Der Designer von München '72: 100 Jahre Otl Aicher

Er schuf das Design für die Olympischen Spiele 1972 und trug seine Piktogramme von München in die ganze Welt. Vor 100 Jahren wird Otl Aicher geboren und prägt das Erscheinungsbild Deutschlands.
Sebastian Schlenker, dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Otl Aicher 1953 in seinem Atelier.
Otl Aicher 1953 in seinem Atelier. © Florian Aicher (HfG-Archiv, Museum Ulm)/dpa

München/Ulm - Seine Designs prägten das Deutschland des 20. Jahrhunderts. Das Erscheinungsbild der Lufthansa, der Olympischen Spiele 1972 in München oder des ZDF – die Werke des Gestalters Otl Aicher sind bis heute unverkennbar. Die Geschichte des Mannes und persönliche Verbindung zu seinem Schaffen sind weit weniger bekannt. Am 13. Mai wäre der in Ulm geborene Otto "Otl" Aicher 100 Jahre alt geworden.

Aicher wächst in Ulm auf und freundet sich dort mit den Widerstandkämpfern Hans und Sophie Scholl an. Er weigert sich, der Hitlerjugend beizutreten und wird deshalb inhaftiert. Als Soldat bei der Wehrmacht desertiert Aicher und versteckt sich bei Familie Scholl.

Otl Aicher: Karrierebeginn in Ulm

Nach dem Krieg und einem abgebrochenen Studium der Bildhauerei in München schafft Aicher seine ersten Designs für die Ulmer Volkshochschule (vh). Diese gründet er 1946 zusammen mit seiner späteren Frau Inge Scholl, der älteren Schwester von Hans und Sophie Scholl. Zahlreiche Plakate der vh prägen das Bild der Innenstadt von Ulm nach dem Krieg.

1953 kommt die Hochschule für Gestaltung (HfG) dazu, die Aicher mit seiner Frau und dem Architekten Max Bill in Ulm gründet. Die Hochschule prägt das Bild des Berufs als Designer und gewinnt Ansehen weit über Ulm hinaus. An der HfG entsteht auch das Erscheinungsbild der Lufthansa, mit dem Aicher den Schritt in die Welt der international tätigen Firmen schafft.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Bereits eine bemerkenswerte Karriere für Aicher, der sich alles selbst beibrachte, wie Martin Mäntele, Leiter des HfG-Archivs, sagt. Ohne Ausbildung und Abschluss lässt Aicher sich in Ulm nieder. Doch seine Arbeit mit klaren Linien und einer einprägsamen Formensprache überzeugt. Wenn auch nicht ohne Begleitung durch Kritik erhält Aicher den Zuschlag, das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 in München zu gestalten.

Wichtig ist Aicher dabei die Abgrenzung zur Zeit des Nationalsozialismus. Die Farben Rot, Gold und Schwarz sind tabu. Stattdessen setzt er auf Farben, die keine Assoziationen mit Macht wecken: Hellblau, Gelb, Orange. "Nichts sollte an das Dritte Reich erinnern", sagt Mäntele.

Martin Mäntele neben Plakten, die Otl Aicher gestaltet hat.
Martin Mäntele neben Plakten, die Otl Aicher gestaltet hat. © Stefan Puchner/dpa

Dackel Waldi: Aicher ist für Olympia-Maskottchen zuständig

Dabei entsteht auch der Dackel Waldi – das erste Olympia-Maskottchen überhaupt. Von Aicher rasch und sympathisch gezeichnet, wird der Hund mit seinem wedelnden Schwanz und dem aufblickenden Kopf in den typischen Olympia-Farben zum Symbol für die Spiele. Aufgrund seiner Popularität wird der zweidimensionale Dackel gar zur Werbefigur für München und ist später auch als Stofffigur zu haben.

Lesen Sie auch

Ein weiteres wichtiges Element der Gestaltung für Olympia bilden die Piktogramme. Nicht nur für die verschiedenen Sportarten, sondern auch als Wegweiser auf dem Gelände ermöglichen sie es, über alle Sprachbarrieren hinweg für Verständigung zu sorgen – und werden noch heute weltweit genutzt.

Im Archiv der Hochschule für Gestaltung erläutert Archivleiter Martin Mäntele Piktogramme, die Otl Aicher gestaltete.
Im Archiv der Hochschule für Gestaltung erläutert Archivleiter Martin Mäntele Piktogramme, die Otl Aicher gestaltete. © Stefan Puchner/dpa

Auch mit den Plakaten für die Spiele erlangt der Designer große Bekanntheit. Aicher sei es gelungen, mit jedem Plakat den sprechenden Moment der Sportart darzustellen, sagt Mäntele. Zudem gestaltet Aicher für Olympia ein umfassendes Erscheinungsbild. Er legt Gestaltungsrichtlinien fest, die sich in jedes Detail ergießen – und setzt damit Maßstäbe. Von der Kleidung für Mitarbeitende über Möbel bis hin zu den Eintrittskarten.

Olympia-Plakate, gestaltet von Aicher.
Olympia-Plakate, gestaltet von Aicher. © Stefan Puchner/dpa

Unfall mit Rasenmäher: Aicher wacht nicht mehr aus dem Koma auf

In den 70er Jahren zieht Aicher in einen alten Bauernhof nach Rotis, einem Ortsteil des heutigen Leutkirch im Allgäu. Es entstehen neben der Schriftart Rotis auch von ihm entworfene Atelierhäuser. Im September 1991 baut Aicher, der laut Mäntele äußert gerne Rasen mähte, mit einem Aufsitzmäher einen Verkehrsunfall und wacht aus dem Koma nicht mehr auf.

Doch seine Designs überdauern bereits Jahrzehnte. Die Gestaltungslösungen Aichers sind nach wie vor relevant, meint Mäntele. Aicher sei stets ein selbstständiger Denker gewesen und diese Haltung zeige sich auch in seinen Werken.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.