Ukraine-Flüchtlinge am Hauptbahnhof: Wie groß ist die Gefahr durch Menschenhändler?

Immer häufiger sollen Flüchtlinge aus der Ukraine bei ihrer Ankunft in Deutschland dubiose Wohnangebote bekommen. Oft stecken Menschenhändler dahinter. Der Polizei sind noch keine solcher Fälle in München bekannt. Die Caritas selbst berichtet anderes.
Michael Schleicher |
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Flüchtlinge aus der Ukraine kommen mit dem Zug am Münchner Hauptbahnhof an.
Flüchtlinge aus der Ukraine kommen mit dem Zug am Münchner Hauptbahnhof an. © Felix Hörhager/dpa

München - Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine kommen Tag für Tag in Deutschland an – in München sind es aktuell zwischen 1.500 und 2.000. Für die meisten von ihnen ist der Hauptbahnhof die erste Anlaufstelle. Vor allem geflüchtete Frauen sollen hier immer wieder von Männer angesprochen werden, die teils dubiose Wohn- und Übernachtungsangebote machen.

Das Phänomen wurde vor allem am Berliner Hauptbahnhof bereits beobachtet. Doch auch in München sollen den Flüchtlingen Menschenhändler auflauern – katholische Institutionen warnen.

Der Caritas-Infopoint am Münchner Hauptbahnhof.
Der Caritas-Infopoint am Münchner Hauptbahnhof. © Sven Hoppe/dpa

Caritas warnt vor Menschenhändlern am Münchner Hauptbahnhof

"Man muss dem von Anfang an entgegenwirken", sagte Bettina Spahn, Leiterin der katholischen Bahnhofsmission München, vergangene Woche in München. "Es wird auf jeden Fall probiert, diese Frauen mit ihren Kindern anzusprechen", sagte Caritas-Vorstandsmitglied Gabriele Stark-Angermeier. Das Ziel dieser Männer sei, Frauen zur Prostitution zu zwingen. Stark-Angermeier sieht "eine systematische Geschichte" und betont: "Das Thema existiert."

Die Bundespolizei München - zuständig für den Hauptbahnhof - richte ihr Augenmerk mit sämtlichen Sicherheitsbehörden vermehrt auf solche Fälle, wie es am vergangenen Donnerstag auf AZ-Nachfrage hieß. Bei verdächtigen Personen würde man die Personalien kontrollieren. Hinweise auf tatsächlich vorhandene Fälle gebe es allerdings (noch) nicht, auch Anzeigen diesbezüglich seien noch nicht eingegangen, wie ein Sprecher der Bundespolizei erklärte.

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Bundespolizei über Menschenhandel: Noch keine Hinweise und Anzeigen

Kurz nachdem die AZ sich erkundigt hatte, veröffentlichte die Bundespolizei eine offizielle Mitteilung, in der nochmal betont wurde, dass es bislang keine konkreten Fälle von Menschenhandel am Münchner Hauptbahnhof geben würde. Entsprechende Gerüchte hätten sich bislang nicht verifizieren lassen, hieß es. Die Bundespolizei bat um Hilfe aus der Bevölkerung: Wer tatsächlich relevante Beobachtungen machen sollte, solle "sich nicht scheuen, unverzüglich die Bundespolizei am Gleis 26, Mitarbeiter der Deutsche Bahn Sicherheit und im Notfall auch den Notruf 110 zu wählen".

Für die Caritas sind die Vorfälle jedoch alles andere als Gerüchte. Den Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen am Hauptbahnhof seien solche Fälle bereits aufgefallen, vor allem am Anfang der Flüchtlingsbewegung, schildert eine Sprecherin der AZ. Die Täter, meist Männer, seien von den Helfern angesprochen worden, hätten gedroht, die Polizei zu rufen. "Wenn sie dann Polizei in der Nähe sahen, hauten sie ab", so die Sprecherin.

