"Wie soll man davon leben?": Café-Besuch in München wird zum Luxus – Wirte in Sorge

Wenn sich die Mehrwertsteuer auf Speisen im neuen Jahr wieder auf 19 Prozent erhöht, werden die Preise ab 2024 auch in der Münchner Gastronomie noch einmal drastisch steigen.
Ruth Frömmer
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Andreas Vollath ist täglich in seinem Café. Hier treffen sich Familien zum Frühstück, Freundinnen zum Kaffee und Kollegen in der Mittagspause. Das Vollaths ist ein sozialer Treffpunkt im Glockenbachviertel geworden.
Andreas Vollath ist täglich in seinem Café. Hier treffen sich Familien zum Frühstück, Freundinnen zum Kaffee und Kollegen in der Mittagspause. Das Vollaths ist ein sozialer Treffpunkt im Glockenbachviertel geworden. © Daniel von Loeper

München - Das Vollaths ist einer dieser Läden, bei denen man das Gefühl hat, sie seien immer schon da gewesen. Dabei hat das Café in der Thalkirchner Straße in diesem Jahr erst seinen fünften Geburtstag gefeiert. Der Betreiber Andreas Vollath führte es auch während der Corona-Krise mit viel Herzblut, weshalb es für viele ein sozialer Treffpunkt geworden ist.

Aber jetzt macht sich Vollath große Sorgen. Dass die Verlustjahre während der Corona-Pandemie eine schwere Belastung für die Gastronomie waren, haben die meisten Menschen mitbekommen. Aber vielen ist nicht bewusst, dass Inflation, Preissteigerungen und die hohen Energiekosten die Wirte besonders hart treffen.

Zum 1. Januar steigt die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent

Während der Pandemie hat die Politik gehandelt und kurzerhand die Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Damit können die Lokale auch heute noch zumindest einen Teil der gestiegenen Kosten auffangen.

Aber diese Senkung der Mehrwertsteuer ist befristet bis Ende des Jahres. Darum wird es Zeit für die Bundesparteien, den Antrag auf eine Entfristung durchzuwinken.

Mehrwertsteuer steigt: Münchner Wirte fordern die Politiker auf, Stellung zu beziehen

Befürwortet haben eine solche Entfristung einst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und auch Christian Lindner (FDP), aber nun ist es still geworden um das Thema. Vollath hat neulich auf einer Grünen-Veranstaltung bei Ricarda Lang vorgesprochen. Bereits im März haben die Fraktionen der Freien Wähler und CSU im Bayerischen Landtag sich mit einem Antrag für eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer ausgesprochen. Nun hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen weiteren gestellt.

Bisher hat all das die Bundesregierung nicht beeindruckt. Andreas Vollath fordert alle Politiker nun auf, Stellung zu beziehen. "Denn wenn jetzt nicht gehandelt wird, läuft die Reduzierung der Mehrwertsteuer automatisch aus." In einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga unter 2000 Betrieben aus Bayern gaben 96,1 Prozent der Befragten an, bei einer Mehrwertsteuererhöhung die Preise ab Januar erhöhen zu müssen.

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Ihre Finanzpolster haben viele Wirte während der Pandemie aufgebraucht. Da gab zwar Überbrückungshilfen, aber diese werden gerade zurückgefordert. Auf der hohen Kante haben gerade die kleinen Betriebe nichts mehr. Wenn die Mehrwertsteuer jetzt wieder erhöht wird, müssen sie das Eins-zu-Eins auf die Preise schlagen.

Der branchenübliche Gewinn würde bei einer Steuererhöhung wegbrechen

Andreas Vollath hat der AZ einmal vorgerechnet, was es für seine Kunden bedeuten würde, wenn ab 1. Januar die Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent steigt. Das Frühstück Isarjogger kostet im Vollaths 13,90 Euro. Er hat die Mehrwertsteuer-Reduzierung in seine Preise fließen lassen. Er hat diese also nicht erhöht, obwohl die Lebensmittelpreise, zum Beispiel für Milch, zum Teil um 80 Prozent gestiegen sind.

Im Moment zahlt er für ein verkauftes Isarjogger-Frühstück 91 Cent an den Staat. Wenn sich die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent erhöht, steigt seine Abgabe auf 2,22 Euro. "Ich müsste den Preis für das Frühstück in der Silvesternacht dann auf 15,50 Euro erhöhen", erklärt Vollath. Der branchenübliche Gewinn in der Gastronomie wäre mit einer Steuererhöhung um 12 Prozent weg, so Vollath.

"Entscheidend ist der Ertrag, und der ist gesunken": Müssen Wirte in München aufgeben?

