Farb-Offensive bei Olympia '72: Die Sonne scheint hellblau

Nie gab es für die Olympischen Spiele eine so fröhliche, umfassende Design-Offensive wie 1972 in München. Der Gestalter Otl Aicher hat alle optischen Strippen gezogen und auf Pathos verzichtet. Das war im besten Sinne ansteckend.
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Diese Farben machen gute Laune – im Sport und in der Kultur: Quer durch ganz München, am Flughafen und entlang der Autobahnen waren die Olympischen Spiele angenehm präsent.
Kai Mewes/Die Neue Sammlung 12 Diese Farben machen gute Laune – im Sport und in der Kultur: Quer durch ganz München, am Flughafen und entlang der Autobahnen waren die Olympischen Spiele angenehm präsent.
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Kai Mewes/Die Neue Sammlung 12 Diese Farben machen gute Laune – im Sport und in der Kultur: Quer durch ganz München, am Flughafen und entlang der Autobahnen waren die Olympischen Spiele angenehm präsent.
Diese Farben machen gute Laune – im Sport und in der Kultur: Quer durch ganz München, am Flughafen und entlang der Autobahnen waren die Olympischen Spiele angenehm präsent.
Kai Mewes/Die Neue Sammlung 12 Diese Farben machen gute Laune – im Sport und in der Kultur: Quer durch ganz München, am Flughafen und entlang der Autobahnen waren die Olympischen Spiele angenehm präsent.
Auch auf den Ablaufplänen für die Wettkämpfe haben Aichers Farben für Übersichtlichkeit gesorgt.
Kai Mewes/Die Neue Sammlung 12 Auch auf den Ablaufplänen für die Wettkämpfe haben Aichers Farben für Übersichtlichkeit gesorgt.
Die hellblaue Olympia-Sonne hat selbst aus Aschenbechern geleuchtet.
Münchner Stadtmuseum 12 Die hellblaue Olympia-Sonne hat selbst aus Aschenbechern geleuchtet.
Otl Aicher – vor den Piktogrammen – hat das Gesicht der Olympischen Spiele geprägt.
Sven Simon/imago 12 Otl Aicher – vor den Piktogrammen – hat das Gesicht der Olympischen Spiele geprägt.

München - Es gibt Farben, die machen einfach gute Laune. Sonniges Gelb zum Beispiel und freches Apfelgrün, Orange natürlich und dann Blau, vor allem helles Blau. Das erinnert an den Himmel und ist vielleicht die leichtfüßigste Couleur überhaupt. Man muss kein Farbpsychologe sein, um diese Zusammenhänge zu realisieren, und doch ist es bis heute verblüffend, dass jemand all diese Töne ganz bewusst in ein Konzept gebracht hat, um ausgerechnet das Bild einer Nation neu zu fassen.

Für solche Vorhaben werden gemeinhin markige Farben verwendet. Man will bei diesen Auftritten ja auch immer ein bisschen die Muskeln spielen lassen, dynamisch daherkommen und auffallen. Aber genau das war Otl Aicher zuwider. Der große Gestalter aus Ulm hatte sich gleich nach dem Zweiten Weltkrieg für ein demokratisches, freies, humanes Deutschland eingesetzt. Als Freund von Hans und Sophie Scholl wusste er um die allerdunkelsten Seiten einer Nation auf Irrwegen. Seine Arbeit, das heißt, seine Plakate, Produktentwürfe oder Logos sind der grundsätzliche Gegenentwurf ("mein denken war andenken gegen Hitler"). Und mit den Olympischen Spielen 1972 konnte er all das, was ihn seit 1945 um- und angetrieben hatte, noch einmal auf einen wunderbaren – heiteren – Gipfel bringen.

Otl Aicher – vor den Piktogrammen – hat das Gesicht der Olympischen Spiele geprägt.
Otl Aicher – vor den Piktogrammen – hat das Gesicht der Olympischen Spiele geprägt. © Sven Simon/imago

Olympia-Maskottchen "Waldi": Fernab von jedem Braun

Man sieht das besonders schön am "Waldi", den die damals erst 20-jährige Praktikantin Elena Winschermann im Austausch mit Aicher entworfen hat. Dieses erste Maskottchen der olympischen Geschichte ist damals lange nicht nur durch die bundesdeutschen Kinderzimmer getappelt, sondern war vom Schlüsselanhänger (an den Einzelteilen hat man so lange gedreht, bis der arme Waldi auseinanderbrach) bis zum Auto-Ersatzdackel in Plüsch schwer begehrt. Und das fern von jedem Braun, das eingedenk der NS-Vergangenheit gar nicht erst infrage kam. Von Rot und Schwarz ganz zu schweigen.

