüchtete können ein Asylgesuch stellen
Bei dieser Art des Aufenthalts haben die Betroffenen aber keinen Anspruch auf Leistungen wie Unterbringung oder Geldleistungen. Daher sei er nur sinnvoll für Personen, die in Deutschland Verwandte oder Bekannte haben oder sich den Aufenthalt selbst finanzieren können.
Alternativ können Geflüchtete natürlich ein Asylgesuch bei der Regierung von Oberbayern stellen, dann stehen ihnen Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zu. Allerdings werden die Menschen nach der Aufnahmequote auf die Bundesländer verteilt und "zur Wohnsitzname in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet", so die Stadt.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte bereits am Donnerstag nach einem Gespräch der Innenminister von Bund und Ländern und einem Treffen mit seinem rumänischen Amtskollegen Lucian Bode Unterstützung für die Anrainerstaaten der Ukraine zugesagt.
Diese schnelle Hilfe könne etwa durch Unterstützung von Rotem Kreuz oder THW geschehen, so Herrmann, und könne binnen zwei bis drei Tagen vor Ort sein.
Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte, dass Herrmann zunächst nicht von einer Aufnahme von Flüchtlingen sprach und appellierte, Grenzen offen zu halten, sichere Fluchtwege zu ermöglichen und einen Abschiebestopp für die Ukraine zu erlassen. Ukrainische Geflüchtete sollten einen humanitären Aufenthaltstitel bekommen, so der Flüchtlingsrat.
Münchner, die hier ankommende Menschen aus der Ukraine ehrenamtlich unterstützen wollen, können sich beim Verein "Münchner Freiwillige - Wir helfen" unter der E-Mail Adresse helfen@mfwh.de, Stichwort "Ukraine-Hilfe", melden.