Interview

Daniel Porcedda in Kiew: "Wir wissen nicht, wie wir hier rauskommen"

Wie der Organisator eines deutschen Stammtischs in Kiew die Geschehnisse erlebt.
Nina Job
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Der 62-jährige Luxemburger Daniel Porcedda organisiert in normalen Zeiten den "deutschen Stammtisch" in Kiew, woer seit 23 Jahren lebt. Erist Unternehmensberater und Anwalt.
Der 62-jährige Luxemburger Daniel Porcedda organisiert in normalen Zeiten den "deutschen Stammtisch" in Kiew, woer seit 23 Jahren lebt. Erist Unternehmensberater und Anwalt. © privat

Daniel Porcedda wohnt mit Frau und Stieftochter in einem Kiewer Hochhaus - er schildert Dramatisches.

AZ: Herr Porcedda, Sie sind noch in Kiew - warum?
DANIEL PORCEDDA: Wir sind hier festgesetzt. Wir wissen nicht, wie wir hier rauskommen. Wir haben kein Auto. Meine Frau ist die ganze Zeit damit beschäftigt, nach einer Möglichkeit zu suchen, in die EU zu kommen.

"Draußen wären wir völlig schutzlos"

Wo halten Sie sich gerade auf?
In unserer Wohnung. Hier fühlen wir uns momentan noch sicher. Draußen auf der Straße wären wir völlig schutzlos. Alle Transportmittel sind völlig ungeschützt. Und im ganzen Land laufen russische Soldaten rum.

Wie haben Sie das erlebt, als Russland begonnen hat, Kiew anzugreifen?
Wir sind um 5 Uhr aufgewacht, weil wir die ersten Explosionen hörten. Seitdem haben wir kaum geschlafen. Heute früh ging es 20 nach 4 Uhr los.

Sehen Sie zerstörte Gebäude?
Von hier aus nicht. Kiew ist geteilt, das Zentrum mit den Regierungsgebäuden ist rechts des Flusses Dnepr. Wir leben auf der linken Seite. Ich blicke vom Wohnzimmerfenster aus auf das Fußballstadion und das Höhlenkloster.

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Wie würden Sie die Situation in Ihrem Viertel beschreiben?
Es ist total surrealistisch. Unfassbar. Die Leute sind nicht panisch. Die meisten sind sehr ruhig. Im Supermarkt bei uns gab es nicht mal Hamsterkäufe.

"Wenn Putin seine Drohung wahr macht, sind nicht nur wir betroffen, sondern auch die EU und Russland"

Wie erklären Sie sich das?
Für die Ukrainer herrscht schon seit acht Jahren Krieg. Sie verfallen nicht so leicht in Panik. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich Leute ihren Hund ausführen und Frauen mit Kinderwagen. Da sind wir Europäer eher beunruhigt. Die Ukrainer werden uns mental haushoch überlegen sein, wenn es richtig katastrophal wird.

Russland hat offenbar das Atomkraftwerk Tschernobyl eingenommen. Es ist nur 70 Kilometer von Kiew entfernt. Wie groß ist Ihre Angst vor einem Atomkrieg?
Man wusste, dass die Gefahr besteht, dass atomare Anlagen angegriffen werden. Angeblich sind bereits erhöhte radioaktive Werte gemessen worden. Aber ob das stimmt, weiß ich nicht. Im russischen Fernsehen wird offen mit einem Nuklearkrieg gedroht. Wenn Putin seine Drohung wahr macht, sind nicht nur wir betroffen, sondern auch die EU und Russland. Es ist absurd. Das wäre eine Harakiri-Aktion. Mir scheint, er hat innenpolitisch keinen Rückhalt mehr und handelt nach dem Motto: Wenn schon ich untergehen soll, dann die Welt mit mir.

"Wir haben einen kleinen Rucksack mit dem Nötigsten gepackt"

Was würden Sie von der EU und Deutschland erwarten - oder fordern?
Ich bin ein überzeugter Pazifist. Aber der Ukraine nicht wenigstens Defensivwaffen zur Verfügung zu stellen, ist unterlassene Hilfeleistung.

Wie sollen Sie sich jetzt verhalten, was wurde geraten?
Wir sollen uns bereithalten und die Schutzräume aufsuchen, wenn die Sirenen heulen. Wir haben einen kleinen Rucksack mit dem Nötigsten gepackt: Handy, Wechselkleidung, Laptop.

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Wo können Sie Schutz suchen?
Gute Frage. Kellerräume, in denen man sich aufhalten kann, sind in Osteuropa selten. Es gibt hier im Haus einen, aber er reicht unmöglich für alle Bewohner.

Was bedeutet das? Wo bringen Sie sich in Sicherheit?
Uns bleibt nur, über die Straße zu laufen und dann im Freien möglichst weit weg von den Gebäuden zu bleiben.

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1 Kommentar
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  • Heinrich H. am 26.02.2022 11:40 Uhr / Bewertung:

    Was ist ein durchgeknalltes aus dem Ruder gelaufenes Individium ......P U T I N !!

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