Essen im Restaurant könnte schon bald deutlich teurer werden: Wirt in München mit besonderer Aktion

Bald endet die Regelung der vergünstigten Mehrwertsteuer in der Gastronomie, ab Januar sollen es wieder 19 statt sieben Prozent sein. Münchner Wirte erklären, was das für die Gäste bedeuten würde.
Julia Wohlgeschaffen
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Der Restaurantbesuch – auch in München – könnte für die Gäste schon bald wieder teurer werden. (Archivbild)
Der Restaurantbesuch – auch in München – könnte für die Gäste schon bald wieder teurer werden. (Archivbild) © imago/aal.photo

München - Wer in den vergangenen zwei Wochen ins Giesinger Bräustüberl eingekehrt ist, den dürfte ein Blick auf die Speisekarte stutzig gemacht haben: Hier stehen neben allen Gerichten auf einmal zwei Preise, einer davon in Klammern und deutlich höher als der andere. Der Grund: Dieser Preis beinhaltet mit 19 Prozent eine höhere Mehrwertsteuer – im Gegensatz zu den sieben Prozent beim aktuell gültigen Preis.

Konkret heißt das unter anderem: 25,90 Euro und 28,80 Euro für das Schnitzel, 15,90 Euro und 17,70 Euro für die Käsespätzle sowie 14,90 Euro und 16,60 Euro für den Kaiserschmarrn. Eine Maßnahme, die offenbar zu Verunsicherung unter den Gästen führte, Wirt Steffen Marx erzählt von "Rückfragen, was es damit auf sich hat". Dabei hat er den zweiten Preis aus gutem Grund auf die Karten drucken lassen.

Durch die Steuersenkung sollte die Gastro-Branche entlastet werden

Die Bundesregierung senkte 2020 den Mehrwertsteuersatz für Speisen in Restaurants und Gaststätten von 19 auf sieben Prozent. Diese Regelung sollte ursprünglich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Beschränkungen mildern und wurde schließlich bis zum 31. Dezember 2023 verlängert – um die Gastronomie-Branche zu entlasten und die Inflation nicht weiter zu befeuern.

Die Regelung gilt also nur noch knapp zwei Monate, die Sorge bei den Gastronomen ist dementsprechend hoch. "Eine Steuererhöhung zum 1. Januar 2024 wäre eine Katastrophe für die Betriebe und würde zu einem Preisschock für die Gäste führen – mit fatalen Folgen für die Gesellschaft, den Staat und die Gastgeber", teilt etwa der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) mit.

Giesinger-Bräu-Chef Steffen Marx hat zwei Preise auf seiner Karte abgedruckt.
Giesinger-Bräu-Chef Steffen Marx hat zwei Preise auf seiner Karte abgedruckt. © imago/Hans-Rudolf Schulz

Um seinen Gästen zu zeigen, was die erhöhte Mehrwertsteuer für sie direkt bedeuten würde, druckt Marx also beide Preise auf seine Karte. "Viele haben es nicht mitbekommen, aber es würde zu einer Reihe von Preiserhöhungen kommen. Das ist noch nicht überall angekommen", erklärte ein Sprecher von Giesinger Bräu im Gespräch mit der AZ. Trotz der teils anfänglichen Verunsicherung hätten die Gäste im Bräustüberl überwiegend Verständnis für die Aktion: "Es gab so gut wie kein negatives Feedback von Gästeseite", teilt Marx mit. Online sieht das ein bisschen anders aus.

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Kunden-Kritik: "Mit welcher Begründung wird die Preiserhöhung an die Gäste weitergegeben?"

Bei den Google-Rezensionen des Bräustüberls finden sich zwar auch einige Unterstützer, doch Kritik gibt es ebenfalls: "Leider hat mich Ihre Aktion auf der Speisekarte sehr geärgert", schreibt ein Nutzer beispielsweise. Mit welcher Begründung die steigende Mehrwertsteuer an die Gäste weitergegeben werde, möchte er wissen.

Gregor Lemke, der Vorsitzende der Münchner Innenstadtwirte, versteht, dass manche Gäste verärgert sind. Er argumentiert allerdings, dass viele Betriebe nicht mehr funktionieren würden, wenn sie eine Mehrwertsteuererhöhung um zwölf Prozent abfangen und nicht an die Gäste weitergeben würden. "Wir mussten die Löhne erhöhen, haben hohe Energiekosten – es ist eher eine Frage des Überlebens", sagt Lemke der AZ.

Augustiner-Klosterwirt Gregor Lemke sagt, dass viele Betriebe nicht mehr funktionieren würden, wenn sie eine Mehrwertsteuererhöhung um zwölf Prozent abfangen und nicht an die Gäste weitergeben würden
Augustiner-Klosterwirt Gregor Lemke sagt, dass viele Betriebe nicht mehr funktionieren würden, wenn sie eine Mehrwertsteuererhöhung um zwölf Prozent abfangen und nicht an die Gäste weitergeben würden © Daniel von Loeper

Auch Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges berichtet, dass die Gastronomie zuletzt viele Kosten zu verkraften hatte. "Die Personalkosten und die Lebensmittelkosten sind enorm gestiegen", erklärt sie. Außerdem führe der Mitarbeitermangel zu hohen Gehaltsforderungen.

"Warum wird man bestraft, wenn man Servicekräfte anstellt und ein schönes Ambiente schafft?"

Doch eine Mehrwertsteuer von sieben Prozent findet sie auch aus einem anderen Grund gerechtfertigt: "Das Hauptargument ist eine steuerliche Gleichbehandlung von Essen", so Hartges auf Anfrage der AZ.