Caritas-Mitarbeiter helfen Geflüchteten am Hauptbahnhof in München.
Caritas-Mitarbeiter helfen Geflüchteten am Hauptbahnhof in München. © job

Privates Wohnungsangebot für Ukrainerin: "Gastgeber" wurde zudringlich

Die Caritas berichtete der AZ auch von einem konkreten Fall, der über einen ukrainisch sprechenden Ehrenamtlichen an sie herangetragen wurde. Dieser habe von einer ukrainischen Frau erzählt, die ein privates Wohnungsangebot am Hauptbahnhof angenommen hatte. "In der Nacht floh sie aus der Wohnung, weil der 'Gastgeber' zudringlich wurde", sagte die Sprecherin. Nach dem Vorfall sei die Geflüchtete wieder am Info-Point der Caritas am Hauptbahnhof angekommen und habe sich in eine städtische Unterkunft bringen lassen.

Die Polizei ist indes stärker für das Thema sensibilisiert, auch auf Anzeigetafeln der Bahn wird mittlerweile vor der Gefahr unseriöser "Angebote" gewarnt. Für die Caritas ist die erhöhte Polizeipräsenz vor Ort wichtig. "Seit die Polizei sehr sichtbar ist, haben wir bei uns am Caritas-Stand weniger solcher Vorfälle beobachtet", so die Sprecherin, die gleichzeitig jedoch von einer "Dunkelziffer" ausgeht. "Wir können das Geschehen ja nur rund um unsere Standorte beobachten und wissen nicht, was zum Beispiel vor dem Hauptbahnhof passiert."

Dass es bislang noch keine Anzeigen bei der Polizei gab, hat für die Caritas einen klaren Grund. Viele Betroffene, deren Hilflosigkeit ausgenutzt wurde, meldeten sich aus Scham nicht bei der Polizei.

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Fachberatungsstelle startet Informationskampagne

Die Fachberatungsstelle "Jadwiga", die unter anderem bei den Themen Menschenhandel und Zwangsheirat hilft, hat aufgrund der Geschehnisse eine Kampagne für alleinreisende Frauen und Kinder gestartet. Die Mitarbeiter informieren die Geflüchteten und geben Sicherheits- und Verhaltenstipps. Dafür sind sie in den verschiedenen Flüchtlingseinrichtungen sowie an den Ankunftsorten wie dem Münchner Hauptbahnhof aktiv.

Erste Fälle, bei denen geflüchteten Frauen aus der Ukraine dubiose Angebote gemacht wurden, gab es in Berlin. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will Ukrainerinnen mit einer hohen Polizeipräsenz auf Bahnhöfen vor Menschenhändlern und Sexualstraftätern schützen. "Jeder, der es versucht, die Not der Geflüchteten auszunutzen, sollte wissen: Auf solche Taten reagieren wir mit aller Härte des Gesetzes", sagte die SPD-Politikerin der "Bild am Sonntag" zuletzt. Niemand dürfe das Leid der Flüchtlinge missbrauchen. "Solche Übergriffe sind zutiefst verachtenswert."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). © Kay Nietfeld/dpa

Nach Ansicht der Polizei haben die Warnungen inzwischen Wirkung gezeigt. Der Eindruck sei, dass sich auffällig verhaltende Täter kaum mehr zum Berliner Bahnhof kämen, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei am vergangenen Mittwoch. Bleibt zu hoffen, dass diese Warnungen auch in München weiter ihre Wirkung zeigen.

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  • Anemone am 22.03.2022 20:26 Uhr / Bewertung:

    "Seit die Polizei sichtbar sei" ist ein super Satz! Die Polizei sollte ganz allgemein in der Stadt mehr sichtbar sein! Nicht nur im Auto, sondern als Streife zu Fuß. Polizei gehört auf die Straße, das verhindert Vorkommnisse vieler Varianten!

  • glooskugl am 22.03.2022 18:04 Uhr / Bewertung:

    Alles Zuhälter vom dreckigsten. Tiefgehend überprüfen diese Nichtsnutze .Schauen von was die leben und wie viel Geld da ist. Da wird man sicher fündig.

  • ......kann mich mal am 23.03.2022 08:33 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von glooskugl

    hast vollkommen recht - aber auch einige ukrainerinnen träumen vom schnellen geld. wie gesagt kein pauschales geschreibsel-. wie auch nicht jeder männliche passant, der wirklich aus mitleid hilft.

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