"Es gibt aber auch Wirte, die einen weitaus geringeren Umsatz-Anteil an Gewinn erwirtschaften", weiß Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Dehoga Bayern. Eine weitere Dehoga-Umfrage hat neulich ergeben, dass 40 Prozent der Betriebe einen Umsatz (nicht zu verwechseln mit dem Gewinn) von weniger als 100.000 Euro erwirtschaften.

"Bayern lebt von familiengeführten Einzelbetrieben, die nicht nur auf Profit aus sind", so Geppert weiter, und die müssten ihren Betrieb aufgeben. "Denn selbst wenn für sie der Umsatz noch da ist: Entscheidend ist der Ertrag, und der ist gesunken."

Thomas Geppert vom Dehoga sorgt sich um die kleinen Betriebe.
Thomas Geppert vom Dehoga sorgt sich um die kleinen Betriebe. © Dehoga

Teure Preise und Personalmangel: Soziale Treffpunkte würden langsam verschwinden

Noch sitzen im Vollaths Menschen aus allen sozialen Schichten. Die einen treffen sich nur auf einen Kaffee, die anderen bestellen ein Frühstück "Beides ist hier okay. Aber solche Begegnungsstätten fallen weg, wenn alles teurer wird", befürchtet Vollath. Vor ein paar Jahren konnte man für 50 Euro zu zweit Essen gehen. Heute muss man eher 70 bis 80 Euro hinlegen. Geppert macht sich Sorgen, dass sich Rentner ihren Schweinsbraten bald nicht mehr leisten können oder Kartler ihre Schafkopfrunden ins Private verlegen.

Hinzu kommt in den Wirtschaften das akute Personalproblem. Im Vergleich zum Einzelhandel ist die Gastronomie eine sehr personalintensive Branche. "Für den gleichen Umsatz benötigt die Gastronomie sechs Mal so viel Personal wie der Einzelhandel", weiß Geppert. "Und Mitarbeiter, die für den Mindestlohn arbeiten, gibt es in einer Stadt wie München nicht", sagt Andreas Vollath, "wie soll man davon auch leben?" Aber ohne die Mitarbeiter kann man den Betrieb nicht am Laufen halten.

Mehrwertsteuer-Erhöhung bedroht Gastronomie: Kein Politiker brennt so richtig für das Thema

"Im Moment haben wir einen Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt", ergänzt Thomas Geppert. Sprich, die Arbeitnehmer haben viele Möglichkeiten und machen einen Job nicht mehr um jeden Preis. Arbeiten, wenn andere Feierabend haben, und dann auch noch die Unsicherheit: Arbeitssuchende überlegen sich gut, ob sie kellnern gehen.

Solche Plakate sollen in den Lokalen auf die Problematik hinweisen.
Solche Plakate sollen in den Lokalen auf die Problematik hinweisen. © Dehoga

Und was tut die Politik im Moment für die Gastronomie? "Ich habe das Gefühl, es gibt keinen Politiker, der so richtig für das Thema Mehrwertsteuer brennt", sagt Thomas Geppert. Der Dehoga möchte die Bevölkerung nun auf das Thema aufmerksam machen und verteilt Plakate an seine Mitglieder. Vielleicht werden die Gäste, darunter sicher auch der ein oder andere Politiker, ja so wachgerüttelt.

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  • Kangaroo am 01.08.2023 20:01 Uhr / Bewertung:

    Was verzapfens sie denn für einen hanebüchenen Blödsinn. Einen guten Schweinsbraten und dazu 2 Weißbier ist sicher für viele Rentner noch drin. Schließlich essen wir nicht jeden Tag Schweinsbraten. Außerdem kostet der nicht die Welt.

  • Conrad am 31.07.2023 14:30 Uhr / Bewertung:

    und nun zum schönen Schluss:
    Es wird jejammert auf hohem Niveau, auch von der Gastro sowie von jedem Einzelnen.

    Doch wie man am Wochenende bei einem Sparziergang beobachten kann, die Biergärten.
    große und kleine Gasstättem sowie Restourants gerammelt voll.
    Also wenn ich kein Geld habe kann ich nicht Essen gehen. Und bei der Gastro frage ich mich langsam scon, wo fliest dann das Geld hin. Ach ja die Schanigärten die nun auch ein jeder Wirt hat sind mehr als voll. Ja nun stelle ich mir schon die Frage??

  • glooskugl am 31.07.2023 08:05 Uhr / Bewertung:

    Früher konnte ein Rentner jeden Tag in seine Kneipe gehen. Heute sperrt man den Rentner über die Preise aus und eigentlich will man Event Lokation sein...für die welche beim ausgehen ihr Hirn ausschalten und dann zu jammern anfangen wenn der nicht in China gefertigte Artikel halt etwas mehr kostet.

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