"Es wäre widersprüchlich und wettbewerbsverzerrend, frisch zubereitetes Essen in unseren Restaurants ab 1. Januar 2024 wieder mit 19 Prozent zu besteuern, während auf Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Essenslieferung sieben Prozent erhoben werden", teilt der Dehoga mit. Diese Kritik kommt auch von Giesinger Bräu: "Warum wird man bestraft, wenn man Servicekräfte anstellt und ein schönes Ambiente schafft? Das ist unverständlich und ungerecht", sagt der Sprecher.

Nicht nur in München protestieren viele Gastronomen gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer. Hier ein Beispiel von der Sternschanze in Hamburg. (Symbolbild)
Nicht nur in München protestieren viele Gastronomen gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer. Hier ein Beispiel von der Sternschanze in Hamburg. (Symbolbild) © imago/Hanno Bode

Für eine dauerhaft niedrige Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf Speisen hat der Dehoga daher im August eine Online-Petition gestartet, bei der bis Anfang November bereits rund 185.000 Unterschriften gesammelt wurden. "Wichtig ist, die Politiker mit den guten Argumenten zu überzeugen", findet Hartges. Generell müsse die Gastronomie bezahlbar bleiben, auch um die soziale Teilhabe für alle Gesellschaftsgruppen zu ermöglichen. "Ich hoffe, dass die Politik die guten Argumente der Branche nachvollzieht", sagt Hartges.

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Das scheint auch durchaus der Fall zu sein: Politiker verschiedener Parteien haben sich in den vergangenen Monaten für den niedrigen Prozentsatz ausgesprochen. Einen Antrag der CDU/CSU im Bundestag für die Fortführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes lehnten die Ampel-Fraktionen im Juni 2023 jedoch ab und verwiesen in ihrer Begründung auf die Folgen für den Bundeshaushalt und die angespannte Haushaltssituation.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) setze sich seit langem für die Entfristung des reduzierten Umsatzsteuersatzes ein, erklärte ein Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie auf Anfrage der AZ: "Zuletzt hat er sich dazu im August in Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Dr. Habeck und Bundesfinanzminister Lindner gewandt."

Protest des Dehoga gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent in der Gastronomie.
Protest des Dehoga gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent in der Gastronomie. © imago/Wolfgang Maria Weber (www.imago-images.de)

In zahlreichen anderen EU-Staaten werde zwischen Essen aus dem Supermarkt, dem Essen im Gehen und Stehen sowie dem Essen in Gastwirtschaften und Festzelten steuerlich kein Unterschied gemacht. "Eine Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen erschwert es gerade auch Menschen mit geringem Einkommen, am sozialen Leben teilzuhaben", erklärt der Ministeriumssprecher. "Wenn gemeinsames Essen mit der Familie gut zehn Euro teurer wird, werden sich dies künftig immer weniger Menschen leisten können."

Im September stimmte der Bundestag darüber ab – ein dauerhaft ermäßigter Steuersatz von sieben Prozent auf den Verzehr von Speisen in Restaurants hat dort aber keine Mehrheit gefunden. Ende Oktober sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bezüglich der aktuellen Steuerschätzung außerdem, dass er "keine neuen Verteilungsspielräume" sehe.

Gastro-Verbände verfassen Schreiben: "Essengehen darf nicht zum Luxus werden"

Doch die Gastro-Branche wehrt sich weiter. Anfang November veröffentlichten rund ein Dutzend gastronomische Verbände in Deutschland nochmal ein gemeinsames Schreiben. Darin heißt es: "Gemeinsam appellieren wir an alle politischen Entscheiderinnen und Entscheider, an den 7 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie festzuhalten" und "Essengehen darf nicht zum Luxus werden."

Im November wird der Haushaltsausschuss im Bundestag wohl noch eine ganze Reihe meist kleinerer Änderungen vornehmen. Ob sich an der Mehrwertsteuer-Regelung doch noch etwas ändert, wird sich zeigen. Spätestens dann wird auch Steffen Marx entscheiden können, welchen der beiden Preise er endgültig auf die Speisekarte seines Giesinger Bräustüberls schreiben wird.

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  • (Symbolbild) am 08.11.2023 10:17 Uhr / Bewertung:

    Mein Lieblingsgrieche beispielsweise hat die Preise seit 2018 für die Mittagsgerichte (und wohl auch den Rest, aber abends sieht er mich nicht) um 45 % erhöht. Hätte ich netto auch 45 % mehr im Geldbeutel, würde ich mich nicht beklagen. Ich habe aber nur 10 % Gehaltssteigerung brutto in den fünf Jahren bekommen - insgesamt - und durch die Steuerprogression bleiben natürlich keine 10 % netto übrig.
    Gerade der Giesinger Bräu, also der mit den zwei Preisen in der Karte, hat in den letzten Jahren die Preise extrem angezogen. Ich mag ja das Bier sehr gerne, aber heute noch dort essen? Lieber vorher beim Metzger ums Eck in der Tegernseer Landstraße satt machen und dann Bier beim Giesinger trinken, so geht's.

  • planet78 am 07.11.2023 22:37 Uhr / Bewertung:

    Hoffentlich gehen dann weniger Gäste in die Restaurants und ich kriege wieder spontan einen Platz wie es früher mal war...ansonsten bitte die Preise noch weiter erhöhen. Es gibt mehr als genug Geld auf dieser Welt und besonders in München!

  • SagI am 06.11.2023 14:48 Uhr / Bewertung:

    Vor unserer Gaststätte steht immer wieder ein großer Kühllaster "Partner der Gastronomie". Daher die Frage; Wird überhaupt noch selbst gekocht oder nur noch aufgewärmt? Bei letzteren kann das doch nicht so teuer sein.

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