Diakonie warnt vor Menschenhandel mit Geflüchteten: Ein Zimmer gegen (Sex-)Arbeit

Auch die Diakonie warnt vor der Gefahr, dass Flüchtlinge ausgebeutet werden. Sie fordert, auch Helfer zu registrieren. Der Verein Münchner Freiwillige hat bereits ein Schutzkonzept.
Nina Job
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Olya aus der Ukraine wartet nach ihrer Ankunft am Hauptbahnhof darauf, wie es weiter geht. Geflüchtete Frauen sind laut Diakonie "hochgradig gefährdet".
Olya aus der Ukraine wartet nach ihrer Ankunft am Hauptbahnhof darauf, wie es weiter geht. Geflüchtete Frauen sind laut Diakonie "hochgradig gefährdet". © picture alliance/dpa

München – Am Hauptbahnhof tauchte vor etwa zwei Wochen eine geflüchtete junge Frau aus der Ukraine auf, die eigentlich schon eine private Unterkunft in München gefunden hatte. Doch sie war dort spät abends überstürzt weggelaufen und durch die Stadt geirrt, bis sie schließlich wieder zum Hauptbahnhof fand.

Die genauen Umstände, was der Frau widerfahren ist, sind nicht bekannt. Sie erstattete keine Anzeige. Doch Bettina Spahn, die katholische Leiterin der Bahnhofsmission, berichtet, die Frau sei sehr aufgelöst gewesen und habe auf keinen Fall zurück in diese Unterkunft gewollt.

Manche Frauen müssen als Putzfrau arbeiten oder 24-Stunden-Pflege

Die stellvertretende Vorsitzende vom Verein Münchner Freiwillige, Marina Lessig, kennt andere Fälle: "Bei uns haben Geflüchtete um Hilfe gebeten, die zuvor als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ausgebeutet wurden. In einem Fall ging es um eine Gärtnerei."

Marina Lessig.
Marina Lessig. © willkommen-in-muenchen.de

Bei der Polizei sind derartige Fälle, in denen Flüchtlinge Opfer von Ausbeutung, Gewalt oder Zwangsprostitution geworden sind, bislang nicht aktenkundig. Doch es gibt sie, sind sich Vertreter der Diakonie und Caritas sicher. Das würden Erfahrungen und frühere Flüchtlingsbewegungen belegen. Maria Loheide vom Vorstand der Diakonie Deutschland sagte am Donnerstag: "Gerade die Frauen, die in ein fremdes Land kommen und auf Hilfe angewiesen sind, sind hochgradig gefährdet."

Sie fordert gesonderte Bereiche für Frauen und Kinder an den Bahnhöfen und mehr Polizeipräsenz. Zudem plädiert sie dafür, dass nicht nur die Geflüchteten registriert werden, sondern auch die freiwilligen ehrenamtlichen Helfer.

Dass die Arbeitskraft von Ukrainerinnen und Ukrainern ausgebeutet wird, sieht Loheide auch stark in Privathaushalten: als Putzhilfe oder als 24-Stunden-Pflegekraft. "Wir haben ja den Mangel in der Pflege, da kommen viele auf die Idee, dieses Potenzial der Frauen, die da nun aus Osteuropa kommen, zu nutzen." Es gebe bereits "einige Rückmeldungen in diese Richtung". Auch das sei im Prinzip Menschenhandel, meint Loheide.

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"Berufs- und Studienabschlüsse müssen schnell anerkannt werden"

Doch es kämen auch viele hoch qualifizierte Frauen wie IT-Expertinnen oder Ingenieurinnen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. "Berufs- und Studienabschlüsse müssen schnell anerkannt werden", fordert die Diakonie-Vorständin, "damit die Frauen ihrer Qualifikation entsprechend auf Wunsch schnell wieder arbeiten können."

Der Verein Münchner Freiwillige, der Privatquartiere an Flüchtlinge vermittelt, hat das Problem erkannt: Theoretisch könnten unter denjenigen, die Privatunterkünfte anbieten, auch welche sein, die nicht nur helfen wollen, sondern eigene Interessen verfolgen. "Wir haben konkret noch keine schlechten Erfahrungen gemacht", betont Marina Lessig. Doch um schwarze Schafe von vornherein abzuschrecken, müssen sich alle Gastgeber registrieren. Werden sie dann mit ihren künftigen Mitbewohnern zusammengebracht, müssen sie zudem persönlich vorbeikommen und ihren Ausweis zeigen. "Die Ausweisnummer wird von uns erfasst, genau wie die Daten der Geflüchteten", erklärt Marina Lessig. So könne jederzeit zurückverfolgt werden, wer bei wem untergekommen ist. "Das dient dem Schutz beider Seiten", betont Lessig.

Rund 7.000 Mal hat der Münchner Verein seit Ende Februar private Gastgeber und Flüchtlinge zusammengebracht.

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Nicht immer sind es Straftaten: "Manchmal passt es einfach menschlich nicht"

In den ersten Tagen des Angriffskriegs in der Ukraine wurden die Daten noch auf Zetteln erfasst, seit etwa zwei Wochen werden sie digital verwaltet, so Lessig. Einen Aufschrei von Datenschützern hat es bislang nicht gegeben. "Wir haben professionelle Datenschützer bei uns im Team", erklärt die Vize-Vorsitzende. Die Zettel aus der Anfangszeit würden in einem Safe verwahrt - falls die Polizei jemals danach fragen sollte.

Doch es muss nicht gleich eine Straftat der Grund sein, warum ein Flüchtling früher als gedacht auszieht oder vom Zimmeranbieter dringend darum gebeten wird. "Manchmal passt es einfach menschlich nicht", weiß Marina Lessig. Es komme zudem auch immer wieder mal vor, dass ein Gastgeber überfordert sei. "Das kann man nicht verhindern", sagt Lessig und versichert: "Wenn es nicht gut läuft, können die Geflüchteten jederzeit wieder zu uns zurückkommen. Dann vermitteln wir sie neu."

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  • Der wahre tscharlie am 31.03.2022 15:38 Uhr / Bewertung:

    Wie Marina Lessing sagt, es ist absolut zielführend, wenn beide Seiten registriert werden. Der Flüchling, sowie die Person, die diese aufnimmt.
    Nur so kann Ausbeutung, in welcher Form auch immer, verhindert werden.

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