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Sowieso ist es Aicher gelungen, das Bayerische ganz nonchalant in sein weltoffenes Design einfließen zu lassen. Denn da war nicht nur der Dackel, der das wahre Wappentier der Bayern ist, zumindest das der Herzen. Aicher hat auch die Landschaft miteinbezogen, das heißt, den eingangs erwähnten zartblauen Himmel, die Wiesen und die Berge. Wenn man an einem schönen Tag auf einer Münchner Anhöhe in Richtung Süden schaut, flirren ihre Gipfel silbern in der Sonne. Das betrifft genauso die Seen der Umgebung. Und Hellblau, leuchtendes Grün und Silber sind Aichers Grundfarben.

Aichers Vorschlag: Ein "frisches lichtes Blau"

Sie bilden den Fond für viele Olympia-Darstellungen. Aicher hatte bereits 1967, da war er gerade ein Jahr am Konzipieren, "frisches lichtes Blau" für das Emblem des Strahlenkranzes vorgeschlagen: Das galt als Farbe des Friedens. Wobei dieses Sonnenzeichen nicht nur auf der olympischen Fackel oder auf Gedächtnismünzen zu finden ist, sondern auch auf T-Shirts und Aschenbechern, also Produkten, die man heute dem Merchandising zurechnen würde.

Vom Regenbogen war damals noch nicht die Rede. Und so ganz passt der Begriff auch nicht zum tatsächlichen Erscheinungsbild der Spiele und schon gar nicht zu den von Aicher und Rolf Müller gestalteten Plakaten, auf denen auch helles und dunkles Grün für jugendliche Vitalität sorgen.

Auch auf den Ablaufplänen für die Wettkämpfe haben Aichers Farben für Übersichtlichkeit gesorgt.
Auch auf den Ablaufplänen für die Wettkämpfe haben Aichers Farben für Übersichtlichkeit gesorgt. © Kai Mewes/Die Neue Sammlung

Die Farbfindung der Münchner Sommerspiele war durchaus ein längerer Prozess. Und auch die Akzeptanz als umfassendes Konzept nicht selbstverständlich. Die Architekten sahen in der fröhlichen Palette "reine Werbefarben", erinnert sich der Designer Walter Schwaiger aus Aichers Münchner Büro. Da wurde zuweilen debattiert wie vor den Entwürfen für das ideale Stadion.

Olympische Ringe wurden minimal überholt

Dass sogar die 1972 eingesetzten olympischen Ringe eine gewisse Überholung erfahren hatten, ist allerdings nur wenigen bekannt. Aicher wollte die 1913 festgelegten, die verschiedenen Erdteile symbolisierenden Farben Blau, Schwarz, Rot, Gelb und Grün auf ihre Wirkung hin modifizieren. Das schwache Gelb erhielt deshalb eine größere Strichstärke, das intensive Schwarz eine schwächere.

Das fällt nur auf, wenn man's weiß. Und Aicher, das erzählen alle, die mit ihm zu tun hatten, konnte nichts einfach so lassen. Zumindest nichts, dass für die visuelle Kommunikation bestimmt war und damit den Menschen helfen sollte, sich zurechtzufinden – nicht ihnen zu sagen, wo's lang geht. Der optische Befehlston fehlte im Werkzeugkasten Aichers, der im Umgang sehr wohl das Alphatier geben konnte.

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Abgesehen davon sei die Gestaltung des Erscheinungsbildes der Spiele eigentlich eine Ordnungsaufgabe, betonte er. Das verdeutlichen gerade die berühmten Piktogramme, die so gut funktionieren, dass sie nach wie vor Verwendung finden. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Sicher, Piktogramme gab es schon vor Aichers großem Wurf, die Österreicher Otto und Marie Neurath hatten in den 1920er Jahren mit sogenannten "Isotypen" gearbeitet, die für ein System bildhafter Erziehung stehen. Man kapiert sofort, worum es geht. Auch ohne besondere Kenntnisse. Und dieses Prinzip liegt Aichers Werk und gerade den Piktogrammen zugrunde, die im Fall der Olympischen Spiele von einem internationalen Publikum verstanden werden mussten.

Naheliegend war die Zusammenarbeit mit Grafikern, die eine Sache mit wenigen Strichen quasi auf den Punkt bringen konnten, wie etwa Karikaturisten. Gerhard Joksch kam aus dem entsprechenden Metier, und man darf davon ausgehen, dass er den Sinn für Posen mitbrachte.

Die hellblaue Olympia-Sonne hat selbst aus Aschenbechern geleuchtet.
Die hellblaue Olympia-Sonne hat selbst aus Aschenbechern geleuchtet. © Münchner Stadtmuseum

Olympia-Piktogramme: Klares Raster- und Modulsystem

Die sportelnden Figuren sind freilich nicht durch eine flotte Feder entstanden, sondern in einem klaren Raster- und Modulsystem. Die typischen Bewegungen wurden so weit wie möglich abstrahiert und in Bausteine zergliedert. Man ist dann schnell bei den geometrischen Grundformen. Senkrechten, Waagrechten und Diagonalen müssen aber so gesetzt sein, dass der Betrachter die Linie in Dynamik überträgt.

Für Joksch waren die Rasterübungen dagegen nur die Grundlage, im Detail verließ sich der versierte Zeichner dann doch auf sein Gespür. Man sieht das in den verschiedenen Entwurfsstadien. Und um die Bildzeichen gleich noch menschheitsgeschichtlich zu verankern, hat Otl Aicher von prähistorischen Felsmalereien wie Bogenschützen erzählt, auf die er Joksch verwiesen hätte.

Die Piktogramme sind also zeitlos, schon weil ihnen jedes Pathos abgeht. Heroische Muskeln haben nicht einmal die Gewichtheber und Boxer, jede Geste bleibt sympathisch neutral. Das mag manchem Werbefachmann heute nicht mitreißend genug sein, aber für ein gleichberechtigtes Miteinander – auch im wettbewerbsbedingten Gegeneinander – ist das die schönste Voraussetzung. Es heißt schließlich Olympische Spiele, nicht Kämpfe. Davon könnten sich die aktuellen Designer wieder etwas abschauen, die aus jeder joggenden Ente eine Mixtur aus Lara Croft und Wonderwoman zwirbeln.

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Obwohl sich die Gestaltungsteams in Zurückhaltung übten und nichts billig auftrumpfen sollte, wusste Aicher sehr wohl, dass man kommunikatives Design noch umfassender denken muss. In diesem Fall über die Spiele hinaus in die Stadt hinein. München war 1972 nicht nur voll geschmackvoll (!) bunter Plakate, die den Sport unter die Leute brachten. Die Farben zogen sich genauso durch Schaufenster – Ladenbesitzer wurden beim Dekorieren unterstützt –, durch sämtliche Drucksachen der Stadt und nicht zuletzt durch die Kulturinstitutionen. Selbst in Bahnhöfen, auf Flughäfen und entlang der Autobahnen leuchtete die olympische Palette. Und am Ufer des Starnberger Sees hingen die passenden Lampions in den Bäumen.

27 Jahre nach dem Krieg war viel nachzuholen und noch mehr zu demonstrieren. Dass der bestens vernetzte Otl Aicher "sein" Olympiakonzept weniger mit erfahrenen Experten als vor allem mit ganz jungen Leuten entwickelt und umgesetzt hat, kam nicht von ungefähr. Die Aufmärsche der Nazis hatten die wenigsten bewusst erlebt, viele waren noch keine 30 und relativ unbelastet. Das macht auch gedanklich frei. Und schließlich hat dieses Corporate Design des Unternehmens Bundesrepublik Deutschland sagenhaft funktioniert. Für ein sportliches Ereignis gab es wahrscheinlich nie mehr eine so umfassende, nachhaltige Gestaltungsoffensive. Man sollte die Resultate nur etwas inniger pflegen.


Architektur und Design der Olympischen Spiele 1972 sind in zwei neuen Ausstellungen der Pinakothek der Moderne (Di bis So 10-18, Do bis 20 Uhr) und im "Typisch München!"-Bereich des Stadtmuseums (Di bis So 10 bis 18 Uhr) zu finden.

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